Schlummernde Reserve von Lithium-Ionen-Akkus aufgespürt

Daniel Knez hält eine Probe des Batteriematerials mit einer Pinzette. Im Hintergrund (v.l.) Werner Grogger, Nikola Šimić, Anna Jodlbauer und Gerald Kothleitner.
Foto: Helmut Lunghammer - TU Graz

Akkus unterbieten ihre theoretische Kapazität in der Praxis zum Teil deutlich. In einer Lithium-Eisenphosphat-Kathode konnten Forschende der TU Graz nun genau beobachten, wo der Kapazitätsverlust auftritt.

Lithium-Eisenphosphat zählt zu den wichtigsten Materialien für Batterien von E-Autos, stationären Stromspeichern oder Werkzeugen. Es ist langlebig, vergleichsweise günstig und neigt nicht zur Selbstentzündung. Auch die Energiedichte macht Fortschritte. Die Fachwelt rätselt allerdings nach wie vor, warum Lithium-Eisenphosphat-Akkus ihre theoretische Stromspeicherkapazität in der Praxis um bis 25 Prozent unterbieten.

Hochauflösendes Bild von lithiumreichen (unten rechts) und lithiumarmen (oben links) Bereichen des Probenmaterials. Zum leichteren Vergleich sind beide Bereiche auch in Abbildungen von Simulationen dargestellt.
Hochauflösendes Bild von lithiumreichen (unten rechts) und lithiumarmen (oben links) Bereichen des Probenmaterials. Zum leichteren Vergleich sind beide Bereiche auch in Abbildungen von Simulationen dargestellt. (c) FELMI – TU Graz

Um diese schlummernde Kapazitätsreserve zu nutzen, wäre die genaue Kenntnis darüber entscheidend, wo und wie sich Lithium-Ionen während der Lade- und Entladezyklen im Batteriematerial einlagern und wieder herauslösen. Forschenden der TU Graz ist nun ein wesentlicher Schritt dazu gelungen:

Bei Untersuchungen mit Transmissionselektronenmikroskopen konnten sie die Lithium-Ionen auf ihrem Weg durch das Batteriematerial systematisch verfolgen, ihre Anordnung im Kristallgitter einer Eisenphosphat-Kathode mit noch nie dagewesener Auflösung abbilden und ihre Verteilung im Kristall genau quantifizieren.

Schlüsselhinweis für weitere Kapazitätssteigerung von Batterien

„Unsere Untersuchungen haben gezeigt, dass auch bei vollständigem Laden der Testbatteriezellen Lithium-Ionen im Kristallgitter der Kathode zurückbleiben, anstatt zur Anode zu wandern. Diese immobilen Ionen kosten Kapazität“, sagt Daniel Knez vom Institut für Elektronenmikroskopie und Nanoanalytik der TU Graz. Die immobilen Lithium-Ionen sind ungleichmäßig in der Kathode verteilt. Den Forschenden ist es gelungen, diese unterschiedlich stark mit Lithium angereicherten Bereiche genau zu bestimmen und bis auf wenige Nanometer voneinander abzugrenzen. In den Übergangsbereichen fanden sich Verzerrungen und Verformungen im Kristallgitter der Kathode. „Diese Details liefern wichtige Hinweise auf physikalische Effekte, die der Batterieeffizienz bislang entgegenwirken und die wir bei der Weiterentwicklung der Materialien berücksichtigen können“, sagt Ilie Hanzu vom Institut für Chemie und Technologie von Materialien, der an der Untersuchung eng beteiligt war.

Methoden auch auf andere Batteriematerialien übertragbar

Für ihre Untersuchungen haben die Forschenden Materialproben aus den Elektroden ge- und entladener Akkus herauspräpariert und unter anderem am atomar auflösenden ASTEM-Mikroskop der TU Graz untersucht. Dabei kombinierten sie Elektronenenergieverlustspektroskopie mit Messungen zur Elektronenbeugung und Bildgebung auf atomarer Ebene. „Durch die Kombination verschiedener Untersuchungsmethoden konnten wir bestimmen, wo das Lithium in den Kristallkanälen positioniert ist und auf welchen Wegen es dort hingelangt“, erläutert Nikola Šimić vom Institut für Elektronenmikroskopie und Nanoanalytik und Erstautor des Papers zu den Ergebnissen, die das Forschungsteam kürzlich im Fachjournal Advanced Energy Materials veröffentlicht hat. „Die von uns entwickelten Methoden und die gewonnen Erkenntnisse zur Ionendiffusion lassen sich mit nur geringen Anpassungen auch auf andere Batteriematerialien übertragen, um sie noch präziser zu charakterisieren und weiterzuentwickeln.“

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Daniel KNEZ
Dipl.-Ing. Dr.techn. BSc
TU Graz | Institut für Elektronenmikroskopie und Nanoanalytik
Tel.: +43 316 873 8831
knez@tugraz.at

Nikola ŠIMIĆ
TU Graz | Institut für Elektronenmikroskopie und Nanoanalytik
Tel.:+43 660 258 9406
nikola.simic@tugraz.at

Ilie HANZU
Ass.Prof. Priv.-Doz. Dr.
TU Graz | Institut für Chemische Technologie von Materialien
Tel.: +43 316 873 32329
hanzu@tugraz.at

Originalpublikation:

Phase Transitions and Ion Transport in Lithium Iron Phosphate by Atomic-Scale Analysis to Elucidate Insertion and Extraction Processes in Li-Ion Batteries
In: Advanced Energy Materials; 2024, 2304381
Autoren: Nikola Šimić, Anna Jodlbauer, Michael Oberaigner, Manfred Nachtnebel, Stefan Mitsche, H. Martin R. Wilkening, Gerald Kothleitner, Werner Grogger, Daniel Knez, Ilie Hanzu
DOI: https://doi.org/10.1002/aenm.202304381

Weitere Informationen:

https://www.tugraz.at/forschung/fields-of-expertise/advanced-materials-science/u… Diese Forschung ist im Field of Expertise „Advanced Materials Science“ verankert, einem von fünf strategischen Schwerpunktfeldern der TU Graz.

https://www.tugraz.at/tu-graz/services/news-stories/medienservice/einzelansicht/article/schlummernde-reserve-von-lithium-ionen-akkus-aufgespuert

Media Contact

Philipp Jarke Kommunikation und Marketing
Technische Universität Graz

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Energie und Elektrotechnik

Dieser Fachbereich umfasst die Erzeugung, Übertragung und Umformung von Energie, die Effizienz von Energieerzeugung, Energieumwandlung, Energietransport und letztlich die Energienutzung.

Der innovations-report bietet Ihnen hierzu interessante Berichte und Artikel, unter anderem zu den Teilbereichen: Windenergie, Brennstoffzellen, Sonnenenergie, Erdwärme, Erdöl, Gas, Atomtechnik, Alternative Energie, Energieeinsparung, Fusionstechnologie, Wasserstofftechnik und Supraleittechnik.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Größte bisher bekannte magnetische Anisotropie eines Moleküls gemessen

An der Berliner Synchrotronstrahlungsquelle BESSY II ist es gelungen, die größte magnetische Anisotropie eines einzelnen Moleküls zu bestimmen, die jemals experimentell gemessen wurde. Je größer diese Anisotropie ist, desto besser…

Tsunami-Frühwarnsystem im Indischen Ozean

20 Jahre nach der Tsunami-Katastrophe… Dank des unter Federführung des GFZ von 2005 bis 2008 entwickelten Frühwarnsystems GITEWS ist heute nicht nur der Indische Ozean besser auf solche Naturgefahren vorbereitet….

Resistente Bakterien in der Ostsee

Greifswalder Publikation in npj Clean Water. Ein Forschungsteam des Helmholtz-Instituts für One Health (HIOH) hat die Verbreitung und Eigenschaften von antibiotikaresistenten Bakterien in der Ostsee untersucht. Die Ergebnisse ihrer Arbeit…