Mit Echolot auf Beutefang
Forschungserfolge bei der von der VolkswagenStiftung unterstützten Fledermausforschung auf Kuba und Sri Lanka. Beteiligt auf deutscher Seite sind die Uni Frankfurt und die Tierärztliche Hochschule Hannover.
Wir nähern uns dem 21. Dezember, der längsten Nacht des Jahres (und in diesem Jahr für viele der Auftakt zu den freien Tagen um Weihnachten). Oft wird der 21. Dezember auch als Tag der Dunkelheit bezeichnet. Nun hat die VolkswagenStiftung per se eine Beziehung zur Dunkelheit, bewegen sich doch die von ihr geförderten Wissenschaftler zu Beginn jeder Forschung – eben qua Tätigkeit – mehr oder weniger in derselben. Manchmal handelt es sich aber auch bei den Untersuchungsgegenständen um Geschöpfe der Dunkelheit, etwa bei den Fledermäusen. Zwei von der VolkswagenStiftung seit einiger Zeit geförderte Forschungskooperationen auf Kuba beziehungsweise Sri Lanka, bei denen sich die Wissenschaftler vor allem mit dem ausgefeilten Gehörsystem der Fledermäuse und deren Orientierung über Ultraschall beschäftigen, können nun mit interessanten Ergebnissen aufwarten.
Seit einiger Zeit ist bereits bekannt, wie Fledermäuse im Dunkel der Nacht ihre Beute fangen: Sie stoßen in kurzen Abständen hohe, kurze Töne aus – Ultraschalllaute, unhörbar für den Menschen. Das Echo der Schallwellen, die von Insekten, Blättern oder Zäunen abprallen, vermittelt ihnen im Flug ein „Hörbild“, das vermutlich ebenso genau und „farbig“ ist wie unser Sehbild. Dem kleinsten Widerstand weichen sie aus, selbst durch die Löcher eines Maschendrahts navigieren sie mit einer Geschwindigkeit von 40 Kilometern pro Stunde. Ihre Hauptnahrungsquelle, zumeist herumschwirrende Insekten, fangen sie im schnellen Flug.
Angepasst an ihre Umgebung, haben die Fledermäuse ganz unterschiedliche Ortungsrufe entwickelt. Ein besonders raffiniertes System fanden Forscher bei der in den Tropen beheimateten Schnurrbartfledermaus Pteronotus parnellii, die seit einigen Jahren im Mittelpunkt des Interesses Professor Manfred Kössls vom Zoologischen Institut der Universität Frankfurt am Main steht. Gemeinsam mit den Professoren Marianne Vater aus Potsdam sowie Frank Coro und Martha Perez von der Universidad de la Habana auf Kuba studiert der Zoologe das empfindliche Gehörorgan dieser Fledermausart; eine Höhle auf Kuba mit einer gut zugänglichen Kolonie von Schnurrbartfledermäusen bietet dafür ideale Voraussetzungen. Untersucht wurde und wird insbesondere die Entwicklung des Fledermausgehörs nach der Geburt der Tiere, dessen Aufbau und Funktionsweise.
Die enorme Leistung des Gehörorgans der Säugetiere, ihre hohe Empfindlichkeit und ihr Vermögen, Töne zu unterscheiden oder bestimmte Frequenzen wahrzunehmen, ist Resultat einer Schallverstärkung im Innenohr. Zwei Membranen in der Hörschnecke werden durch aktiv bewegliche Haarsinneszellen derart in Schwingungen versetzt, dass der Schall extrem verstärkt wird. „Das Prinzip ist bei uns Menschen nicht anders als bei den Fledermäusen“, erklärt Kössl. Doch wie kommt es dann, dass wir Frequenzen jenseits von 20 Kilohertz gar nicht hören können, während das den Fledermäusen volle Orientierung ermöglicht? „Die Filtereigenschaften und die Empfindlichkeit für bestimmte Frequenzen hängen vermutlich mit der Beschaffenheit der beiden Membranen in der Hörschnecke zusammen“, so die Ergebnisse der Messungen des internationalen Forscherteams.
Kontakt zu diesem Förderprojekt:
Professor Dr. Manfred Kössl
Zoologisches Institut an der Universität Frankfurt
Telefon: 0 69/79 82 47 61, Fax: 0 69/79 82 47 50
Die Schnurrbartfledermaus eignet sich diesbezüglich gut als Studienobjekt. Sie sendet Ortungsschreie aus, die konstant eine Frequenz von etwa 60 Kilohertz haben. Dabei kann sie, wie die Wissenschaftler feststellten, die Tonhöhe präzise einstellen und verändern. Nähert sie sich einem Insekt, korrigiert sie ihren Schrei ein wenig nach unten. Eine notwendige Feineinstellung. Denn die vom Insekt zurückgeworfenen Schallwellen sind verzerrt und wieder etwas höher als der ausgesandte Ruf; sie würden – ohne die vorausgehende Korrektur – die „Frequenzlupe“ im Innenohr, den Bereich höchster Empfindlichkeit bei 60 Kilohertz, nicht mehr treffen.
Den Forschern gelang es diese Feinheiten mit Hilfe folgender Messapparatur sichtbar zu machen: In einer schalldichten Kammer wird die Fledermaus in ein Schaumgummibett eingespannt; nah am Trommelfell sitzt ein kleines Mikrophon, über das Signale aus dem Innenohr gemessen werden – so genannte otoakustische Emissionen, die als Nebenprodukt der Schallverarbeitung im Innenohr entstehen. Diese werden aufgezeichnet und machen den Bereich der größten Empfindlichkeit in der Hörschnecke sichtbar. Solch eine Messapparatur steht seit einiger Zeit auch in Kuba. Dort wird neben der Schnurrbartfledermaus die weit verbreitete Fledermaus Molossus molossus mit ihren ganz anderen Ortungsrufen und einem deutlich unterschiedlichen Hörvermögen vermessen. Untersucht werden Jungtiere verschiedener Entwicklungsstufen. Es deute sich an, berichtet Kössl, dass die Frequenzlupe im Innenohr bereits bei der Geburt der kleinen Schnurrbartfledermäuse genetisch festgelegt sei. Ihre darauf abgestimmten Schreie hingegen scheinen sie ebenso lernen zu müssen wie ein Kind das Laufen. Die VolkswagenStiftung unterstützt diese Untersuchungen insgesamt mit 100.000 Euro.
Spannend sind aber auch das Sozialverhalten der kleinen Säuger, deren Ansprüche an Quartiere und Jagdgebiete und ihre Art, miteinander zu kommunizieren. Wissen, das für künftige Schutzmaßnahmen wichtig sein wird. Mit rund 51.000 Euro fördert die Stiftung ein zweites Fledermausprojekt, das vor allem diesen Fragen nachgeht. Dr. Sabine Schmidt und ihre Mitarbeiter von der Tierärztlichen Hochschule Hannover erforschen gemeinsam mit Dr. Wipula B. Yapa und Professor Wanikasekara D. Ratnasooriya von der Universität in Colombo auf Sri Lanka die Fledermaus Megaderma lyra, auch Indischer Falscher Vampir genannt. Im südwestlichen Teil der Insel lebt im Dachstuhl eines Hauses eine Kolonie dieser Art, und in einem Teil des Gebäudes konnte ein Labor eingerichtet werden, ohne die Tiere in ihrem Lebensrhythmus zu stören – gute Bedingungen, um deren Gewohnheiten zu studieren. Ausgerüstet mit Sendern führen die Fledermäuse die Forscher zu ihren Nachthangplätzen, ihren Tagesquartieren und Jagdgebieten.
Kontakt zu diesem Förderprojekt:
Privatdozentin Dr. Sabine Schmidt
Zoologisches Institut an der Tierärztlichen Hochschule Hannover
Telefon: 05 11/9 53 87 46, Fax: 05 11/9 53 85 86
Aus dem reichhaltigen Repertoire an Soziallauten – Fledermäuse können durchaus auch hörbar fiepen, zetern oder summen – konnte Sabine Schmidt bereits einen „Kontaktruf“ herausfiltern, der offensichtlich bei Treffen im Gelände eine wichtige Rolle spielt. Mit viel Mühe und technischem Geschick werden diese Laute aufgenommen, um sie später gezielt einzelnen Tieren vorzuspielen. Auf diese Weise konnte das Team um Dr. Schmidt die genauere soziale Funktion der Rufe zeigen und zum Verständnis der Fledermaus-Sprache beitragen. Über Vergleiche mit einer südindischen Population ließ sich im Verlauf des – inzwischen fast abgeschlossenen – Projekts nachweisen, dass es bei Fledermäusen sogar verschiedene Dialekte gibt.
Das Staunen und die Bewunderung für diese seltsamen Geschöpfe wächst mit dem Wissen, das wir erwerben. Um vollständig Licht in das Dunkel der Fledermauswelt zu bringen, wird noch einiges an Forschung nötig sein – bei uns und in den Tropen.
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