Rückenwind für Biodiesel
Anfang 2005 wird es mit Biokraftstoffen Ernst. Ab diesem Zeitpunkt sind nämlich sämtliche EU-Mitglieder aufgefordert, einen Mindestanteil von Energieträgern aus nachwachsenden Rohstoffen sicherzustellen. Ein von der Degussa AG entwickelter Katalysator ermöglicht es, Biodiesel wesentlich wirtschaftlicher als bisher herzustellen.
Kraftstoffpreise auf immer neuen Rekordmarken: Bei so manchem Autofahrer treibt der Ärger an der Zapfsäule den Blutdruck in die Höhe. Gelassener bezahlen dagegen diejenigen an einer von insgesamt 1.700 freien Tankstellen in Deutschland, an denen ein ganz spezieller Saft angeboten wird: Biodiesel. Der Sprit vom Acker ist pro Liter rund 10 Cent günstiger, weil er – zunächst bis 2009 – von der Mineralölsteuer befreit ist. Biodiesel wird aus nachwachsenden Rohstoffen, vor allem aus Raps, gewonnen und trägt deshalb zum Klimaschutz bei. „Schon die Hälfte der 1,3 Millionen Hektar Anbauflächen für die gelbe Ölpflanze dienen der Produktion von Biodiesel“, erklärt Dr.Helmut Born, Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes (Bonn).
Biodiesel besteht aus speziellen chemischen Verbindungen – den so genannten Monoalkylestern – von Pflanzenölen, Tier- oder Altspeisefetten, die beispielsweise beim Frittieren anfallen. Ausgangsstoffe sind in der Regel die am meisten verbreiteten Pflanzenöle, also Raps in Nordeuropa, Sojabohnen in den USA oder Palmöl in Ländern mit eher tropischem Klima. Auch Kokos- und Sonnenblumenöl sind als Quelle für Biodiesel geeignet. Mit einem für 2004 geschätzten Volumen von rund einer Million Tonnen ist Deutschland der größte Markt weltweit. Die Erzeugerkapazitäten für den „grünen Diesel“ haben sich seit 1995 hierzulande auf 1,1 Millionen Tonnen verzehnfacht, die von 23 Anlagen hergestellt werden – weitere sind im Bau.
Für die große Nachfrage gibt es gute Gründe: So dürfen seit Beginn des Jahres „normalem“ Diesel standardmäßig fünf Prozent von der Biofraktion zugemischt werden, was einen zusätzlichen Bedarf von 1,5 Millionen Tonnen schafft. Zudem wird Anfang 2005 eine EU-Richtlinie in Kraft treten, nach der Rapsöl und Ethanol den herkömmlichen Kraftstoffen zugesetzt werden sollen. Alle EU-Mitglieder sind aufgefordert, einen Mindestanteil von zwei Prozent bis Ende 2005 und von 5,75 Prozent bis 2010 sicherzustellen.
Derartige Vorgaben werden in Niederkassel-Lülsdorf bei Köln mit Interesse verfolgt, denn hier produziert der zur Degussa gehörende Geschäftsbereich Building Blocks den notwendigen Katalysator, der die wirtschaftliche Biodieselherstellung ermöglicht. „Biodiesel, chemisch korrekt Rapsölmethylester (RME), zählt bei uns zu den wichtigen Anwendungen mit hohen Steigerungsraten“, erklärt André Noppe, Produktbereichsleiter in Lülsdorf. Das Werk ist auf eine wachsende Nachfrage gut vorbereitet: „Wir können unsere bestehenden Anlagen bei Bedarf rasch erweitern“, bestätigt Noppe.
Von der Fritteuse in den Tank – ein anderer Katalysator macht´s möglich
Bei diesem Herstellungsprozess steuert eine 30-prozentige Natrium-Methylat-Lösung in Methanol, kurz als NM30 bezeichnet, die Reaktion des Rapsöls zu Biodiesel und Glycerin. Eine Tonne Rohstoff benötigt nur etwa 17 bis 18 Kilogramm Katalysator. Am Ende des Prozesses werden RME und Glycerin abgetrennt, beides Produkte, die unter anderem in der Pharma-, Kosmetik- und Lebensmittelindustrie als Rohstoffe zum Einsatz gelangen.
Der Katalysator ist deshalb so erfolgreich, weil er eine hohe Glycerinausbeute und -qualität ermöglicht. Viele RME-Hersteller setzen auch deshalb auf NM30. Etwa zwei Drittel der Großanlagen, die 50.000 bis 100.000 Tonnen RME pro Jahr erzeugen, sind auf diesen „Kat“ ausgelegt. Ein verwandter Katalysator wird besonders vorteilhaft für die Verarbeitung von Altspeisefetten zu Biodiesel verwendet.
„Durch den Katalysator kann Biodiesel in einem wasserfreien Prozess hergestellt werden. Auf diese Weise werden Verunreinigungen der Produkte vermieden, was deren Trennung und Aufbereitung wesentlich erleichtert“, so Michael Markolwitz, Projektmanager Biodiesel der Degussa. Insgesamt haben die Alkoholat-Katalysatoren deutliche wirtschaftliche Vorteile gegenüber den Alternativen Natrium- und Kaliumhydroxid. Degussa stellt die Katalysator-Lösungen gebrauchsfertig her. Sie können so dem Reaktionsreaktor beim Kunden direkt zudosiert werden. Die Lieferung erfolgt in Tankcontainern oder Tanklastwagen.
Abgesehen von den zusätzlichen Einkommensmöglichkeiten für die Landwirtschaft hat Biodiesel unstrittig große Pluspunkte im Umweltschutz. Beim Treibhausgas Kohlendioxid entsteht keine zusätzliche Belastung: Jedes Kilogramm CO2, das bei der Verbrennung in die Atmosphäre abgegeben wird, hat die Pflanze zuvor über die Photosynthese aus der Luft aufgenommen. Biodiesel ist in diesem Sinne Teil eines geschlossenen Kreislaufes. Auch die Kohlenwasserstoff- Emissionen sind bei der Biovariante um 20 bis 40 Prozent geringer als bei normalem Diesel. Und bei der Schmierfähigkeit ist das Produkt vom Acker ebenfalls überlegen. Fossilem Diesel müssen dafür Schwefel oder andere Zusatzstoffe beigemischt werden, Biodiesel besitzt derartige Eigenschaften „von Natur“ aus und ist dennoch nahezu schwefelfrei. So wird beim Einsatz von Biodiesel ein wichtiger Beitrag zur Reduzierung des sauren Regens geleistet.
Über 3 Millionen PKWs warten auf den Sprit vom Acker
„Das Multitalent Bioenergie kann nach aktuellen Energieszenarien bei einem offensiven Marktausbau bis 2030 etwa 15 Prozent an Pkw-Kraftstoffen zur Verfügung stellen“, erklärt Helmut Lamp, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes BioEnergie (BBE,Bonn). Dies soll sich als Konjunktur- und Jobmotor erweisen. Insbesondere im strukturschwachen ländlichen Raum könnten in den nächsten 25 Jahren über 200.000 neue Arbeitsplätze entstehen. Und der Sprit vom Bauern hat Zukunft: Zurzeit besitzen über 3,1 Millionen Pkws allein in Deutschland die Freigabe ihrer Hersteller, Biodiesel zu tanken. Darüber hinaus haben auch die Profis aus dem Transportgewerbe das Sparpotenzial von Biodiesel erkannt. So können die Betriebskosten je nach Fahrzeug um bis zu 3.000 Euro pro Jahr reduziert werden. Kein Wunder also, dass etwa zwei Drittel des in Deutschland vermarkteten Biodiesels direkt an Speditionen und andere Fuhrunternehmen geliefert werden.
Die Zusammensetzung von Biodiesel und damit auch die chemischen Eigenschaften variieren je nach Rohstoffbasis. In jedem Fall ist die Belastung für das Leitungssystem bei reinem Biodiesel deutlich höher als bei der Mineralölvariante. Der neu entwickelte Werkstoff VESTAMID LX9013 des Degussa Geschäftsbereichs High Performance Polymers ist diesen Anforderungen gewachsen. Der modifizierte Kunststoff, ein Polyamid 12, ist mechanisch sehr stabil und ausgesprochen alterungsbeständig – selbst bei den hohen Kraftstofftemperaturen, die durch die neuen Einspritzsysteme der Dieselmotoren entstehen. Bei allen bisherigen Prüfversuchen zeigt er sich gerade auch im Kontakt zu Biodiesel herkömmlichen Materialien deutlich überlegen.
Media Contact
Weitere Informationen:
http://www.degussa.deAlle Nachrichten aus der Kategorie: Energie und Elektrotechnik
Dieser Fachbereich umfasst die Erzeugung, Übertragung und Umformung von Energie, die Effizienz von Energieerzeugung, Energieumwandlung, Energietransport und letztlich die Energienutzung.
Der innovations-report bietet Ihnen hierzu interessante Berichte und Artikel, unter anderem zu den Teilbereichen: Windenergie, Brennstoffzellen, Sonnenenergie, Erdwärme, Erdöl, Gas, Atomtechnik, Alternative Energie, Energieeinsparung, Fusionstechnologie, Wasserstofftechnik und Supraleittechnik.
Neueste Beiträge
Lebensretter unter der Haut
Erstmals in der UMG Defibrillator mit Brustbein-Elektrode gegen den plötzlichen Herztod implantiert. Im Herzzentrum der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) wurde einem Patienten mit Herzrhythmusstörungen erstmals ein neuartiger Defibrillator mit Brustbein-Elektrode implantiert:…
Studie zeigt Zunahme der UV-Strahlung in Mitteleuropa
Langzeitanalyse zu Daten aus dem deutschen UV-Messnetz erschienen: Ausgabejahr 2024 Datum 28.11.2024 In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die UV–Strahlung in Teilen von Mitteleuropa unerwartet stark erhöht. Zwischen 1997 und…
Stundenlanges Fräsen von Umformwerkzeugen passé
Die Großserienfertigung von Bipolarplatten für Brennstoffzellen erfolgt im Sekundentakt. Um eingesetzte Umformwerkzeuge vor Verschleiß zu schützen, werden sie aus hochwertigen Metalllegierungen gefräst. Im Nationalen Aktionsplan Brennstoffzellen-Produktion (H2GO) geht das Fraunhofer-Institut…