JET-Weiterbetrieb in neuer Organisationsform

Zur Forschung abgeordnet: Wissenschaftler aus ganz Europa im JET-Kontrollraum (Foto: Mark Woollard, EFDA-JET)


Die erste Experimentier-Kampagne des Europäischen Fusionsexperimentes JET (Joint European Torus) in neuer Organisationsform ging Ende Juli erfolgreich zu Ende. Seit Beginn des Jahres wird JET – die weltweit größte Fusionsanlage – im Rahmen des European Fusion Development Agreement betrieben und ist kein selbständiges Gemeinschaftsprojekt der Europäischen Fusionslaboratorien mehr. Das Vorbereiten, Ausführen und Auswerten der Experimente übernehmen nun zeitweise von ihren Heimatlaboratorien abgeordnete Wissenschaftler und Techniker.

Rund 170 werden in diesem Jahr bei JET erwartet, allein 31 Personen ordnet das Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP) für 5 bis 70 Tage ab. Für den technischen Betrieb ist das britische Fusionslabor in Culham zuständig, das die Forschungsanlage samt der zugehörigen Messgeräte und Plasmaheizung betriebsbereit zur Verfügung stellt. Nach umfangreichen Vorbereitungs- und Umstellungsarbeiten hatten die Experimente planmäßig am 31. Mai wieder begonnen. In der neuen Organisationsform soll das leistungsfähige JET-Experiment über das bislang vorgesehene Betriebsende im Jahr 1999 hinaus zur Vorbereitung des Internationalen Experimentalreaktors ITER genutzt werden.

Entsprechend konzentriert sich das Arbeitsprogramm darauf, die Datenbasis für die gegenwärtig laufende ITER-Feinplanung zu komplettieren. Hierzu gehören Fragen zur Plasmaform, das Ausloten der Betriebsgrenzen, die Divertor-Physik und die Verfeinerung von Skalierungsgesetzen. Das wissenschaftliche Programm ist dabei in Arbeitsgruppen eingeteilt. Deren Leiter sind für die Vorbereitung und Ausführung einer Mess-Kampagne verantwortlich und koordinieren die Zuarbeit der von den 23 europäischen Laboratorien entsandten Mitarbeiter. Einer von ihnen, der IPP-Wissenschaftler und stellvertretende Leiter der JET-Arbeitsgruppe „Standardszenarien“, Dr. Wolfgang Suttrop, kommentiert: „Was in der Elementarteilchenphysik schon lange üblich ist – die befristete Abordnung der Wissenschaftler zu einem der großen Beschleuniger – entwickelt sich vermehrt nun auch in der Fusionsforschung. Als weltweit einzigartige Anlage wird insbesondere der geplante ITER diese ’Reisephysik’ erfordern, um Wissenschaftlern aus aller Welt Zugang zu den Kenntnissen zu ermöglichen. “

Allerdings muss man nicht in jedem Fall reisen: Inzwischen wurden nämlich die JET-Datenbanken von außerhalb zugänglich gemacht. Auch von ihren Heimatlaboratorien aus können die Fusionsforscher nun die JET-Daten mit eigenen Auswerteprogrammen analysieren. Sogar „ferngesteuerte“ JET-Experimente sind möglich, die von einem externen Fusionslabor aus vorbereitet, programmiert und betreut werden, wie das IPP in Garching Ende 1999 erstmals demonstriert hatte: Die JET-Entladungen wurden von Datensätzen gesteuert, die von Garching aus über Datenfernleitung direkt im JET-Computer berechnet worden waren. Den Ablauf der Entladungen konnten die IPP-Physiker auf den Garchinger Bildschirmen verfolgen. Korrekturen für die nächste Entladung wurden dann nach telefonischer Beratung mit den JET-Kollegen vor Ort eingebaut. Die Forscher konnten sich so auch „zuhause“ als Teil des JET-Teams fühlen.

JET – eine Erfolgsgeschichte
Ab 1973 wurde JET als weltweit größtes Fusionsexperiment von den Europäischen Fusionslaboratorien gemeinsam konzipiert und seit 1983 gemeinsam betrieben. Die Anlage hat seither das Fusionsprogramm seinem Ziel – die Energieerzeugung der Sonne auf der Erde nachzuvollziehen und aus der Verschmelzung von Atomkernen Energie zu gewinnen – ein großes Stück näher gebracht. Brennstoff für diese nahezu unerschöpfliche Energiequelle ist ein dünnes Plasma aus den beiden Wasserstoffsorten Deuterium und Tritium. Zum Zünden des Fusionsfeuers muß es gelingen, den Brennstoff in Magnetfeldern einzuschließen und auf hohe Temperaturen aufzuheizen.

Inzwischen ist JET die führende Fusionsanlage weltweit, deren Plasmen in vielem bereits einem Kraftwerksplasma nahe kommen. In 17 Betriebsjahren hat JET sämtliche Zielvorgaben erreicht. Aus der Vielzahl der gewonnenen Erkenntnisse ragen als nach außen hin sichtbarster Erfolg die Rekord-Experimente des Jahres 1997 heraus. JET war es gelungen, eine Fusionsleistung von 16 Megawatt freizusetzen, wobei 65 Prozent der aufgewendeten Heizleistung per Fusion zurückgewonnen wurden. Ein brennendes Plasma soll JET allerdings auch in der neuen Betriebsphase nicht erzeugen. Dies ist Aufgabe des nächsten Schrittes, des in weltweiter Zusammenarbeit geplanten Internationalen Thermonuklearen Experimentalreaktors ITER. Mit rund 500 Megawatt Fusionsleistung soll er erstmals ein längere Zeit energielieferndes Plasma erzeugen.

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Isabella Milch

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