Angehobene Insel
Charles Darwin und sein Kapitän Robert Fitzroy waren Zeugen des großen Erdbebens von 1835 im südlichen Zentralchile. Der „Beagle“-Kapitän maß nach dem Beben eine vertikale Anhebung der Insel Isla Santa María von zwei bis drei Metern.
Was Darwin und Fitzroy nicht erahnen konnten war, dass sich ein solches Starkbeben 175 Jahre später an nahezu derselben Stelle wiederholen sollte. Vor der Westküste Südamerikas taucht der Ozeanboden des Pazifik unter den südamerikanischen Kontinent.
Der Spannungsauf- und -abbau der Erdkruste entlang des ganzen Kontinents führt dazu, dass in rund anderthalb Jahrhunderten die gesamte Strecke von Feuerland bis Peru in einer Serie von Erdbeben einmal komplett durchbricht. Das Beben von 1835 war der Beginn eines solchen seismischen Zyklus‘ an dieser Stelle.
Ein Team von Geoforschern aus Deutschland, Chile und den USA konnte jetzt nach Auswertung des Maule-Erdbebens von 2010 erstmals einen vollständigen seismischen Zyklus in den Vertikalbewegungen der Erdkruste an diese Stelle messen und nachmodellieren. Sie berichten in der aktuellen Online-Ausgabe von „Nature Geoscience“ über die Beben:
Nachdem das Beben von 1835 mit einer Magnitude von etwa 8,5 die Isla Santa María um bis zu drei Meter angehoben hatte, sank die Insel im Verlauf der folgenden 175 Jahre wieder um anderthalb Meter ab und wurde durch das Erdbeben von Maule mit einer Momenten-Magnitude von 8,8 erneut um anderthalb bis zwei Meter angehoben.
Das Maule-Beben gehört zu den größten Beben, welches durch ein modernes Netzwerk weltraum-geodätischer und geophysikalischer Messsysteme am Boden vollständig erfasst wurde und ist daher gut dokumentiert. Schwieriger war schon die Rekonstruktion der Vorgänge von 1835.
Aber die nautischen Karten von 1804 vor dem Beben, von 1835 und von 1886 sowie die präzisen Aufzeichnungen des Kapitäns erlaubten in Verbindung mit modernen Methoden eine hinreichend genaue Bestimmung der Vertikalbewegung der Erdkruste über einen vollständigen seismischen Zyklus.
Zu Beginn eines solchen Zyklus wird Energie in Form einer elastischen Verformung der Erdkruste gespeichert, die bei einem Erdbeben dann schlagartig freigesetzt wird. „Interessanterweise deuten unsere Beobachtungen aber darauf hin, dass nach einem solchen Beben das erneute Absinken nicht gleichmäßig geschieht“, erläutert Marcos Moreno vom Deutschen GeoForschungsZentrum GFZ, einer der Ko-Autoren der Arbeit.
„Zwischen den großen Erdbeben verhakt sich die Platte unter der Isla Santa María unter dem Rand Südamerikas und drückt ihn, mitsamt der Insel, nach unten und zugleich nach Osten. Während des Bebens dreht sich die Bewegungsrichtung um, Südamerikas Rand springt nach oben und nach Westen.“ Dieses komplexe Bewegungsmuster konnte mit einem numerischen Modell perfekt bestätigt werden. In der Summe ergibt sich über die Zeit eine dauerhafte Anhebung von zehn bis zwanzig Prozent der totalen Anhebung.
Aufzeichnungen von Erdbeben zeigen, dass es keine regelmäßigen Wiederholungszeiten oder gleichmäßig wiederholte Magnituden von Erdbeben gibt. Um das Erdbebenrisiko daher besser abschätzen zu können, sind die Erfassung und Messung von Verformungen der Erdkruste über vollständige seismische Zyklen ein wichtiges Hilfsmittel.
Wesson, R. L., Melnick, D., Cisternas, M., Moreno, M. & Ely, L.: “Vertical deformation through a complete seismic cycle at Isla Santa María, Chile”, Nature Geoscience, Advance Online Publication, 22.06.2015, http://dx.doi.org/10/1038/ngeo2468 (2015). DOI: 10.1038/NGEO2468
Fotos in druckfähiger Auflösung finden sich hier:
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Franz Ossing
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