Hochpräziser Bearbeitungsroboter mit neuartigem Antriebsstrang
– Made in Niedersachsen.
Für die ressourceneffiziente flexible automatisierte Produktion – Neu entwickelte Fräskinematik auf Linearachse ermöglicht vielseitige und effiziente Bearbeitung von Leichtbauwerkstoffen über Metalle bis hin zu Stählen mit einer Fertigungstoleranz von bis zu 0,1 Millimeter.
Die Herausforderung des erfolgreich abgeschlossenen niedersächsischen LuFo-Projekts »Roboter Made in Niedersachsen 2« (»RoMaNi 2«) bestand darin, die Lücke zwischen Industrierobotern und Werkzeugmaschinen zu schließen. Das vom Verbundführer Fraunhofer IFAM in Stade gemeinsam mit den Projektpartnern Broetje-Automation GmbH, Hexagon AICON ETALON GmbH und Siemens AG sowie den assoziierten Partnern AIRBUS Operations GmbH und A&T Service GmbH erzielte Ergebnis der FuE-Arbeiten ist ein hochpräziser Bearbeitungsroboter mit neuartigem Antriebsstrang, der nicht nur die Bearbeitung von Leichtbauwerkstoffen, sondern auch die von Metallen und selbst von Stählen in flexibler und effizienter Weise mit einer Fertigungstoleranz von bis zu 0,1 Millimeter ermöglicht.
Die neuentwickelte flexible Fräskinematik mit Hybridantrieb auf einer Linearachse bearbeitet hochpräzise ein CFK-Flugzeugseitenleitwerk im 1:1-Maßstab. © Fraunhofer IFAM
Im Projekt wurden zwei für die Bearbeitung ausgelegte Roboterkinematiken eingehend untersucht, durch steuerseitige Einstellungen und messtechnische Unterstützung für bahngenaue Prozesse optimiert und anhand realer Anwendungsfälle aus der Luftfahrt im 1:1-Maßstab erprobt. Die Forschenden des Fraunhofer IFAM konnten im Projekt RoMaNi 2 die bereits im Projekt »Flexible Kinematik 4.1« (»Flexmatik 4.1«) entwickelte Prototyp-Kinematik mit neuartigem Hybridantrieb komplett montieren, in Betrieb nehmen und in Bearbeitungsprozessen erproben. Im Fraunhofer-Verbundprojekt Flexmatik 4.1 hatte das Fraunhofer IFAM gemeinsam mit dem Fraunhofer IPK und dem Fraunhofer LBF einen Roboter mit wesentlich verbesserten dynamischen Eigenschaften für herausfordernde Aufgaben, wie zum Beispiel die Bearbeitung anspruchsvoller Materialien, entwickelt. Zum Projektabschluss von RoMaNi 2 gelang es nun, nicht nur ein Seitenleitwerk aus CFK vom assoziierten Partner AIRBUS, sondern auch einen Prüfkörper aus Stahl hochpräzise zu bearbeiten.
Von seriellen flexiblen Industrierobotern und stationären hochpräzisen Werkzeugmaschinen …
Serielle Industrieroboter zeichnen sich durch ihre Bauweise aus, die ein flexibles Maschinendesign ermöglicht und ein vorteilhaftes Verhältnis zwischen der benötigten Aufstellfläche und dem verfügbaren Arbeitsraum bietet. Ihr Einsatz in verschiedenen Fertigungs- und Produktionsprozessen erweist sich als effizient und vielseitig. In Anwendungsfeldern der Handhabungs- und Montagetechnik sind sie etablierte Industrielösungen zur Automatisierung von Prozessschritten. Weitere Anwendungsgebiete wie beispielsweise die spanende Bearbeitung von Leichtbauwerkstoffen verzeichnen ebenfalls einen zunehmenden Einsatz von Industrierobotern.
Jedoch stoßen Industrieroboter bei steigenden Anforderungen, bedingt durch härtere Materialien oder anspruchsvollere Toleranzen, aufgrund ihrer begrenzten dynamischen Eigenschaften und höheren Nachgiebigkeit im Vergleich zu Werkzeugmaschinen an ihre Grenzen. Werkzeugmaschinen haben durch ihre kinematische Bauweise eine geringe Nachgiebigkeit und hohe Präzision, bei der Skalierung auf größere Bauteile im Meterbereich weist dieses Maschinendesign jedoch einen erheblichen Material- und Investitionseinsatz auf.
… am Beispiel der spanenden Bearbeitung von CFK-Großbauteilen im 1:1-Maßstab
Mit dem Einsatz neuer Herstellungsverfahren konnten in den vergangenen Jahren weitere Entwicklungen in der Designfreiheit und strukturellen Integrität von endkonturnahen Bauteilen aus carbonfaserverstärkten Kunststoffen (CFK) im Flugzeugbau erzielt werden. Aufgrund der wirtschaftlichen und technischen Anforderungen werden hochpräzise mechanische Nachbearbeitungen von Großbauteilen im Meterbereich mit Toleranzangaben im Submillimeterbereich heute üblicherweise mit großen Werkzeugmaschinen in Portalbauweise durchgeführt. Bedingt durch ihre kinematische Struktur weisen diese Portalmaschinen aber eine nicht unerhebliche Größe auf, die oftmals den Aufbau der Produktionsstätten diktiert und wenig flexibel auf Änderungen im Produktionsablauf reagieren kann.
Ein alternatives Maschinenkonzept bietet hier der Industrieroboter inklusive Arbeitsraumerweiterung durch eine flächenbewegliche Plattform, dem Aufbau mehrerer Roboter oder unter Einsatz von translatorischen Zusatzachsen, wie Linearachsen. Im Vergleich zu Portalanlagen bzw. Werkzeugmaschinen ist dieses Maschinenkonzept wesentlich platzsparender und nicht ökonomisch an einzelne Großbauteile gebunden. Zusätzlich entfällt der Einsatz von Sonderfundamenten, was eine zukünftige Anpassung von Fertigungsstraßen erleichtert. Im Projekt RoMaNi 2 wurde der Prototyp-Roboter mit einer Linearachse für bahngenaue Roboter kombiniert, welche ebenfalls im Projekt Flexmatik 4.1 entwickelt worden war.
Obwohl Industrieroboter schon erfolgreich in der Bearbeitung von dünnen Schalenbauteilen aus der Luftfahrt eingesetzt wurden, ist eine Erhöhung der Robustheit gegenüber auftretenden Prozesskräften sowie die Erschließung anspruchsvollerer Bearbeitungsaufgaben der nächste Schritt für den wachsenden Einsatz von Industrierobotern in der Produktion großer Bauteile im Luftfahrtbereich.
RoMaNi 2 – Hybridantrieb führt zur erheblichen Verbesserung im dynamischen Verhalten von seriellen Industrierobotern
Im Projekt RoMaNi 2 wurde von den Expertinnen und Experten für Automatisierung und Produktionstechnik des Fraunhofer IFAM ein serieller Prototyp-Roboter aufgebaut und untersucht. Die selbst entwickelte Kinematik ist grundsätzlich auf die Bedürfnisse von Bahnprozessen ausgelegt. Ziel war das Einhalten der Fertigungstoleranz von mindestens ± 0,1 Millimeter bei der Bearbeitung von Großbauteilen bereits ab Bauteil 1. Dieser Prototyp-Roboter inklusive Linearachse wurde bereits im Rahmen des Projekts Flexmatik 4.1 entwickelt, welches mit der Fertigung aller Komponenten endete. Die Montage der gesamten Kinematik, die Inbetriebnahme, steuerseitige Optimierung und Weiterentwicklung sowie die intensive Untersuchung der Roboterkinematik konnte nun im Projekt RoMaNi 2 erfolgreich abgeschlossen werden. Dabei bestätigten Genauigkeitsuntersuchungen des Prototyp-Roboters, dass das angestrebte Ziel von 0,1 Millimeter erreicht wurde.
Ein zentrales Element zur Verbesserung des dynamischen Verhaltens des Prototyp-Roboters ist neben der Strukturoptimierung der Einsatz eines innovativen Antriebskonzepts in den Grundachsen. Durch den Einsatz eines zusätzlichen Direktantriebs, parallel zum herkömmlichen Getriebeantrieb, kann direkt auf der Lastseite ein Moment aufgeschaltet werden. Dieses Hybridantriebskonzept verbindet die Möglichkeit, unerwünschte Effekte des Getriebes zu kompensieren und Anregungen hoher Frequenzen zu dämpfen, bei gleichzeitig hoher Energieeffizienz im statischen und quasistatischen Lastfall. Angesteuert wird die Kinematik mit einer Siemens-Steuerung, der Sinumerik One. Die weit verbreitete Expertise der Bedienung von CNC-Maschinen ist somit – ohne Umschulung auf neuartige Steuerungstypen – nutzbar. Im Projekt RoMaNi 2 konnten Steuerungskomponenten für den Hybridantrieb so weiterentwickelt werden, dass nun das volle Potenzial des Antriebs in der erprobten Industriesteuerung abrufbar ist.
Breites Anwendungsfeld durch die Kombination Linearachse und Roboter mit Hybridantrieb
Die Kombination einer seriellen Knickarmkinematik mit einer Linearachse weist gegenüber großen Portalanlagen und Sondermaschinen für die Bearbeitung vielfältige Vorteile auf. Die geringere Standfläche sowie die modular gestaltete Linearachse ermöglichen eine hohe Flexibilität der Anlage. Durch den Einsatz zweier verspannter Ritzel-Zahnstangen-Antriebe werden Umkehreffekte kompensiert und eine ausreichend hohe Antriebssteifigkeit des Linearachsschlittens für bahngenaue Roboterprozesse erreicht. Aufgrund der hohen Struktursteifigkeit der Linearachse sind die Einflüsse auf die Robotergenauigkeit trotz großer Hebelarme zum Lastangriffspunkt gering. Im Projekt ließen sich so Bahngenauigkeiten von 0,15 Millimeter für Großbauteile von bis zu 7 Meter erzielen. Die Forschenden des Fraunhofer IFAM sind überzeugt, dass höhere Genauigkeit durch die Kompensation weiterer statischer Einflussfaktoren, wie z.B. der Temperatur, erreichbar sind und nicht durch die Kompensation weiterer dynamischer Effekte.
Eine deutliche Verbesserung des Führungsverhalten und der Störunterdrückung der seriellen Roboterkinematik auf Achsebene wird durch den Einsatz von Direktantrieben erreicht. Die direkte mechanische Übertragung der Motormomente auf die Kinematik erlaubt zudem eine erhöhte Ruck-Einstellung aller Grundachsen. Diese liegt um Faktor 10-100 höher gegenüber konventionellen Robotern mit Servoantrieben und bietet damit ein erhebliches Potenzial zur Steigerung der Produktivität. Darüber hinaus lässt sich eine wesentliche Erhöhung der Bahngenauigkeit auch bei hohen Bahngeschwindigkeiten nachweisen. Bei hoher Vorschubgeschwindigkeit von 10 Meter/Minute ist eine Bahngenauigkeit im Bereich der vorab erfassten statischen Genauigkeit nachweisbar. Eine Dämpfung der ersten Eigenmoden, verursacht durch die Getriebeantriebe, bietet zudem das Potenzial einer verbesserten Störunterdrückung.
Mit der Bearbeitung eines Stahlprüfkörpers konnte das Projekt erfolgreich den nächsten Schritt in der Erschließung neuer Anwendungsgebiete für Industrieroboter gehen. Der Prüfkörper umfasste dabei verschiedene Geometrien wie Ecken, Flächen und Kreise. Die Bearbeitung erfolgte mit den gegebenen Bearbeitungsparametern des Werkzeugherstellers.
Ausblick
Im nächsten Schritt wollen die Forschenden des Fraunhofer IFAM die neue Technik zusammen mit Partnern aus der Industrie bis zur Serienreife weiterentwickeln. Für Industrieroboter mit Hybridantrieb gibt es eine Vielzahl von Anwendungen: Das Spektrum reicht in Kombination mit einer Linearachse von Bearbeitungsaufgaben aus der Luftfahrt wie leichteren Faserverbundstrukturen und Aluminiumlegierungen bis zur Bearbeitung härterer Materialien, wie Stahl oder Titan, die beispielsweise im Schienen-, Nutzfahrzeug- und Schiffbau sowie in der Energiebranche zum Einsatz kommen. Eine Bearbeitung solcher Bauteile und Materialien war bisher mittels Industrieroboter nicht industriell robust realisierbar. Insbesondere die Bearbeitung schwer zerspanbarer Materialen durch Industrieroboter mit Hybridantrieben erscheint so zukunftsträchtig.
Auftraggeber
Das Niedersächsische Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Bauen und Digitalisierung und die NBank förderten das LuFo-Forschungsprojekt »Roboter Made in Niedersachsen 2« (»RoMaNi 2; Förderkennzeichen: ZW1-80155399). Im Namen aller Projektpartner bedankt sich das Fraunhofer IFAM bei dem Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Bauen und Digitalisierung und der NBank sowie bei dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) als Projektträger für deren Unterstützung.
Weitere Informationen:
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