Die Energieproduktion am Laufen halten
Methode zur Fehlerdiagnose an rotierenden Maschinen.
Kraftwerke nutzen rotierende Maschinen zur Umwandlung mechanischer in elektrische Energie. Für weniger Ausfallzeiten erprobt ein HM-Forschungsteam eine neue Art der Fehlererkennung.
Rotierende Maschinen kommen unter anderem bei der Stromerzeugung in Wind- oder Wasserkraftwerken zur Umwandlung mechanischer in elektrische Energie zum Einsatz. Um plötzliche Ausfälle zu verhindern, erprobt ein HM-Forschungsteam im Projekt Carpe Diem (Capability Analysis for Reliable and reProduciblE DIagnosis on Electrical Machines) eine Methode, die sehr verschiedene Arten von Funktionsfehlern erkennt. Das Team um Prof. Dr. Stephanie Uhrig und Lukas Ranzinger von der Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik der HM arbeitet dafür mit der so genannten Sweep-Frequenzantwortanalyse (SFRA), die bereits erfolgreich zur Fehlerdiagnose bei Transformatoren angewandt wird.
Sweep-Frequenzantwortanalyse (SFRA): Der Fingerabdruck rotierender Maschinen
Anstatt die oft riesigen Generatoren zur Stromgewinnung für ihre Wartung oder beim Verdacht einer Fehlfunktion für längere Zeit stillzustellen, benötigt die Fehlerüberprüfung mit der SFRA-Methode nur eine kurze Unterbrechung: zwei Anschlüsse im Klemmkasten der Maschine können direkt zum Anlegen der Messklemmen genutzt werden. Mit einer Spannung von 10 V messen die Wissenschaftler:innen die Dämpfung sowie Phasenverschiebung bei verschiedenen Frequenzen, welche die Spannung beim Lauf durch die Maschine erfährt.
In einem Frequenzbereich von 20 Hz bis zu 2 MHz zeigt sich ein je nach Maschine oder Maschinentyp charakteristisches Profil als Frequenzantwort. Dieser Fingerabdruck ist einzigartig, bei Geräten einer Baureihe zumindest ähnlich. Wird das Frequenzprofil der Maschine erneut gemessen, können im Vergleich mit dem hinterlegten Fingerabdruck Fehler in der elektrischen, magnetischen und mechanischen Funktion erkannt werden, wie beispielsweise ein Kurzschluss oder ein Unterbruch.
Vorteile der SFRA-Methode
Die Vorteile der Methode sind überzeugend: Die Prüfutensilien passen in einen mobilen Diagnosekoffer, sie ist nichtinvasiv und vergleichsweise schnell einzusetzen. Das reduziert die Ausfallzeiten der Kraftwerke und trägt zu einer zuverlässigen und konstanten Stromproduktion bei geringeren Betriebskosten bei. Zudem kann die SFRA-Methode mehr Fehlertypen erkennen als bisherige, einzelne Diagnosemethoden. Eine Besonderheit muss von den Forschenden hierbei beachtet werden, der Einfluss des Rotorwinkels auf die Frequenzantwort und die zugehörige Fehlererkennung.
SFRA-Messungen und Rotorwinkel
„Ein wesentlicher Unterschied zur Anwendung an Transformatoren ist der Einfluss des Rotordrehwinkels. Denn abhängig von der relativen Position von Rotor zu Stator verändert sich das Frequenzprofil“, sagt Lukas Ranzinger, wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand in Carpe Diem. Wenn sich der Rotor dreht ändert sich damit – je nach Position – die Frequenzantwort. Um die Wirkung des Drehwinkels auf das Profil zu eruieren, untersuchte das Team erstmals Maschinen unterschiedlichster Leistungsklassen, von kleinen Labormaschinen bis zu riesigen Kraftwerks-Generatoren wie im Bild die 260 MVA Maschine zum Antrieb eines Schwungradspeichers, mit deren Messung das Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Garching das Forschungsprojekt unterstützte.
Ihre Ergebnisse: „Je nach Rotorposition besteht eine bessere oder schlechtere Kopplung zwischen Rotor und Stator“, sagt Uhrig. Daraus resultiert, dass die Rotorposition für einen statischen Vergleich der Frequenzprofile immer gleich sein muss. Bei weiteren Analysen des Verlaufs ermöglichen die Abhängigkeiten allerdings auch neue Interpretationsansätze. Selbst bei der ersten Anwendung der Methode ist eine Aussage zum Zustand der Maschine möglich.
Modell und Simulation: Fehlerdiagnose ohne Referenzmessung
Ihre Ergebnisse setzte das Carpe Diem Team in ein elektrisches Modell und Simulationen um, in das alle verfügbaren Informationen einflossen. Sie konnten hierbei die Änderungen in der Frequenzantwort bei unterschiedlichen Maschinentypen und Leistungsklassen zeigen. Die Grafiken stellen den Vergleich von Modell- mit Messergebnissen dar, welche beide die entsprechenden Frequenzverläufe zeigen. Modell und Simulationen machen es demnach möglich die realen Frequenzantworten besser zu verstehen. Abweichungen bei Messungen können theoretisch begründet werden und ermöglichen zudem Aussagen über die Fehlerart und den Fehlerort. Das heißt auch, dass Abweichungen in der Frequenzantwort bedingt durch Fehler oder durch die Rotorposition voneinander unterschieden werden können.
Carpe Diem
Das Projekt Capability Analysis for Reliable and reProduciblE DIagnosis on Electrical Machines (Carpe Diem) leitet seit April 2020 Prof. Dr. Stephanie Uhrig von der Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik der HM. Lukas Ranzinger ist wissenschaftlicher Mitarbeiter. Projektpartner sind Fabian Öttl von OMICRON Electronics GmbH Reinhard Hinterholzer von der Voestalpine Stahl GmbH. Das Projekt läuft noch bis April 2024.
Gerne vermitteln wir einen Interviewtermin mit Prof. Dr. Stephanie Uhrig und Lukas Ranzinger.
Kontakt: Christiane Taddigs-Hirsch unter T 089 1265-1911 oder per Mail.
Originalpublikation:
L. Ranzinger, I. Stephanie Uhrig and F. Öttl, „Basic behaviour of FRA measurements on rotating machines,“ 22nd International Symposium on High Voltage Engineering (ISH 2021), 2021, pp. 24-29, doi: 10.1049/icp.2022.0004
L. Ranzinger, S. Uhrig, S. Tenbohlen, and F. Öttl, “Einfluss des Rotordrehwinkels auf die Frequenzantwort von Synchronmaschinen,” VDE Hochspannungstechnik 2022, 08 Nov., 2022.
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