Jetzt wird auch bei Sturm geerntet
ENERCON Anlagenregelung sorgt für höhere Erträge
November 2002, ein stürmischer Herbsttag: Der Himmel verfinstert sich, Laub fliegt umher, Bäume biegen sich, der Wind heult.
Dirk Unger aus Döbeln betrachtet zufrieden seine drei ENERCON Windenergieanlagen des Typs E-66 (1,8 Megawatt) im Windpark Erlau, die eifrig Strom produzieren. Sturmregelung nennt sich die neue Software, die inzwischen 95 Prozent aller deutschen E-40 und E-66 einen reibungslosen Betrieb auch bei extrem hohen Windgeschwindigkeiten garantiert. Unger erinnert sich: "Das Sturmtief Jeanette hat uns Windgeschwindigkeiten von über 30 m/s beschert und die Anlagen drehten immer noch. Das habe ich zunächst beim Blick auf die Fernabfrage festgestellt. Da guckt man ja bei so einem Wetter öfter mal rein."
Ohne Sturmregelung verhält sich eine Windenergieanlage wie folgt: Bei einer Einschaltwindgeschwindigkeit von 2,5 m/s beginnt der Rotor einer ENERCON Anlage des Typs E-66 (2 MW) sich zu drehen und erzeugt Leistung entsprechend der Standardkennlinie. Bei 12 m/s erzeugt die Windenergieanlage ihre Nennleistung, bis sie im Standardbetrieb bei einer mittleren Windgeschwindigkeit von 25 m/s im 20-Sek.-Mittel automatisch stoppt. Die Anlage schaltet erst wieder ein, wenn die mittlere Windgeschwindigkeit unter die mittlere Abschaltwindgeschwindigkeit oder unter eine noch niedrigere "Wiedereinschalt"-Geschwindigkeit, die Starkwind-Hysterese, gefallen ist. Bei böigem Wind nimmt dies in der Regel eine gewisse Zeit in Anspruch. Die Anlage schaltet sich auch dann ab, wenn eine momentane, z. B. drei Sekunden dauernde Böe einen bestimmten Maximalwert überschreitet.
Durch die vielen Unterbrechungen und die für das Stoppen und Starten benötigte Zeit geht viel Ertrag verloren. Daher muss für den Bereich der hohen Windgeschwindigkeiten ein beträchtlicher Ertragsverlust einkalkuliert werden. Dieser findet jedoch keine Berücksichtigung in den üblichen Energieertragsberechnungen, die auf der Basis von linear bis 25 m/s verlängerten Leistungskennlinien erstellt werden. Die Kennlinien entsprechen damit nicht den tatsächlichen Verhältnissen beim Standard-Anlagenbetrieb. Böen sorgen dafür, dass sich die Anlage auch bei mittleren Windgeschwindigkeiten von 24, 23 oder sogar 20 m/s abschaltet. Ein kompletter Abschalt- und Anfahrprozess dauert normalerweise einige Minuten. An einem einzigen stürmischen Tag kann das Abschalten damit zu einem Verlust von bis zu einem Prozent des Jahresenergieertrags führen. Dieser Ertragsverlust bei hohen Windgeschwindigkeiten war einer der Gründe für ENERCON, die so genannte Sturmregelung zu entwickeln.
Heute arbeiten 95 Prozent aller deutschen ENERCON Windenergieanlagen des Typs E-40 und E-66 bei hohen Windgeschwindigkeiten daher mit einer neu entwickelten Sturmregelungssoftware, die die Anlage weiter rotieren lässt. Stattdessen werden die Rotorblätter bei starkem Wind etwas aus dem Wind gedreht, um dadurch die Drehzahl und folglich auch die Leistung der Anlage zu verringern, wobei diese jedoch in Betrieb bleibt. Sobald die Böe vorüber ist, drehen sich die Rotorblätter wieder mehr in den Wind und die Anlage läuft sofort wieder mit voller Leistung. "Dadurch, dass die ENERCON Anlagen bei Sturm am Stromnetz bleiben und sich nicht abschalten, stabilisieren sie außerdem das Netz", erklärt Michael Hölscher, technischer Geschäftsführer des ENERCON Service. Dirk Unger bestätigt das: "Für den Energieversorger ist das bestimmt eine Erleichtung. Der hat ja vorher so eine riesige Leistung. Und wenn alle Anlagen vom Netz gehen einen totalen Einbruch. Mit der Sturmregelung werden diese Schwankungen vermieden."
Die Mindestdrehzahl beträgt etwa 6 U/min und die Verbindung zum Netz bleibt bestehen. Je nach Böigkeit des Windes folgt die Leistung der Anlage dieser Kennlinie nach unten oder oben, ohne sich abzuschalten.
Die ENERCON Sturmregelung ist bei Windgeschwindigkeiten von bis zu 34 m/s aktiv. Sie ermöglicht einen zusätzlichen Energieertrag an Standorten mit hohen durchschnittlichen Jahreswindgeschwindigkeiten, deren Windverteilung mehrere Stunden mit Windgeschwindigkeiten aufweist, die größer sind als 25 m/s. Und schließlich erfährt die Anlage sogar durch das Vermeiden von Abschalt- und Anfahrprozessen bei hohen Windgeschwindigkeiten mit entsprechenden Belastungsspitzen eine Entlastung. Diese neue Technik ist inzwischen auch patentiert worden.
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