Wie sich bei der Zellteilung die ‚Spreu vom Weizen‘ trennt
WissenschaftlerInnen am IMBA – Institut für Molekulare Biotechnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften – konnten in einer aktuellen Publikation im Fachmagazin Nature nachweisen, wie ein Protein mit speziellen mechanischen Eigenschaften der Zelle hilft, Kernsubstanz und Zellplasma richtig voneinander zu trennen.
Jeden Tag teilen sich Milliarden unserer Zellen, damit wir wachsen und sich unsere Organe stetig erneuern. Glücklicherweise hat es die Biologie so eingerichtet, dass die meisten Zellen ersetzt werden. Dies geschieht durch die Zellteilung, bei der sich eine Zelle in zwei Tochterzellen teilt.
Dabei muss die dicht in den Kern gepackte Erbinformation durch Transporteinheiten, die sogenannten Chromosomen, auf die beiden Tochterzellen aufgeteilt werden. Werden die Chromosomen nicht richtig verteilt oder falsch verpackt, kann es zu schweren Schäden im Erbgut kommen oder es können etwa auch Zellen mit mehreren Zellkernen entstehen. Das führt dann oft zu unkontrollierten Wucherungen und Krebs.
Rätsel der Zellteilung entschlüsselt
Eine Vielzahl verschiedener Eiweiße reguliert diesen Vorgang, damit die Zellteilung reibungslos verläuft. Das Team um Daniel Gerlich kombiniert moderne Methoden der Zellbiologie mit innovativen Mikroskopie Techniken und automatisierter Bildauswertung, um die Zellen „live“ beim Teilen beobachten zu können und all die molekularen Eigenheiten bei diesem wundersamen Prozess genau zu analysieren.
Bereits 2016 brachten die ForscherInnen wichtige Erkenntnisse über die Fähigkeit von Chromosomen in den sich teilenden Zellen aneinander vorbei zu gleiten, ohne zu verkleben. Schlüsselprotein für diesen Vorgang ist das Protein Ki-67, das auch in der Krebsprognose eingesetzt wird. Zur Überraschung der ForscherInnen verfügt Ki-67 über oberflächenaktive Eigenschaften und bildet an den Chromosomen bürstenartige Strukturen aus, die ein Gleiten im Zellplasma ermöglichen.
In der aktuellen Studie widmeten sich die WissenschaftlerInnen einem weiteren ungelösten Rätsel der Zellteilung, nämlich wie sich Zellplasma und Kernmaterial voneinander trennen. Hat sich bereits eine Kernhülle um die Chromosomen gebildet, so können durch die 39 Nanometer großen Poren nur kleine Bestandteile aus dem Kern ins Zellplasma passieren. Aber wie kommen größere Teilchen, wie etwa Ribosomen, ins Zellplasma, damit sie nicht im Kern eingeschlossen werden, wo sie möglicherweise Schäden anrichten können?
Protein Ki-67 lenkt den Tanz der Chromosomen
Mit sogenannten GEM-Sonden, fluoreszierenden Partikeln in der Größe von Ribosomen, konnten die ForscherInnen diesen Prozess nun nachspielen und visualisieren, wie Reste von Zellplasma und darin enthaltene Organellen aus den Chromosomen-Zwischenräumen ins Zellplasma gedrängt werden.
„Wir konnten sehen, dass in den letzten Zügen der Zellteilung, wenn die Chromosomen näher zusammenrücken, die Anzahl der Zellplasmateilchen zwischen den einzelnen Chromosomen kleiner wird, sie werden einfach weggedrängt“, erzählt die IMBA Doktorandin Mina Petrovic, die mit Sara Cuylen-Häring, frühere Postdoktorandin am IMBA und jetzt Gruppenleiterin am EMBL in Heidelberg, gemeinsam Erstautorin der aktuellen Publikation in Nature ist.
Die WissenschaftlerInnen vermuteten, dass neben dem Spindelapparat andere Proteine die räumliche Organisation der Chromosomen steuern könnten. Um dies zu nachzuweisen, wandten die sie eine Methode an, bei der sie die Zellteilung ohne den Spindelapparat simulieren. „Selbst ohne Spindelapparat clustern die Chromosomen zusammen und wir konnten sehen, dass unsere Zellplasma-Sonden von den Chromosomen weggedrängt wurden. Erstaunlicherweise sorgt Ki-67, dessen seifenartige Wirkung für die Chromosomen-Anordnung wir bereits 2016 aufklären konnten, auch dafür, dass die Chromosomen gegen Ende der Zellteilung wieder zusammenklumpen,“ so Sara Cuylen-Häring.
„Wir konnten visualisieren, dass die bürstenartigen Strukturen, die den Chromosomen ähnlich wie Seife beim Gleiten und Anordnen helfen, an einem gewissen Zeitpunkt in sich zusammenfallen und die Chromosomen anfangen zusammenzuklumpen. Somit werden wichtige Zellorganellen weg von der Erbsubstanz in Richtung Cytoplasma gedrängt, bevor sich dann nach erfolgter Teilung die Zellmembran um die Chromosomen legt. Das erklärt, wie im Zuge der Teilung wichtige Bestandteile des Zellplasmas die nie durch die Krenporen passen würden nicht im Kern eingeschlossen bleiben.“
Daniel Gerlich weist darauf hin, dass die Forschungsergebnisse auch neue Fragen aufwerfen: „Unsere neue Studie zeigt, wie die Oberflächenbeschaffenheit von Chromosomen zu der Bildung eines neuen Zellkerns nach der Teilung beitragen. Wie die molekularen Mechanismen des Chromosomen-clustering genau funktionieren und was es langfristig für Zellen bedeutet, wenn Zellplasma fehlerhaft in den Zellkern verpackt wird, sind wichtige offene Fragen für zukünftige Forschung.“
Über IMBA
Das IMBA – Institut für Molekulare Biotechnologie ist das größte Institut der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) mit dem Fokus auf zukunftsweisende Grundlagenforschung. 16 Forschungsgruppen stellen sich den molekularen Rätseln und unerforschten Gebieten der Molekularbiologie und Medizin. Erkenntnisse aus den Bereichen Zell- und RNA- Biologie, molekularer Medizin und Stammzellbiologie bilden den Nährboden für eine Medizin der Zukunft.
www.imba.oeaw.ac.at
Originalpublikation:
Original Publikation: Cuylen-Haering, Petrovic et al.,’Chromosome clustering by Ki-67 excludes cytoplasm during nuclear assembly‘, Nature, 2020 doi 10.1038/s41586-020-2672-3
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