Mikro-Gasturbine: Energie nach Maß für den Mittelstand
Eine Innovation aus der industriellen Gemeinschaftsforschung
Die Kraft-Wärme-Kopplung (KWK), also die kombinierte Erzeugung von Wärme und Strom, ist ein etabliertes Instrument der kostengünstigen, dezentralen Energieversorgung. Sie leistet gleichzeitig einen wesentlichen Beitrag zur Reduzierung der Kohlendioxid-Emissionen. Während sich der wirtschaftliche Einsatz vorhandener KWK-Technologien zur Prozesswärme-Erzeugung auf Grund ihrer Leistungsdaten bislang auf Großanlagen beschränkte, rücken die Anforderungen kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU), die Prozesswärme benötigen, mehr und mehr in das Blickfeld von Politik, Energiewirtschaft und Anlagenbauern. Mit Unterstützung der Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen „Otto von Guericke“ haben Wissenschaftler vom Duisburger Institut für Energie- und Umwelttechnik (IUTA) gemeinsam mit Kollegen vom Lehrstuhl für Technische Thermodynamik der RWTH Aachen die Eignung einer neuen Technologie, der Mikro-Gasturbine, für den Einsatz in mittelständischen Unternehmen untersucht. Dabei kommen sie zu viel versprechenden Ergebnissen: Bei elektrischen Leistungen zwischen 30 und 200 kW kann die Mikro-Gasturbine Prozesswärme erzeugen und eignet sich auch als Wärmequelle für Absorptionskälteanlagen. Damit erstrecken sich ihre Einsatzbereiche über betriebliche Anwendungen zur Strom- und Dampferzeugung, beispielsweise in Wäschereien und Brauereien oder zur Trocknung in der Keramikindustrie, bis hin zur KWK in Krankenhäusern, Hotels und Verwaltungsgebäuden. Die Kosten für Anschaffung und Betrieb sind auf Grund weniger Verschleißteile und langer Wartungsintervalle von 4.000 bis 8.000 Betriebsstunden wesentlich geringer als beispielsweise für ein Motorheizkraftwerk.
Grundsätzlich gilt für jede KWK-Anlage: Erst hohe Laufzeiten bei einem hohen Nutzungsgrad machen ihren Betrieb wirtschaftlich. Es liegen nur dann günstige Voraussetzungen vor, wenn das ganze Jahr über ein gleichzeitiger Strom- und Wärmebedarf besteht. Der durchschnittliche Mindeststromverbrauch (Grundlast) eines KMU erlaubt den permanenten Betrieb einer Anlage mit einer elektrischen Leistung von 50 bis 200 kW. Die gleichzeitig erzeugte Wärme muss aber auch genutzt werden, und zwar nicht nur im Winter, um beispielsweise den Raumwärmebedarf zu decken, sondern das ganze Jahr über als Prozesswärme von mehr als 120 Grad Celsius, beispielsweise zur Dampferzeugung für die jeweilige Produktion. Die bislang verfügbaren Technologien decken diesen Bedarf nur unzureichend ab. Die Nutzwärme von Motorheizkraftwerken liegt in der Regel unter 100 Grad Celsius, so dass sie nicht als Prozesswärme und damit nicht über den Winter hinaus verwendbar ist. Demgegenüber erzeugen Gasturbinen zwar Prozesswärme, aber ihre elektrischen Leistungen lagen bisher bei 1.000 kW und mehr. Dies entspricht bei vielen KMU der maximal bezogenen Leistung und nicht der Grundlast. Mit der neuen Technologie der Mikro-Gasturbine hat sich nun das Einsatzspektrum verschoben.
Um genauere Kenntnisse über Wirkungs- und Nutzungsgrade bei verschiedenen Lastfällen und Betriebsweisen sowie deren Betriebskosten zu erhalten, haben die Forscher in Duisburg die erste Mikro-Gasturbine zur Prozesswärmeerzeugung in Deutschland installiert. Im Rahmen des Initiativprogramms „Zukunftstechnologien für kleine und mittlere Unternehmen“ der AiF unterzogen sie die Mikro-Gasturbine einem umfangreichen messtechnischen Versuchsprogramm, um ihre Besonderheiten und bevorzugten Einsatzgebiete gerade mit Blick auf den Einsatz in KMU herauszuarbeiten. Darauf aufbauend erhoben die Wissenschaftler Daten, um das Potenzial für den Einsatz von Mikro-Gasturbinen auszuloten. Mittelständische Unternehmen aus den Bereichen Textil und Ernährung wurden hinsichtlich ihres Energiebedarfs typisiert und in Bezug auf den Einsatz der neuen Technologie klassifiziert. Es entstanden so Entscheidungs- und Planungshilfen, mit denen Unternehmer diese KWK-Technologie kennenlernen und auf ihre Brauchbarkeit für ihren Bedarf hin prüfen können.
Sollte sich, wie die Experten hoffen, ein Massenmarkt für Mikro-KWK-Anlagen entwickeln, wäre auch das „virtuelle Kraftwerk“ nicht mehr fern: Wenn man viele Mikro-KWK-Anlagen regelungsseitig miteinander verbindet und von einer Zentrale aus steuert, könnten damit Wohn- oder Gewerbegebiete flächendeckend, umweltschonend und mit hoher Versorgungssicherheit mit Strom und Wärme gespeist werden. Dieses Modell verbindet die Vorteile des zentralen Großkraftwerks wie hohe Leistungen, Stabilisierung des Netzes und Versorgungsgarantie mit den Vorteilen kleiner dezentraler KWK-Anlagen. Dazu zählen besonders die Nähe von Energieerzeugung und -verwendung zur Minderung von Transportverlusten und die Möglichkeit, die bei der Stromerzeugung anfallende Wärme zu nutzen.
Ansprechpartner:
Dr. Martin Koepsell
Institut für Energie- und Umwelttechnik (IUTA)
Tel.: 02065 418-224
E-Mail: koepsell@iuta.de
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