Wie Zellen sich entleeren
Das Protein EFhD2/Swip-1 trägt bei Fruchtfliegen zur kontrollierten Absonderung von Sekreten bei und könnte beim Menschen an Fehlfunktionen von Nervenverknüpfungen beteiligt sein. Das hat eine Arbeitsgruppe aus der Marburger Hochschulmedizin herausgefunden, indem sie Experimente an Drüsenzellen von Fruchtfliegen durchführte. Das Team berichtet im Fachblatt „Journal of Cell Science“ über seine Ergebnisse.
„Zellen nutzen den strikt geregelten Prozess der Exozytose, um Moleküle aus dem Zellinneren nach außen zu schleusen“, erklärt der Marburger Physiologieprofessor Dr. Sven Bogdan. Die Zellen verpacken dabei Moleküle in membranumhüllte Bläschen – die Fachleute sprechen von Vesikeln –, die anschließend mit der Außenhülle der Zelle verschmelzen, wobei der Inhalt der Bläschen in die Umgebung gelangt.
Der gesamte Vorgang – die Herstellung der Vesikel, ihr Transport durch die Zelle, die Verschmelzung mit der Außenhülle samt Absonderung des Vesikelinhalts – beruhen auf den Bewegungen des Zellskeletts, das aus Fäden des Moleküls Aktin besteht. Bogdan und seine Mitarbeiterin Dr. Franziska Lehne erforschten den Prozess an Speicheldrüsenzellen der Fruchtfliege Drosophila.
Insbesondere untersuchte das Forschungsteam das Protein EFhD2/Swip-1, von dem man weiß, dass es an Aktin bindet. „Das Protein ist an verschiedenen zellulären Prozessen beteiligt, so an der Wanderung von Zellen, an der Krebsausbreitung und am Wundverschluss der Haut“, legt Koautorin Franziska Lehne dar.
Das Team stellte fest, dass EFhD2/Swip-1 vermehrt in Drüsenzellen von Drosophila vorkommt. Das Protein tritt zusammen mit Aktin auf, wenn sich Vesikel bilden. „EFhD2/Swip-1 wird nicht für die Vereinigung von Vesikeln zu größeren Bläschen benötigt, sondern eher für die Zusammenziehung der Vesikelhülle, wodurch der Inhalt freigesetzt wird“, führt Lehne aus.
„Die Befunde sind auch deswegen von Belang, weil das Pendant von EFhD2/Swip-1 beim Menschen eine Reihe von krankhaften Störungen begleitet“, ergänzt Bogdan. „Das Protein gilt daher als möglicher Biomarker für chronische Krankheiten; das betrifft zum Beispiel Fehlfunktionen von Nervenverbindungen, die ihre chemische Kommunikation ja auch mithilfe von Vesikeln bewerkstelligen.“
Professor Dr. Sven Bogdan lehrt Physiologie und Pathophysiologie am Fachbereich Medizin der Philipps-Universität. Dr. Franziska Lehne gehört seiner Arbeitsgruppe als Wissenschaftlerin an. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft förderte die zugrundeliegende Forschungsarbeit finanziell.
Originalveröffentlichung: Franziska Lehne & Sven Bogdan: EFhD2/Swip-1 promotes exocytosis of glue granules in the exocrine Drosophila salivary gland, Journal of Cell Science 2023, DOI: https://doi.org/10.1242/jcs.260366
Weitere Informationen:
Ansprechpartner: Professor Dr. Sven Bogdan,
Abteilung Molekulare Zellphysiologie
Institut für Physiologie und Pathophysiologie
Tel.: 06421 28-26 816
E-Mail: sven.bogdan@staff.uni-marburg.de
Homepage: http://www.uni-marburg.de/fb20/physiologie/ags/bogdan
Media Contact
Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie
Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.
Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.
Neueste Beiträge
Größte bisher bekannte magnetische Anisotropie eines Moleküls gemessen
An der Berliner Synchrotronstrahlungsquelle BESSY II ist es gelungen, die größte magnetische Anisotropie eines einzelnen Moleküls zu bestimmen, die jemals experimentell gemessen wurde. Je größer diese Anisotropie ist, desto besser…
Tsunami-Frühwarnsystem im Indischen Ozean
20 Jahre nach der Tsunami-Katastrophe… Dank des unter Federführung des GFZ von 2005 bis 2008 entwickelten Frühwarnsystems GITEWS ist heute nicht nur der Indische Ozean besser auf solche Naturgefahren vorbereitet….
Resistente Bakterien in der Ostsee
Greifswalder Publikation in npj Clean Water. Ein Forschungsteam des Helmholtz-Instituts für One Health (HIOH) hat die Verbreitung und Eigenschaften von antibiotikaresistenten Bakterien in der Ostsee untersucht. Die Ergebnisse ihrer Arbeit…