Ausgestorbenes Atom lüftet Geheimnisse des Sonnensystems
Anhand des ausgestorbenen Atoms Niob-92 konnten ETH-Forscherinnen Ereignisse im frühen Sonnensystem genauer datieren als zuvor. Die Studie kommt auch zum Schluss, dass in der Geburtsumgebung unserer Sonne Supernova-Explosionen stattgefunden haben müssen, welche das äussere und das innere Sonnensystem verschieden prägten.
Hat ein Atom eines chemischen Elementes einen Überschuss an Protonen oder Neutronen, wird es instabil. Diese zusätzlichen Teilchen werden dann unter Abgabe von Gammastrahlung umgewandelt, bis der Atomkern stabil ist. Niob-92 (92Nb) ist ein solch instabiles Atom, das Fachleute auch als Radionuklid bezeichnen. Seine Halbwertszeit beträgt 37 Millionen Jahre, was relativ kurz ist. Aus diesem Grund verschwand 92Nb schon kurz nach der Entstehung unseres Sonnensystems von der Bildfläche. Heute zeugt nur noch sein stabiler Nachfahre Zirkon-92 (92Zr), dass es 92Nb gegeben hat.
Doch das ausgestorbene Radionuklid können Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nach wie vor brauchen: Mit dem sogenannten 92Nb-92Zr-Chronometer lassen sich Ereignisse datieren, die sich im frühen Sonnensystem vor rund 4,57 Milliarden Jahren abgespielt haben. Allerdings war dieser Chronometer bisher nicht besonders genau, da es keine präzisen Informationen gibt, wie viel 92Nb bei der Geburt des Sonnensystems tatsächlich vorhanden war.
Meteorit als Schlüssel zu Urzeit
Einem Forschungsteam der ETH Zürich und des Tokyo Institute of Technology (Tokyo Tech) gelang es nun, das Chronometer deutlich zu verbessern. Gelungen ist den Forschenden dieses Kunststück über einen Umweg: Sie gewannen zuerst aus einem Meteoriten, der ein Fragment des Asteroiden Vesta ist, seltene Zirkon- und Rutilmineralien. Diese Mineralien eignen sich für die 92Nb-Bestimmung am besten, da sie präzise Hinweise geben, wie häufig 92Nb zum Zeitpunkt der Bildung des Meteoriten vorkam. Anschliessend berechnete das Team mithilfe der Uran-Blei-Datierung, wie häufig 92Nb zum Zeitpunkt der Entstehung des Sonnensystems vorgekommen war. Dank der Kombination der beiden Methoden konnten die Forscherinnen die Präzision des bisherigen 92Nb-92Zr-Zeitmessers deutlich verbessern.
«Das verbesserte Chronometer wird zu einem mächtigen Werkzeug, mit dem wir die Bildung und Entwicklung von Asteroiden und Planeten in den ersten zehn Millionen Jahren nach der Entstehung des Sonnensystems genauer datieren können», sagt Maria Schönbächler, Professorin am Institut für Geochemie und Petrologie der ETH Zürich, die die Studie geleitet hat.
Supernovae setzten Niob-92 frei
Nun, da die Forschenden besser wissen, wie häufig 92Nb ganz am Anfang unseres Sonnensystems war, können sie auch stärker eingrenzen, wo diese Atome gebildet wurden und woher das Material stammt, aus dem unsere Sonne und die Planeten bestehen.
So deutet vieles darauf hin, dass das innere Sonnensystem mit den Gesteinsplaneten Erde und Mars von Material beeinflusst wird, das in unserer Milchstrassengalaxie durch Supernovae vom Typ Ia ausgeworfen wird. Bei solchen Sternenexplosionen interagieren zwei sich umkreisende Sterne, ehe es zu einer Explosion kommt, bei der sie Sternenmaterial freisetzen. Das äussere Sonnensystem hingegen wurde hauptsächlich durch eine sogenannte Kernkollaps-Supernova gespeist. Dabei muss ein massereicher Stern in sich selbst kollabiert und dann heftig explodiert sein. Diese Explosion fand wahrscheinlich in der gleichen Sternen-Kinderstube statt, in der auch unsere Sonne entstand.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Maria Schönbächler: maria.schoenbaechler@erdw.ethz.ch
Originalpublikation:
Media Contact
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