Herkunft des Stroms und Umweltbelastungen müssen von 2004 an offen gelegt werden
Stromverbraucher in Europa werden von Juli 2004 an erfahren, aus welchen Quellen ihr Strom erzeugt wird und mit welchen Umweltbelastungen die Stromerzeugung verbunden ist. Dies ist eine der neuen Bestimmungen in der veränderten Stromrichtlinie, die der EU-Ministerrat gestern Abend verabschiedet hat. Das Öko-Institut e.V. erwartet, dass durch die Kennzeichnungspflicht die ökologischen Vorteile von Strom aus Kraft-Wärme-Kopplung und erneuerbaren Energien einen höheren Stellenwert im Strommarkt erhalten. Bei der Umsetzung der EU-Regelungen in nationales Recht hat Deutschland zudem wichtige Gestaltungsmöglichkeiten.
Die Kennzeichnungsregelung verpflichtet alle Stromversorger, ihren Kunden offen zu legen, aus welchen Energieträgern ihr Strom gewonnen wird. Die auf Initiative des EU-Parlaments in die neue Richtlinie aufgenommene Regelung verlangt, dass diese Information für die gesamte Strombeschaffung jedes Versorgungsunternehmens ermittelt und allen Stromrechnungen und gedruckten Werbeunterlagen beigefügt werden. Darüber hinaus müssen die Unternehmen Informationen über die mit der Stromerzeugung verbundenen Umweltbelastungen bereit stellen. Diese Daten müssen zumindest die klimaschädlichen CO2-Emissionen und die Produktion radioaktiver Abfälle umfassen.
„Mit der Pflicht zur Kennzeichnung von Strom erhoffen wir uns einen neuen Impuls für den in Deutschland schon wieder müde gewordenen Wettbewerb um die Verbraucher“, sagt Christof Timpe, Koordinator des Bereichs „Energie & Klimaschutz“ am Öko-Institut e.V. „Die Stromerzeugung ist in Deutschland für mehr als ein Drittel der CO2-Emissionen und den Großteil der nuklearen Risiken verantwortlich. Künftig werden die Verbraucher bessere Möglichkeiten haben, von ihrem Versorger neben einem attraktiven Strompreis auch eine umweltschonende Stromerzeugung zu verlangen. Zugleich haben ökologisch orientierte Stromanbieter die Möglichkeit, ihre Strombeschaffung nach Umweltgesichtspunkten zu verbessern und entsprechende Produkte anzubieten“, sagt der Wissenschaftler.
Im Rahmen eines von der EU-Kommission und dem Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft geförderten Forschungsvorhabens hat das Öko-Institut e.V. die Bedingungen für die Umsetzung der Kennzeichnung von Strom untersucht. In einer repräsentativen Umfrage im Rahmen dieses Projektes fanden es 73 Prozent der deutschen Haushalte äußerst sinnvoll beziehungsweise sinnvoll, eine Kennzeichnung von Strom einzuführen. Beispiele aus dem In- und Ausland zeigen zugleich, dass Umweltaspekte nicht nur bei der Strombeschaffung von Haushaltskunden eine Rolle spielen. Viele europäische Unternehmen aus verschiedenen Sektoren beziehen bereits heute Strom aus erneuerbaren Energien oder umweltschonender Kraft-Wärme-Kopplung.
Wenn die EU-Staaten die Richtlinie in nationales Recht umsetzen, können sie wesentliche Aspekte der Stromkennzeichnung festlegen. Das Öko-Institut e.V. appelliert an die Bundesregierung und den Bundestag, hierbei über die Mindestanforderungen der Richtlinie hinauszugehen:
Damit die Verbraucher auch wirklich zuverlässige Informationen erhalten, muss nach Ansicht des Öko-Instituts ein geeignetes Bilanzierungsverfahren für den Handel im europäischen Strommarkt eingeführt werden. Die von Teilen der Stromwirtschaft vorgeschlagene Verwendung von statistischen Durchschnittswerten reiche hierfür nicht aus, meinen die Experten am Öko-Institut.
Im Interesse der Stromkunden ist es nach Ansicht des Institutes zudem erforderlich, den Verbrauchern die Umweltinformationen zusammen mit dem Energieträgermix auf einem einheitlich gestalteten „Label“ zur Verfügung zu stellen.
„Darüber hinaus sollten die Verbraucher in Deutschland Informationen nicht nur über den Strommix der Unternehmen, sondern auch über ihre spezifischen Stromprodukte erhalten. An einer genauen Unterscheidung der Produkte auf dem Strommarkt sind sowohl die Stromwirtschaft als auch die Verbraucher interessiert“, sagt Christof Timpe vom Öko-Institut e.V.
Neben den Regelungen zur Kennzeichnung von Strom enthält die neue EU-Richtlinie weitere wichtige Elemente, die den Wettbewerb im Strommarkt stärken werden. So muss in Deutschland eine Regulierungsbehörde eingerichtet werden, die auch von Teilen der Stromwirtschaft gefordert wird.
Eine angemessene Marktregulierung, umweltorientierte Anreize für den Ausbau der erneuerbaren Energien sowie der Kraft-Wärme-Kopplung, transparente Regelungen bei der Kennzeichnung von Strom: All das wird nach Auffassung des Öko-Institut e.V. zu einem ausgewogenen Verhältnis zwischen einem wettbewerblich organisierten Markt und dem Umwelt- und Klimaschutz führen.
Das Öko-Institut e.V. ist das führende Umweltforschungsinstitut im Bereich der angewandten Ökologie. Es erstellt wissenschaftliche Gutachten und berät Politiker, Umweltverbände, Institutionen und Unternehmen. An den drei Standorten Freiburg, Darmstadt und Berlin beschäftigt das Institut 100 Mitarbeiter, darunter 70 Wissenschaftler.
Ansprechpartner:
Christof Timpe
Koordinator Bereich „Energie & Klimaschutz“
Telefon: 0761 – 45295-25
email: c.timpe@oeko.de
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