Schnell und effizient schalten – dank HiPoSwitch
Strom kommt aus der Steckdose, klar. Aber kaum ein elektrisches Gerät verträgt die normale Netzspannung. Computer, Smartphones, LED-Lampen oder Ladegeräte etwa können mit elektrischer Energie in dieser Form nichts anfangen – die Netzspannung muss beispielsweise von Wechsel- in Gleichstrom umgewandelt werden.
Auch der umgekehrte Weg ist denkbar, etwa bei Invertern für Solarmodule. Dafür werden Energiewandler mit Leistungs-Schalttransistoren als Schlüsselbauelemente genutzt. Aktive Halbleiter, die solche Wandler weitaus effizienter als bisher und gleichzeitig blitzschnell schalten können, wurden jetzt im kürzlich abgeschlossenen EU-Verbundprojekt HiPoSwitch entwickelt.
In dem vom Ferdinand-Braun-Institut, Leibniz-Institut für Höchstfrequenztechnik (FBH) geleiteten Projekt ist es den acht europäischen Partnern aus Forschung und Industrie gelungen, selbst¬sperrende Galliumnitrid (GaN)-Leistungstransistoren bis zum Prototypen zu entwickeln.
Energiekonverter, die diese neuartigen GaN-Transistoren nutzen, können die Verluste gegenüber existierenden Technologien halbieren und ermöglichen eine Konversionseffizienz von 98% und mehr. Konsequent umgesetzt, kann damit viel Primärenergie gespart werden. „In Europa werden jährlich mehr als 3.000 Terawattstunden Strom erzeugt“, erklärt Joachim Würfl, Leiter des HiPoSwitch-Projektes und des Geschäftsbereichs GaN-Elektronik am FBH. „Konvertiert man nur ein Viertel der in Europa jährlich erzeugten Elektrizität auf ein anderes Level und erhöht dabei den Wirkungsgrad um zwei Prozentpunkte, lassen sich dadurch mindestens zwei Kohlekraftwerke einsparen“, sagt Würfl.
Hand in Hand: vom leistungsfähigen Material zur industrietauglichen Fertigung
Das Halbleitermaterial Galliumnitrid vereint optimale physikalische Parameter. „GaN-Bauteile sind deshalb sehr effiziente und sehr schnelle Leistungsschalter. Und das aufgrund ihres niedrigeren Einschaltwiderstandes ohne signifikante Einschaltverluste“, betont Würfl,. Eine höhere Schaltfrequenz bedeutet zugleich, dass die passiven Elemente der Energiekonverter, also Spulen und Kondensatoren, wesentlich kleiner dimensioniert werden können – eine deutliche Verbesserung auf der Systemseite.
GaN wird bereits seit Längerem für Mikrowellentransistoren verwendet und in feinsten Schichten meist auf Siliziumcarbid (SiC)-Substraten aufgebracht. Eine Technologie, die am FBH in den letzten Jahren in Richtung von Leistungs-Schalttransistoren für den 600-Volt-Betrieb weiterentwickelt wurde. „Das funktioniert gut, ist aber zu teuer für den Massenmarkt. Als Alternative kann die auf SiC entwickelte Technologie auf deutlich kostengünstigere, aber technologisch anspruchsvollere Siliziumsubstrate (Si) übertragen werden“, erklärt Würfl.
Die Entwicklungen im HiPoSwitch-Projekt liefen Hand in Hand mit den Kooperationspartnern. So ist es dem FBH unter anderem gelungen, die Prozessierung von GaN-Schalttransistoren auf SiC und Si so zu optimieren, dass nahezu ideal funktionierende Bauelemente möglich wurden. Die Basis dafür schafften umfassende Untersuchungen zu Drift- und Degradations-effekten an den Universitäten Padua und Wien Die fertig prozessierten Transistorchips wurden schließlich bei Infineon in Malaysia in induktivitätsarme ThinPAK-Gehäuse montiert. Der einzelne Transistor darin misst nur 4,5 x 2,5 Millimeter und ist optimiert darauf, 600 Volt zu schalten. Er hat einen Einschaltwiderstand von 75 Milli-Ohm und liefert eine maximale Stromstärke von 120 Ampere. Wir sind derzeit die Einzigen in Europa, die solche „Normally-off“ Transistoren herstellen können“, sagt Würfl.
Das belgische Unternehmen EpiGaN übernahm zusammen mit dem Anlagenhersteller Aixtron die Epitaxie auf Si – damit sinken die Kosten für die Substrate um mehr als den Faktor 10. Zugleich erhöhten sie den Waferdurchmesser auf 6 und 8 Zoll, ein notwendiger Schritt in Richtung einer kostengünstigen industriellen Fertigung. Der Chiphersteller Infineon im österreichischen Villach passte schließlich die neu entwickelte GaN-Technologie auf eine Si-Prozesslinie für die industrielle Produktion von Leistungshalbleitern an.
Teile des Projekts hatten aber auch einen ausgesprochen „explorativen Charakter“, wie Würfl es nennt, mit Blick auf komplett neue, bisher nicht erprobte Techniken und Verfahren zur Realisierung von GaN-Leistungstransistoren. Gemeinsam mit Kollegen der Uni Wien und der Akademie der Wissenschaften in Bratislava gelang es, erfolgversprechende Konzepte für künftige Halbleitergenerationen zu testen.
Am Ende der Wertschöpfungskette stand die Firma Artesyn Austria als Systempartner. Sie entwickelte einen 3-kW-Telecom-Rectifier für Mobilfunk-Basisstationen. Dieser konvertiert die Netz-Wechselspannung in Gleichspannung mit einem Wirkungsgrad von 98%. Dazu wurde eine spezielle, auf die Eigenschaften von GaN-Schalttransistoren angepasste Schaltungstopologie entwickelt und realisiert. Dank ihrer hohen Verbreitung ist der Markt für energiesparende Leistungskonverter riesig. Mit ihnen können zusätzlich Volumen und Gewicht reduziert werden, und das macht sie auch für Anwendungen in der Luft- und Raumfahrt hoch attraktiv.
Kontakt
Petra Immerz, M.A.
Referentin Kommunikation & Public Relations
Ferdinand-Braun-Institut
Leibniz-Institut für Höchstfrequenztechnik
Gustav-Kirchhoff-Straße 4
12489 Berlin
Tel.: 030.6392-2626
Fax: 030.6392-2602
E-Mail: petra.immerz@fbh-berlin.de
www.fbh-berlin.de
Hintergrundinformationen – das FBH
Das Ferdinand-Braun-Institut, Leibniz-Institut für Höchstfrequenztechnik (FBH) ist eines der weltweit führenden Institute für anwendungsorientierte und industrienahe Forschung in der Mikrowellentechnik und Optoelektronik. Es erforscht elektronische und optische Komponenten, Module und Systeme auf der Basis von Verbindungshalbleitern. Diese sind Schlüsselbausteine für Inno¬vationen in den gesellschaftlichen Bedarfsfeldern Kommunikation, Energie, Gesundheit und Mobilität. Leistungsstarke und hochbrillante Diodenlaser, UV-Leuchtdioden und hybride Lasersysteme entwickelt das Institut vom sichtbaren bis zum ultravioletten Spektralbereich. Die Anwendungsfelder reichen von der Medizintechnik, Präzisionsmesstechnik und Sensorik bis hin zur optischen Satellitenkommunikation. In der Mikrowellentechnik realisiert das FBH hocheffiziente, multifunktionale Verstärker und Schaltungen, unter anderem für energieeffiziente Mobilfunksysteme und Komponenten zur Erhöhung der Kfz-Fahrsicherheit. Kompakte atmosphärische Mikrowellenplasmaquellen mit Niederspannungs¬versorgung entwickelt es für medizinische Anwendungen, etwa zur Behandlung von Hauterkrankungen. Die enge Zusammenarbeit des FBH mit Industriepartnern und Forschungs¬einrichtungen garantiert die schnelle Umsetzung der Ergebnisse in praktische Anwendungen. Das Institut beschäftigt 290 Mitarbeiter und hat einen Etat von 23 Millionen Euro. Es gehört zum Forschungsverbund Berlin e.V. und ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft.
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