Virtuelle Batterien für Elektrofahrzeuge
Virtuelle Batterien des Fraunhofer IWES helfen Industrie und Forschung, bei der Entwicklung von Elektrofahrzeugen Zeit und Geld zu sparen. Im Rahmen verschiedener Projekte zur Elektromobilität wird der Einsatz virtueller Batterien durch das Bundesumweltministerium und durch das Bundeswirtschaftsministerium gefördert. Die neueste Entwicklung für Lithium-Ionen-Systeme hat des IWES heute in Kassel vorgestellt.
Matthias Puchta ist Doktorand im Fraunhofer IWES Kassel und hat gut Lachen: Auch wenn das Thermometer in Deutschland gerade 38° Celsius anzeigt, kann er ausprobieren, ob sein Versuchsfahrzeug bei sibirischer Kälte noch anspringt. Der stets gut gelaunte Wissenschaftler gehört zu den wenigen Menschen, die eine Fahrzeugbatterie innerhalb einiger Sekunden wechseln oder laden können. Auch manche Kollegen aus der Automobil- und Zulieferindustrie können das inzwischen – wenn es um Starterbatterien geht.
Virtuelle Batterien des IWES helfen Ingenieuren in der Industrie und in der Forschung Zeit und Geld zu sparen. Virtuelle Batterien sind Nachbildungen echter Batterien: eine elektrische Energiequelle wird durch ein Computerprogramm so gesteuert und geregelt, dass ein elektrischer Verbraucher die virtuelle Batterie nicht von einer echten Batterie unterscheiden kann.
Das „Gehirn“ solcher Systeme ist eine speicherprogrammierbare Steuerung – nicht größer als eine Faust – und ein Programm, das das Verhalten echter Batterien mathematisch präzise simuliert. Im Labor arbeiten die Ingenieure des IWES mit virtuellen Batterien für Stromstärken bis weit über 1000 Ampère. „Damit können wir auch mal satte Kurzschlüsse im Bordnetz testen“ sagt Matthias Puchta und zeigt auf den dunkelblauen VW Jetta, den die Wissenschaftler für ihre Versuche verwenden.
Was sich einfach anhört, ist manchmal sehr schwierig: Gerade die mathematische Beschreibung des dynamischen Verhaltens gewöhnlicher Starterbatterien ist eine eher ungewöhnliche Herausforderung. Trotzdem haben es die Wissenschaftler des Instituts geschafft, solche Programme zu entwickeln und als Industriestandard zu etablieren. Modelliert werden alle relevanten physikalischen und elektrochemischen Prozesse in den Speicherzellen, so dass die Software mit einfach verfügbaren Daten der Batteriehersteller vollständig parametriert werden kann. Viele Unternehmen der deutschen und europäischen Automobil- und Zulieferindustrie arbeiten deshalb inzwischen mit dieser Simulationssoftware.
Institutsleiter Professor Jürgen Schmid und Peter Caselitz, Bereichsleiter für Regelungstechnik und Energiespeicher sowie wissenschaftlicher Leiter des Symposiums, freuen sich, dass diese schon vor einigen Jahren entwickelte echtzeitfähige Software auch heute noch nichts von ihrer Attraktivität eingebüßt hat: „Ein Produkt, das weltweit noch immer konkurrenzlos ist, spricht sicher für die Qualität unserer Arbeit“. Daher war es für die Wissenschaftler des IWES auch nahe liegend, diese Expertise auf Batterietechnologien auszudehnen, die in Zukunft für Elektrofahrzeuge und nachhaltige Energieversorgungssysteme gebraucht werden. Aus heutiger Sicht wird es sich dabei um Lithium-Ionen-Systeme handeln, eine Batterietechnologie, die in der Gerätetechnik zwar schon lange verwendet wird, als „Tank-Ersatz“ Technologie aber noch am Anfang der Entwicklung steht.
Erneuerbare Energien sind die Zukunft des Individualverkehrs – diese Einsicht ist seit einiger Zeit breiter Konsens in Forschung und Industrie, in Gesellschaft und Politik. Das 15. Kasseler Symposium Energiesystemtechnik mit dem Schwerpunkt Erneuerbare Energien und Elektromobilität versucht, diese These zu belegen. Beleuchtet werden Szenarien der Elektromobilität unter Verwendung erneuerbarer Energien ebenso wie technische und ökonomische Fragen der Netzanbindung und Netzintegration. Verschiedene Aspekte der Fahrzeugtechnik werden behandelt, soweit sie die Wechselwirkung mit dem elektrischen Netz betreffen.
„Der flächendeckende Erfolg der Elektromobilität wird unter anderem auch davon abhängen, inwieweit es gelingt, das Netzmanagement der erneuerbaren Energien in großem Maßstab zu optimieren“, so Professor Ulrich Buller, Forschungsvorstand der Fraunhofer-Gesellschaft und Projektleiter der Fraunhofer-Systemforschung Elektromobilität.
Kerstin Deller, Referatsleiterin für Forschung und Entwicklung im Bereich Erneuerbare Energien im Bundesumweltministerium weiß, dass die Energiesystemtechnik in Verbindung mit Erneuerbaren Energien seit vielen Jahren eine Stärke des Kasseler Institutsteils ist und geht davon aus, dass das neu gegründete Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik zu diesen Entwicklungen wesentliche Beiträge leisten wird: „Es ist kein Zufall, dass sich die Fraunhofer-Gesellschaft für das ehemalige Institut für Solare Energieversorgungstechnik interessierte und das Bundesumweltministerium die Integration in die Fraunhofer-Gesellschaft stark unterstützt hat.“
Im Rahmen des Kasseler Symposiums wird das IWES verschiedene Varianten virtueller Batterien vorstellen und demonstrieren, wie solche Systeme in der Fahrzeugentwicklung und in der Entwicklung intelligenter Netzschnittstellen eingesetzt werden können. Für die Fahrzeug- und Zulieferindustrie stehen virtuelle Batterien für Lithium-Ionen-Systeme vom Herbst an zur Verfügung. Wie Matthias Puchta, der stets gut gelaunte Kollege im IWES, können dann auch die Kollegen in der Industrie den „Stromtank“ eines Elektrofahrzeuges in wenigen Sekunden wechseln oder laden – auf virtuelle Art.
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