Forschung: KI revolutioniert Solarbranche

Das Coburger Forschungs-Team im Freiluft-Labor auf dem Dach des Zentrum für Mobilität (ZME) der Hochschule Coburg: Prof. Dr. Dieter Landes, Prof. Dr. Bernd Hüttl, Darwin Daume, Simon Schnabrich und Max Schönau.
Foto: Natalie Schalk / Hochschule Coburg

Die Hochschule Coburg, die TH Rosenheim und als Industriepartner das Münchner Hightech-Unternehmen Smartblue haben sich in einem Forschungsprojekt zusammengetan, das die Solarbranche revolutionieren soll. „KI-basierte Charakterisierung und Klassifizierung von PV-Anlagen zur prädiktiven Wartung“ (Kick-PV) soll mit Hilfe von Datenanalyseverfahren eine Ferndiagnose ermöglichen. Die Bayerische Forschungsstiftung fördert das Vorhaben mit 851.000 Euro, insgesamt liegt das Projektvolumen bei 1,4 Millionen Euro.

Alle wollen grüne Energie. Und alle wollen eine sichere Stromversorgung. Diese beiden grundlegenden Bedürfnisse passen aber nicht immer auf Anhieb zusammen. Je nach Wetter, Jahres- und Tageszeit schwankt beispielsweise bei Photovoltaik die Ausbeute erheblich. „Ein volatiles Angebot“, nennt das Prof. Dr. Bernd Hüttl. Der Professor für Erneuerbare Energien forscht an der Hochschule Coburg seit Jahren über Photovoltaik als Teil der Energiewende.

„Wir brauchen kalkulierbare, stabile Erzeugung und verlässliche Prognosen darüber, wieviel Energie wann und wo produziert wird. Mögliche Leistungs-Ausfälle müssen frühzeitig erkannt und vermieden werden.“ Das Problem: „Die überall verteilten Photovoltaikanlagen kann man schlecht im Auge behalten.“ Deshalb soll ein neues Forschungsprojekt Diagnose und Wartung aus der Ferne ermöglichen. „KI-basierte Charakterisierung und Klassifizierung von PV-Anlagen zur prädiktiven Wartung“ (Kick-PV) heißt es und wird künstliche Intelligenz dafür einsetzen, Daten genauer zu analysieren und Defekte zu finden. Eines der Ziele ist eine Software für die Ferndiagnostik. Hüttl ist begeistert: „Das ist eine Revolution!“

Sein Kollege Prof. Dr. Dieter Landes ist Professor für Künstliche Intelligenz und Data Stream Mining; die Daten sind sein Thema: „Sie kommen aus unterschiedlichen Quellen: Da sind die Messwerte der Anlage selbst und der Nachbaranlagen, Wetterdaten und beispielsweise Satellitenaufnahmen, die zeigen, ob Schnee oder Schmutz auf der Anlage vielleicht die Leistung beeinträchtigen.“

Für KI-Verfahren ist es nicht schwer, auch in riesigen Datenmengen Muster zu finden. Ob ein Muster auch einen sinnvollen Zusammenhang für die Analyse der Photovoltaik-Kraftwerke abbildet, kann KI aber nicht beurteilen. Das wird vor allem Maximilian Schönau übernehmen. Er hat im Wintersemester bei Hüttl seinen Master in Elektrotechnik an der Hochschule Coburg abgeschlossen und sich intensiv mit den physikalischen Grundlagen von Photovoltaikzellen beschäftigt: „Ich habe modelliert und simuliert und Datenauswertungen gemacht – aber dass wir so viele und so unterschiedliche Daten haben, macht es kompliziert.“

Jetzt promoviert Schönau bei Informatik-Professor Landes und verbindet seine Kenntnisse über Photovoltaik mit den Möglichkeiten der Datenanalyse durch KI. Gleichzeitig ist er die Schnittstelle zum Industriepartner Smartblue. Das Unternehmen entwickelt smarte Lösungen für das Monitoring von Photovoltaik-Anlagen und der Coburger Doktorand arbeitet auch dort.

Wie Wissenschaft und Wirtschaft zusammenarbeiten

Für Günter Seel, Vorstand bei Smartblue, ist die Zusammenarbeit ein Beispiel dafür, „wie wertvoll der Zugang zu modernen Forschungseinrichtungen für unser Unternehmen ist.“ Die Forschung profitiert dabei von den Daten des Unternehmens: „In Coburg werden natürlich Messungen im Labor erfolgen, bei denen wir uns auf bestimmte Aspekte konzentrieren“, sagt Landes. „Draußen im Feld haben wir die Umgebungsbedingungen nicht unter Kontrolle: Um das zu analysieren, bekommen wir die Daten von Smartblue.“ Außerdem wird ein mobiles Labor aufgebaut; daran ist auch ein studentischer Mitarbeiter beteiligt: Simon Schnabrich schreibt seine Masterarbeit im Rahmen des Projekts. Er benutzt vor Ort an den Anlagen eine speziell adaptierte Kamera, um die so genannte Elektrolumineszenz der Photovoltaikzellen sichtbar zu machen und Schäden zu ermitteln. Zum Team gehört mit Darwin Daume ein weiterer wissenschaftlicher Mitarbeiter der Fakultät für Elektrotechnik und Informatik der Hochschule: Daume hat viel Erfahrung mit der Leistungsanalyse von PV-Anlagen. „Jetzt ist die Frage, wie man das durch KI-Methoden verbessern kann.“

Nach dem Start des Projekts „Kick-PV“ haben sich alle in Coburg zur Kick-off-Sitzung getroffen. Auch Prof. Dr. Achim Schulze von der TH Rosenheim ist dabei. Modelle und Berechnungen im Photovoltaikbereich sind das Gebiet des Mathematikers, der den Rosenheimer Part von Kick-PV leitet. Er geht davon aus, dass zukünftige regenerative Energiesysteme deutlich berechenbarer werden. Mit den neuen Verfahren sollen Stärke und Ursache von Leistungseinbrüchen in Teilen von Photovoltaik-Kraftwerken sehr früh erkannt werden. Das würdigt auch die Bayerische Forschungsstiftung: Sie hat die Förderung von acht Technologieprojekten in Bayern beschlossen – neben sieben sehr renommierten universitären Projekten ist Kick-PV das einzige an einer Hochschule.

Text: Natalie Schalk

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