"Tschernobyl-Schiff": Russland plant schwimmendes Atomkraftwerk
Es klingt wie in einem utopischen Film: Das neue russische Atomkraftwerk soll auf einem Schiff errichtet werden, das nach Angaben seiner Betreiber Rosenergoatom nur 200 Mio. Dollar kostet und relativ problemlos Strom für 200.000 Menschen liefern kann. Rosenergoatom wittert ein gutes Geschäft, denn mit dem Atomkraftschiff könnten auch die nördlichen Regionen Strom bekommen. Dort gibt es aufgrund des schlechten Wetters nämlich häufig Lieferschwierigkeiten für Öl und Kohle, berichtet Popular Science.
Umweltschützer fürchten das geplante Kraftwerk könnte zu einem schwimmenden Tschernobyl werden, da es in den ehemaligen sowjetischen Kernkraftwerken immer wieder zu Problemen gekommen ist. Das russische Reaktorschiff soll sogar zwei Reaktoren an Bord haben, die beide etwa so groß sind wie ein Fußballfeld. Das Schiff würde dann von einem Hafen zum anderen fahren, um dort an das lokale Stromnetz angeschlossen werden. Abfälle könnten zehn bis zwölf Jahre an Bord gelagert werden. Nach einer etwaigen Laufzeit von 40 Jahren würde das Atomkraftwerk an Bord abgebaut und durch ein neues ersetzt werden.
Die Idee des schwimmenden AKW ist grundsätzlich nicht neu. Bereits in den 70er Jahren hatte das Unternehmen Westingshouse Electric die Idee zu einem solchen Kraftwerk. Dazu wurde in Jacksonville/Florida ein riesiges Trockendock errichtet, von dem aus das Atomkraftwerk gestartet werden sollte und dann entlang der US-Ostküste jene Orte mit Strom zu versorgen, die welchen brauchen. Das Projekt wurde dann nach der Ölkrise und dem darauf folgenden Energiesparprogramm von 1973 auf Eis gelegt und schließlich eingestellt, wie der inzwischen pensionierte Berater von Westinghouse, Richard Orr, berichtet.
Experten warnen indes vor einem solchen schwimmenden Kraftwerk, da es einige Risiken gebe: Einerseits wären die Folgen einer Kollision mit einem anderen Wasserfahrzeug unvorhersehbar. Auch im Falle eines Sturmes könnte das Kraftwerk riesige Schäden anrichten. „Wenn die Notfallgeneratoren versagen, wäre ein zweites Tschernobyl denkbar“, meint der Experte David Lochbaum, Direktor des Nuclear Safety Project von der Union of Concerned Scientists http://go.ucsusa.org . Im schlimmsten Fall könnte der Kern durch den Boden des Schiffes schmelzen und ins Wasser geraten. „Die Folge wäre eine gewaltige Explosion, die wesentlich schlimmer wäre als die Tschernobyl-Katastrophe“, so Lochbaum. Dazu käme noch, dass radioaktiver Wasserdampf vom Körper wesentlich stärker absorbiert wird als Asche.
Sergey Obozov, Direktor von Rosenergoatom, meint, dass die Reaktoren, zwei 60-Megawatt KLT-40S-Modelle, die in ähnlicher Art in drei Atom-Eisbrechern verwendet würden, absolut sicher sind. Cristina Chuen, Nuklearexpertin am Monterey Institute for International Studies in Kalifornien, findet den Vergleich allerdings unpassend. Es sei ein ziemlicher Unterschied, ob ein Kraftwerk zum Antrieb eines Motors oder rein zur Energieherstellung laufe. Ein Atomkraftwerk brauche ein wesentlich stärkeres Kühlsystem. Und das sei nicht bewiesen, wie es funktionieren soll.
Der frühestmögliche Zeitpunkt für die Inbetriebnahme wäre 2010. Geplant ist, so die Forscher, ein Start von der Stadt Severodvinsk. Chuen gibt zu Bedenken, dass Russland seit der Atomkatastrophe von Tschernobyl viel von den USA, Schweden und Norwegen über die nukleare Sicherheit gelernt hat. Die Forscherin wünscht sich allerdings mehr Transparenz bei der Planung des schwimmenden Kraftwerks.
Kritisch sehen erwartungsgemäß auch die Umweltorganisationen wie Greenpeace http://www.greenpeace.at solche Erfindungen. „Atomkraftwerke werden, egal ob sie am Festland oder am Schiff stehen, nie eine Lösung der Energiekrise sein“, meint Greenpeace-Sprecher Jurrien Westerhof im pressetext-Interview. Wenn solche Kraftwerke ganz sicher sind, würden sie so viel Geld kosten, dass sie schlichtweg nicht gebaut werden würden. „Greenpeace sieht in dieser Form der Energiegewinnung allerdings keine Zukunft“, so der Experte.
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