Zellen mit Licht gestalten
Mit dem Knipsen eines Schalters…
Ein Licht anknipsen und die innere Dynamik einer Zelle verstehen und steuern – das ist der Dimova-Gruppe gelungen. Das Team bestrahlte Zellreplikate mit verschiedenfarbigem Licht und veränderten dadurch die Wechselwirkungen zwischen den Zellelementen. Die Steuerung dieser komplexen Prozesse könnte es in Zukunft ermöglichen, Medikamente gezielt in die Zellen einzubringen. Auf Knopfdruck ließe sich diese Verabreichung anpassen oder sogar umkehren, was die Behandlung von Zellen auf intelligente, präzise und nicht-invasive Weise revolutionieren könnte
Zellen sind elementare Bausteine unseres Körpers und setzen sich aus Bestandteilen zusammen, die jeweils eine bestimmte Funktion haben. Die meisten dieser Bestandteile sind von einer Schutzmembran aus Fetten umgeben,mit Ausnahme der biomolekularen Kondensate. Diese winzigen, dynamischen Tröpfchen bereiten die Zelle auf eine schnelle Stressreaktion vor, indem sie unter anderem Reparaturmoleküle sammeln und organisieren. Rumiana Dimova und ihr Team am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung untersuchen die vielfältigen Wechselwirkungen zwischen Kondensaten und Membranen sowie deren gegenseitigen Einfluss auf Form und Struktur. In ihrer letzten Arbeit konzentrierte sich das Forschungsteam auf den Prozess der Endozytose. Dabei umschließt eine Zelle Nährstoffe oder Krankheitserreger mit ihrer äußeren Membran, um sie zu ‚fressen‘.
Die Forschenden entwarfen im Labor vereinfachte Versionen von Zellen (‚Riesenvesikel‘), um zelluläre Prozesse zu simulieren und diese unter dem Mikroskop zu analysieren. Sie verwendeten dabei lichtempfindliche Fette (‚photoschaltbare Lipide‘). Dimova und ihr Team beobachteten das Verhalten der Membranen, als sie mit Licht verschiedener Farben bestrahlt wurden: sie veränderten ihre Größe und lösten verschiedene Wechselwirkungen mit den Kondensaten aus.
„Wenn wir eine Membran mit ultraviolettem Licht bestrahlen, wächst sie und ‚verschluckt‘ die Kondensate“, erklärt Agustín Mangiarotti. „Und wir können den Prozess auch umkehren, indem wir auf blaues Licht umschalten“, fügt Mina Aleksanyan hinzu. „Dann schrumpft die Membran und stößt das Kondensat aus.“ Dies ist in dem mit einem Fluoreszenzmikroskop aufgenommenen Video deutlich zu sehen.
Diese Forschung hat ein enormes Potenzial für die Entwicklung neuer Therapien. Die kombinierte Verwendung von Riesenvesikeln und Licht könnte eine nicht-invasive medizinische Behandlung zur Steuerung der Zelldynamik darstellen. Licht ist kostengünstig und nachhaltig. Und da Riesenvesikel synthetisch im Labor hergestellt werden, können Forschende damit verschiedene Dynamiken untersuchen, ohne auf Kulturzellen von lebenden Organismen zurückgreifen zu müssen. Aber das ist noch nicht alles. Riesenvesikel sind biomimetisch: sie bestehen aus im menschlichen Körper vorkommenden Molekülen, wie Fette und Proteine. Sie funktionieren wie winzige Kapseln, die Medikamente transportieren und dann organisch mit Zellen verschmelzen.
„Jetzt wissen wir, dass wir durch die Steuerung von Licht die Gestaltung der inneren Umgebung einer Zelle beeinflussen können, was bei der Behandlung von Zellkrankheiten hilfreich sein könnte,“ schlussfolgert Dimova. „Es ist, als würde man eine Zelle mit dem Knipsen eines Schalters von innen gestalten.“
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Rumiana Dimova
Max Planck Institute of Colloids and Interfaces
Am Mühlenberg 1
14476 Potsdam
Germany
rumiana.dimova@mpikg.mpg.de
+49 331 567-9615
Originalpublikation:
A. Mangiarotti, M. Aleksanyan, M.Siri, T. Sun, R. Lipowsky, R.Dimova, Photoswitchable Endocytosis of Biomolecular Condensates in Giant Vesicles, Advanced Science (2024)
Media Contact
Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie
Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.
Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.
Neueste Beiträge
Überlebenskünstler im extremen Klima der Atacama-Wüste
Welche Mikroorganismen es schaffen, in den extrem trockenen Böden der Atacama-Wüste zu überleben, und welche wichtigen Funktionen sie in diesem extremen Ökosystem übernehmen – zum Beispiel bei der Bodenbildung –,…
Hoffnung für Behandlung von Menschen mit schweren Verbrennungen
MHH-Forschende entwickeln innovatives Medikament, um die Abstoßung von Spenderhaut-Transplantaten zu verhindern. Wenn Menschen schwere Verbrennungen erleiden, besteht nicht nur die Gefahr, dass sich die Wunde infiziert. Der hohe Flüssigkeitsverlust kann…
Neue Erkenntnisse zur Blütezeit-Regulation
Einfluss von Kohlenstoff- und Stickstoff-Signalwegen auf Blütenrepressoren bei Arabidopsis. In einer aktuellen Publikation in der Fachzeitschrift Plant Physiology hat ein internationales Forschungsteam, dem unter anderem Dr. Justyna Olas als eine…