Ein präziser Arm für Zwergenroboter

Mit einer Glasnadel, die mit Ultraschall in Schwingung versetzt wird, lassen sich Flüssigkeiten gezielt bewegen und Partikel einfangen. (Bild: ETH Zürich)

Mi­kro­sko­pisch klei­ne Ro­bo­tik­sys­te­me muss­ten bis­her oh­ne Ar­me aus­kom­men. ETH-​Forscher ent­wi­ckel­ten nun ei­ne mit Ul­tra­schall be­weg­te Glas­na­del, die an ei­nem Ro­bo­ter­arm be­fes­tigt wer­den kann. Da­mit pum­pen und mi­schen sie win­zi­ge Flüs­sig­keits­men­gen und fan­gen kleins­te Par­ti­kel ein.

Ro­bo­ter mit be­weg­li­chen Ar­men sind uns al­len ein Be­griff. Sie ste­hen in In­dus­trie­hal­len, wo sie me­cha­ni­sche Ar­bei­ten ver­rich­ten. Sie las­sen sich pro­gram­mie­ren, und ein ein­zel­ner Ro­bo­ter kann für viel­fäl­ti­ge Ar­bei­ten ver­wen­det wer­den.

Bis­her we­nig bis gar nichts mit sol­chen Ro­bo­tern zu tun hat­ten Mi­ni­sys­te­me, in de­nen win­zi­ge Flüs­sig­keits­men­gen durch fei­ne Ka­pil­la­ren flies­sen und die For­schen­de bei­spiels­wei­se für die La­bor­dia­gnos­tik ent­wi­ckelt hat­ten. Mi­kro­flui­dik oder Lab-​on-a-Chip wer­den sol­che Sys­te­me ge­nannt. In der Re­gel sind es ex­ter­ne Pum­pen, wel­che die Flüs­sig­keit durch Mikrofluidik-​Chips be­we­gen. Sol­che Sys­te­me sind bis heu­te nur schlecht au­to­ma­ti­sier­bar, und die Chips müs­sen für je­de An­wen­dung spe­zi­fisch ent­wi­ckelt und her­ge­stellt wer­den.

Na­del schwingt mit Ul­tra­schall

Wis­sen­schaft­ler un­ter der Lei­tung von ETH-​Professor Da­ni­el Ah­med ver­ei­nen nun klas­si­sche Ro­bo­tik und Mi­kro­flui­dik. Sie ent­wi­ckel­ten ein Ge­rät, das Ul­tra­schall­wel­len nutzt und das an ei­nem Ro­bo­ter­arm be­fes­tigt wer­den kann. Es eig­net sich für viel­fäl­ti­ge Mikrorobotik-​ und Mikrofluidik-​Anwendungen und lässt sich auch nut­zen, um sol­che An­wen­dun­gen zu au­to­ma­ti­sie­ren. Über die­se Ent­wick­lung be­rich­te­ten die Wis­sen­schaft­ler in der Fach­zeit­schrift ex­ter­ne Sei­teNa­tu­re Com­mu­ni­ca­ti­ons.

Vergrösserte Ansicht: Links sieht man ein Modell des Roboterarms, mit der angebrachten, schwingenden Glasnadel. Rechts ist ein detaillierteres Modell des dreidimensionalen Wirbelmuster zu sehen, welches durch den Vorgang entsteht.

Das Ge­rät be­steht aus ei­ner dün­nen und spit­zen Glas­na­del so­wie aus ei­nem pie­zo­elek­tri­schen Schall­wand­ler, der die Na­del in Schwin­gung ver­setzt. Ähn­li­che Schall­wand­ler kom­men zum Bei­spiel auch in Laut­spre­chern, bei der Ul­tra­schall­bild­ge­bung oder in pro­fes­sio­nel­len Zahn­rei­ni­gungs­ge­rä­ten zum Ein­satz. Die ETH-​Forscher kön­nen bei ih­rer Glas­na­del die Schwin­gungs­fre­quenz va­ri­ie­ren. Tau­chen sie die Na­del in ei­ne Flüs­sig­keit, er­zeugt die Na­del dar­in ein drei­di­men­sio­na­les Mus­ter aus meh­re­ren Wir­beln. Das Mus­ter hängt von der Schwin­gungs­fre­quenz ab und kann ent­spre­chend ge­steu­ert wer­den.

Sechs Wirbelmuster in unterschiedlichen Farben (oben von links nach recht: blau, weiss, grün; unten von links nach rechts: gelb, rot, magenta)
Ver­schie­de­ne Wir­bel­mus­ter in Flüs­sig­kei­ten von oben be­trach­tet und durch Par­ti­kel sicht­bar ge­macht. Der Punkt in der Mit­te der Bil­der ist die Glas­na­del. (Bild: ETH Zü­rich)

Die For­scher konn­ten da­mit meh­re­re An­wen­dun­gen zei­gen: Ers­tens war es ih­nen mög­lich, win­zi­ge Trop­fen hoch­vis­ko­ser Flüs­sig­kei­ten zu mi­schen. «Je vis­ko­ser Flüs­sig­kei­ten sind, des­to schwe­rer las­sen sie sich mi­schen», er­klärt ETH-​Professor Ah­med. «Mit un­se­rer Me­tho­de ge­lingt dies aber gut, weil wir da­mit nicht nur ei­nen Wir­bel er­zeu­gen, son­dern die Flüs­sig­kei­ten mit ei­nem kom­ple­xen drei­di­men­sio­na­len Mus­ter aus meh­re­ren star­ken Wir­beln ef­fi­zi­ent mi­schen kön­nen.»

Zwei­tens konn­ten die Wis­sen­schaft­ler Flüs­sig­kei­ten durch ein Mini-​Kanalsystem pum­pen, in­dem sie ein be­stimm­tes Mus­ter von Wir­beln er­zeug­ten und die schwin­gen­de Glas­na­del na­he an die Ka­nal­wand plat­zier­ten.

Drit­tens ge­lang es den For­schen­den, mit ih­rem Ul­tra­schall­ge­rät in der Flüs­sig­keit be­find­li­che Fein­par­ti­kel ein­zu­fan­gen. Dies ist mög­lich, weil die Par­ti­kel ab­hän­gig von ih­rer Grös­se un­ter­schied­lich auf die Schall­wel­len re­agie­ren. Ver­hält­nis­mäs­sig gros­se Par­ti­kel be­we­gen sich hin zur schwin­gen­den Glas­na­del und la­gern sich an die­se an. Auf die­se Wei­se las­sen sich nicht nur un­be­leb­te Par­ti­kel ein­fan­gen, son­dern zum Bei­spiel auch Fi­sch­embryo­nen, wie die For­scher zeig­ten. Eben­falls denk­bar wä­re es, in der Flüs­sig­keit bio­lo­gi­sche Zel­len ein­zu­fan­gen. «Mi­kro­sko­pisch klei­ne Par­ti­kel in den drei Raum­di­men­sio­nen ge­zielt ein­zu­fan­gen und an­dern­orts wie­der frei­zu­las­sen war bis­her her­aus­for­dernd. Mit un­se­rem Mi­kro­ro­bo­ti­k­arm ist das hin­ge­gen ein­fach mög­lich», sagt Ah­med.

«Mi­schen, pum­pen und Par­ti­kel ein­fan­gen – wir kön­nen das al­les mit ei­nem Ge­rät ma­chen.»

Da­ni­el Ah­med

«Bis­her ha­ben sich die klas­si­sche Ro­bo­tik und die Mi­kro­flui­dik se­pa­rat ent­wi­ckelt», sagt Ah­med. «Mit un­se­rer Ar­beit tra­gen wir da­zu bei, dass sich die bei­den An­sät­ze nä­hern.» So­mit könn­ten Mikrofluidik-​Systeme in Zu­kunft ähn­lich kon­zi­piert wer­den wie heu­ti­ge Ro­bo­ter­sys­te­me: Es reicht ein ein­zi­ger Ap­pa­rat, der – ent­spre­chend pro­gram­miert – viel­sei­tig ein­setz­bar ist. «Mi­schen, pum­pen und Par­ti­kel ein­fan­gen – wir kön­nen das al­les mit ei­nem Ge­rät ma­chen», sagt Ah­med. In Zu­kunft wer­den Mikrofluidik-​Chips da­her nicht mehr für je­de ein­zel­ne An­wen­dung spe­zi­ell ent­wi­ckelt wer­den müs­sen. Als nächs­tes möch­ten die For­scher meh­re­re Glas­na­deln kom­bi­nie­ren, um da­mit in den Flüs­sig­kei­ten noch kom­ple­xe­re Wir­bel­mus­ter zu er­zeu­gen.

Ne­ben der La­bo­rana­ly­tik sind für Ah­med wei­te­re An­wen­dun­gen denk­bar, et­wa das Sor­tie­ren von win­zi­gen Ob­jek­ten. Denk­bar wä­re auch, die Mi­ni­ro­bo­ter­ar­me in der Bio­tech­no­lo­gie zu nut­zen, um da­mit DNA in ein­zel­ne Zel­len zu brin­gen. Und schliess­lich wä­re ein Ein­satz in der ad­di­ti­ven Fer­ti­gung und im 3D-​Druck mög­lich.

Li­te­ra­tur­hin­weis

Dur­rer J, Agra­wal P, Ozgul A, Neu­hauss SCF, Na­ma N, Ah­med D: A robot-​assisted acou­sto­flui­dic end ef­fec­tor. Na­tu­re Com­mu­ni­ca­ti­ons, 26. Ok­to­ber 2022, doi: ex­ter­ne Sei­te10.1038/s41467-​022-34167-y

https://ethz.ch/de/news-und-veranstaltungen/eth-news/news/2023/01/ein-praeziser-arm-fuer-zwergenroboter.html

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Peter Rüegg Hochschulkommunikation
Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH Zürich)

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