Ändert sich der Jetstream?
Forschende der JGU analysieren den Jetstream und untersuchen, wie sich Änderungen auf mögliche Wetterextreme in Europa auswirken.
Starkregen, Stürme und Hitzewellen – nach solchen Extremwetterereignissen heißt es oft, diese seien auf einen welligeren Jetstream zurückzuführen. Also auf Veränderungen des Starkwindfeldes, das in der oberen Troposphäre verschiedene Temperaturzonen und Luftdruckzonen ausgleicht. Doch ändert sich der Jetstream tatsächlich? Und wenn ja, wie und in welchem Ausmaß? „Viele Theorien stellen Vermutungen dazu an, was für den Jetstream zukünftig zu erwarten ist – allerdings basieren sie alle auf sehr idealisierten Annahmen“, sagt Dr. Georgios Fragkoulidis vom Institut für Physik der Atmosphäre der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU). „Denn während sich bei der Klimaerwärmung der CO₂-Eintrag direkt auf die Erwärmung auswirkt, liegen bei der atmosphärischen Zirkulation chaotische Prozesse vor.“
Veränderungen in den letzten 40 Jahren
Um den Veränderungen des Jetstreams dennoch auf die Schliche zu kommen, analysierte Fragkoulidis Jetstream-Daten aus den letzten 40 Jahren. Wie unterschied sich der Wind in den 1980er Jahren zehn Kilometer über der Erdoberfläche von Deutschland vom heutigen? Wie die Situation des Jetstreams? „Gefährlich wird die Situation, wenn der Jetstream sehr wellig ist: Dann kann kalte Luft von Norden oder heiße Luft aus Süden nach Deutschland strömen – die Wahrscheinlichkeit für Hitze- oder Kältewellen steigt“, weiß Fragkoulidis. Der Wissenschaftler hat mehrere Jahre lang in der Arbeitsgruppe Dynamische Meteorologie von Prof. Dr. Volkmar Wirth am Institut für Physik der Atmosphäre über dieses Thema geforscht. Insgesamt, so die Ergebnisse, treten zwei Trends rund um den Jetstream auf. Zum einen ein gradueller Trend in der Amplitude der Wellen. „Viele Gebiete der nördlichen Hemisphäre verzeichnen im Winter einen positiven Trend, im Sommer dagegen einen negativen. Anders gesagt: Im Winter wird der Jetstream welliger, im Sommer weniger wellig“, sagt Fragkoulidis. Ein Ergebnis, für das es derzeit noch keine Erklärung gibt und das den üblichen Theorien widerspricht – besagen diese doch, dass sich der Jetstream jahreszeitenbedingt nicht ändert. Ein weiterer Trend, den Fragkoulidis bemerkte: Die Änderungen des Jetstreams sind nicht überall gleich, sondern variieren von Region zu Region. So treten über Nordamerika andere Effekte auf als über China oder Europa. „Eine einfache Antwort nach dem Motto `Der Jetstream wird welliger oder weniger wellig` können wir daher nicht geben, die Sache ist deutlich komplexer“, fasst Fragkoulidis zusammen.
Doch analysierte er nicht nur die Welligkeit des Jetstreams, sondern auch die Phasengeschwindigkeit der Wellen. Wie schnell bewegen sich die Wellen von Westen nach Osten? Heikel wird es, wenn sie sich langsam bewegen – dann können stehende Wetterlagen mit Starkregen, langanhaltenden Hitzeperioden oder Dürre die Folge sein. „Auch wenn es gefühlt anders aussehen mag: In der nördlichen Hemisphäre, insbesondere in Europa, hat sich die Phasengeschwindigkeit der Wellen in den letzten 40 Jahren nicht signifikant geändert“, erläutert Fragkoulidis. Auch dieses Ergebnis widerlegt zahlreiche Theorien, die von einer Verlangsamung der Wellenbewegung ausgehen. Anders sieht es den Studien zufolge dagegen in der südlichen Hemisphäre aus: Hier treten große Änderungen auf, die Wellen bewegen sich schneller und nehmen in den letzten 40 Jahren an Geschwindigkeit zu. Die Ergebnisse wurden in der renommierten Fachzeitschrift Weather and Climate Dynamics der European Geosciences Union veröffentlicht.
Vorhersagen bis zum Ende des Jahrhunderts
Derzeit arbeitet der Wissenschaftler daran, die Änderungen des Jetstreams für die Zukunft vorherzusagen, genauer gesagt bis zum Ende des Jahrhunderts. Dazu nutzte er Vorhersagen aus Klimamodellen, die vom National Center for Atmospheric Research (NCAR) in den USA angefertigt wurden und ein mögliches Szenario der Zukunft abbilden. Dieses basiert auf der Annahme, dass der Anstieg der CO₂-Emissionen weiterhin hoch bleiben und die Erde sich bis zum Jahr 2100 um rund vier Grad erwärmen wird. Wie würde sich der Jetstream in diesem Szenario verändern? Diese Frage lässt sich alles andere als leicht beantworten, schließlich ist die Erwärmung nicht auf dem gesamten Globus gleich. Vielmehr erwärmen sich die Ozeane langsamer als das Land – was sich wiederum auf die atmosphärische Zirkulation auswirkt. Darüber hinaus variiert das Ausmaß der Erwärmung in verschiedenen Höhen der Troposphäre. Trotz aller bestehenden Unsicherheiten fanden sich jedoch Hinweise, dass die zukünftigen Sommertrends denen der Vergangenheit ähneln und der Jetstream der nördlichen Hemisphäre gegen Ende des Jahrhunderts weniger wellig sein dürfte. Was die zukünftigen Änderungen des Winter-Jetstreams angeht, so sind diese mit großen Unsicherheiten behaftet.
Bildmaterial:
https://download.uni-mainz.de/presse/08_physik_atmosphaere_jetstream.jpg
Windgeschwindigkeit und Stromlinien in einer Höhe von etwa zehn Kilometern zu Beginn einer Hitzewelle in Westeuropa (23. August 2016)
Abb./©: Georgios Fragkoulidis
Weiterführende Links:
https://www.ipa.uni-mainz.de/ – Institut für Physik der Atmosphäre an der JGU
https://dynmet.ipa.uni-mainz.de/ – Arbeitsgruppe Dynamische Meteorologie
Lesen Sie mehr:
https://presse.uni-mainz.de/unterwegs-fuer-phileas/ – Pressemitteilung „Unterwegs für PHILEAS“ (04.08.2023)
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Georgios Fragkoulidis
Dynamische Meteorologie
Institut für Physik der Atmosphäre
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
55099 Mainz
Tel. +49 6131 39-29501
E-Mail: gfragkou@uni-mainz.de
https://dynmet.ipa.uni-mainz.de/georgios-fragkoulidis/
Originalpublikation:
Georgios Fragkoulidis
Decadal variability and trends in extratropical Rossby wave packet amplitude, phase, and phase speed
Weather and Climate Dynamics, 30. November 2022
DOI: 10.5194/wcd-3-1381-2022
https://wcd.copernicus.org/articles/3/1381/2022/
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