Wissenschaftler entziffern erstes Termiten-Genom / Untersuchungen zur Entstehung sozialer Insekten
Wissenschaftler erforschen seit Langem, wie das komplizierte Miteinander in Insektenstaaten funktioniert. Antworten suchen die Forscher auch im Erbgut der Tiere. Nun hat eine große internationale Forschergruppe, darunter Wissenschaftler der Universität Münster, erstmals das Genom einer Termitenart offengelegt (sequenziert) und analysiert.
So konnten sie jetzt das Termiten-Erbgut mit dem Erbgut von Ameisen und Staaten bildenden Bienen vergleichen, was für die Forscher besonders interessant ist. Denn Termiten haben zwar eine ähnliche Lebensweise: Sie bilden ebenfalls Kolonien und verschiedene Kasten, also beispielsweise Arbeiter und Geschlechtstiere. Dabei sind sie aber mit den Hautflüglern, zu denen Bienen und Ameisen zählen, nicht näher verwandt. Die Studie ist in der aktuellen Ausgabe des Online-Fachmagazins „Nature Communications“ veröffentlicht.
„Die Analyse des Termitengenoms trägt maßgeblich dazu bei, dass wir entscheidende Schritte in der Evolution der Insekten besser verstehen: die Entstehung sozialer Insekten“, betont Dr. Nicolas Terrapon, der die Studie während seiner Postdoktorandenzeit am Institut für Evolution und Biodiversität der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster als einer der Hauptautoren durchgeführt hat. „Termiten sind im Gegensatz zu Bienen und Ameisen recht ursprüngliche Insekten, sie gehören zu den Schaben. Unsere Untersuchungen werden auch dazu beitragen, die Evolution der Insekten ganz allgemein besser nachzuvollziehen.“
Die Wissenschaftler untersuchten, ob die Evolution von Sozialität in den verschiedenen Insektengruppen auf den gleichen molekularen Mechanismen beruht. Sie entdeckten dabei Unterschiede, aber auch Gemeinsamkeiten. Einen auffälligen Unterschied fanden die Wissenschaftler bei Gruppen von Genen, die bei den männlichen Tieren an der Reifung der Spermien beteiligt sind.
Diese Gene sind bei den Holz bewohnenden Termiten der Art Zootermopsis nevadensis (Feuchtholz-Termite) zum Teil aktiver beziehungsweise kommen in höherer Stückzahl vor als bei den bisher untersuchten Ameisen- und Bienenarten. Die Forscher gehen davon aus, dass dies eine Besonderheit der Lebensweise widerspiegelt: Während die Männchen beispielsweise bei Ameisen und Bienen einmalig eine große Anzahl an Spermien produzieren und kurz nach der Paarung sterben, paaren sich die Termitenmännchen im Laufe ihres Lebens mehrfach mit der Königin ihres Nestes.
Ein weiterer Unterschied: Die Feuchtholz-Termiten besitzen im Vergleich zu den hoch sozialen Hautflüglern nur wenige Geruchsrezeptoren. Generell spielt der Geruch bei der Kommunikation und der Nestgenossen-Erkennung sozialer Insekten, aber auch bei der Futtersuche, eine extrem wichtige Rolle. Feuchtholz-Termiten haben jedoch eine einfachere Lebensweise als Ameisen, Honigbienen oder auch höher entwickelte Termiten. Sie entfernen sich zur Futtersuche beispielsweise nicht vom Nest und haben ein weniger komplexes Kommunikationsverhalten. Die geringere Anzahl an Geruchsrezeptoren spiegelt diese Lebensweise wider.
Die Forscher entdeckten jedoch auch Gemeinsamkeiten. So haben die Feuchtholz-Termiten beispielsweise ebenso wie Ameisen besonders viele Gene, die bei der Immunantwort eine Rolle spielen. Soziale Insekten sind verstärkt auf eine wirksame Infektionsbekämpfung angewiesen, da sich Krankheitserreger in den dicht besetzten Kolonien sonst leicht ausbreiten. Außerdem haben die Wissenschaftler Proteine gefunden, die eine wichtige Rolle bei der Entwicklung der kastenspezifischen Merkmale spielen könnten – analog zu einem ähnlichen System bei der Honigbiene.
Als Projektleiter an der Studie beteiligt waren Prof. Dr. Erich Bornberg-Bauer (Universität Münster), Prof. Dr. Jürgen Liebig (Arizona State University, USA), Prof. Dr. Judith Korb (Universität Freiburg) und Guojie Zhang (China National Genebank, BGI-Shenzen, China). Dr. Nicolas Terrapon forscht inzwischen an der Universität Aix-Marseille in Frankreich.
Originalliteratur:
Terrapon N. et al. (2014): „Molecular traces of alternative social organization in a termite genome“. Nature Communications 5; Article number: 3636, doi:10.1038/ncomms4636
Weitere Informationen:
http://www.nature.com/ncomms/2014/140520/ncomms4636/full/ncomms4636.html Originalpublikation
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