Leiterplatten für die Elektronik der Zukunft
Projekt des Öko-Instituts e.V. zeigt: Innovationen sind möglich
Leiterplatten stellen einen wichtigen Bestandteil von Elektro- und Elektronikgeräten dar. Auf ihnen werden die elektronischen Bauelemente, wie beispielsweise Chips, mechanisch fixiert und leitend miteinander verbunden. Doch in diesem Markt besteht ein erheblicher Innovationsbedarf. Mit einem neuen, soeben in der ersten Phase abgeschlossenen Projekt zeigt das Öko-Institut e.V. Freiburg: Es ist möglich, Leiterplatten aus ökologischer und technologischer Sicht enorm zu verbessern. Und diese neuartigen Produkte können in ausgewählten Anwendungsbereichen sogar in Serie produziert werden. Bei der Messe „Electronics Goes Green“ in Berlin stellen die WissenschaftlerInnen in der kommenden Woche die Ergebnisse des Projektes vor.
Bislang dominieren in der Elektronik Leiterplatten aus duroplastischen Polymeren. Ihr Nachteil: Aus Brandschutzgründen müssen sie in der Regel mit umwelt- und gesundheitsgefährdenden Flammhemmern ausgerüstet werden. Hinzu kommt, dass die verwendeten Duroplaste ein werkstoffliches Recycling unmöglich machen.
Zudem steht die Elektro- und Elektronikindustrie derzeit vor großen Herausforderungen: Sie muss bis Mitte 2005 mit dem Inkrafttreten der EU-Elektronik-Altgeräterichtlinie (WEEE) ein Rücknahmesystem für alte Elektronikgeräte aufgebaut haben. Die EU-Stoffverbotsrichtlinie (RoHS) lässt ab 2006 nicht mehr zu, dass bestimmte gefährliche Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten verwendet werden. Dies betrifft auch bromierte Flammschutzmittel.
Genau vor diesem Hintergrund setzt das vom Öko-Institut e.V. Freiburg initiierte und koordinierte Verbundprojekt „Thermoplastische Leiterplatten als Beitrag zur Kreislaufwirtschaft“ an. Es hat das Ziel, neue kostengünstige Leiterplattenmaterialien auf der Basis von geschäumten Hochtemperatur-Thermoplasten (HTT) zu entwickeln. Wesentliche ökologische Vorteile gegenüber herkömmlichen Konzepten sind der Verzicht auf giftige Zusatzstoffe wie Flammschutzmittel und die Möglichkeit eines werkstofflichen Recyclings.
Die wichtigsten Ergebnisse der inzwischen abgeschlossenen ersten Projektphase:
1. Die prinzipielle Machbarkeit einer Leiterplattentechnologie auf der Basis von Hochtemperatur-Thermoplasten konnte durch erste funktionsfähige Musterapplikationen nachgewiesen werden. Durch Flex- und Multilayer auf HTT-Basis können auch hochintegrierte Schaltungen erschlossen werden.
2. Die Umweltbelastungen des HTT-Basismaterials sind insgesamt, das heißt inklusive aller relevanten Vorkettenprozesse, nur etwas halb so hoch wie bei dem herkömmlichen Material (FR-4). Dies liegt vor allem daran, dass die Ressourceneffizienz durch den Aufschäumprozess erhöht wird sowie erstmalig ein kontinuierlicher Herstellprozess zum Einsatz kommt. Zudem lässt sich das neue Material auf hohem Niveau recyceln.
3. Bei etwa gleichen Kosten wie herkömmliches Material haben die neuen Leiterplatten erhebliche technologische Vorteile. So lassen sich die Platinen thermisch und mechanisch nachverformen. Dadurch ist es beispielsweise möglich, Schalter und Tastfunktionen in die Platine zu integrieren, wobei Bauteile und Kabelverbindungen eingespart werden können. Außerdem verfügen die Platinen über ausgezeichnete Hochfrequenz-Eigenschaften.
„Der Einsatz der neuen thermoplastischen Leiterplatten soll sich perspektivisch nicht auf Nischenmärkte beschränken“, sagt Martin Möller, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Forschungsbereich „Produkte & Stoffströme“ des Öko-Instituts. So sollen die Produkte der neuen „HTT-Produktfamilie“ elektronische Anwendungen universell erschließen – beispielsweise in der Konsum-, der Informations- und Kommunikationselektronik oder für Automobilapplikationen.
In der nun anstehenden Qualifizierungsphase des Projekts sollen in weiteren Forschungs- und Entwicklungsarbeiten unter anderem folgende Schwerpunkte gesetzt werden: Qualifizierung der Leiterplattenprozessierung, Sicherheits-, Zuverlässigkeits- und Dauergebrauchtests und die Entwicklung ökoeffizienter Redistributions- und Recyclingstrategien. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass nach Abschluss dieser Qualifizierungsphase im Sommer 2006 eine Serienproduktion möglich ist.
Bei dem Projekt hat das Öko-Institut e.V. mit mehreren Partnern zusammengearbeitet: Universität Bayreuth, Lehmann & Voss & Co., Reifenhäuser GmbH & Co Maschinenfabrik, Lüberg Elektronik GmbH & Rothfischer KG, Würth Elektronik GmbH, KEW Konzeptentwicklung GmbH. Ungefähr die Hälfte des Projektvolumens hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziert.
Das Projekt „Entwicklung von thermoplastischen Leiterplatten für die Elektronik der Zukunft“ wird am 07. September 2004, um 9:00 Uhr, auf der Berliner Messe „Electronics Goes Green“ vorgestellt. Das Programm: http://egg2004.izm.fraunhofer.de
Das Öko-Institut e.V. ist zudem vom 6. bis zum 8. September 2004 bei der Messe, am Stand des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, mit Ansprechpartnern vertreten.
Ansprechpartner:
Martin Möller, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich „Produkte & Stoffströme“, Öko-Institut e.V. Freiburg, Telefon 0761/452 95-56, m.moeller@oeko.de
Carl-Otto Gensch, Koordinator im Bereich „Produkte & Stoffströme“, Öko-Institut e.V. Freiburg, Telefon 0761/452 95-41, c.gensch@oeko.de
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