Bergsturz löst Megatsunami in schmalem Fjord aus

Überblick über seismische Stationen auf Grönland (schwarze Dreiecke), den Ort des Tsunamis (roter Kreis) und die nächstgelegene seismische Station, deren gefilterte Signale abgebildet sind (rotes Dreieck).
(c) Angela Carillo Ponce et al. (2024), The Seimsic Record

Eine herabstürzende Felswand hat an der Ostküste Grönlands einen Megatsunami mit einer Höhe von anfänglich 200 Metern ausgelöst. Seismolog:innen konnten die Erschütterungen bis in 5000 km Entfernung mit einem seismischen Netzwerk beobachten. Eine weitere Besonderheit ergab sich aus den Analysen der seismischen Wellen: Nach dem Megatsunami schwappte eine kleine stehende Welle rund eine Woche lang zwischen den Ufern des engen Fjordes hin und her.

Unterschiedliche Frequenzbereiche und abgebildete Zeiträume zeigen das Geschehen (mehr zum Bild im Text der Mitteilung).
Unterschiedliche Frequenzbereiche und abgebildete Zeiträume zeigen das Geschehen (mehr zum Bild im Text der Mitteilung). (c) Angela Carillo Ponce et al. (2024), The Seimsic Record

Es war eine Monsterwelle, die am 16. September 2023 einen Fjord an Grönlands Ostküste heimsuchte: stellenweise reichten die Spuren der Überflutung 200 Meter hoch. Jetzt haben Forschende um Angela Carrillo Ponce vom Deutschen GeoForschungsZentrum (GFZ) die seismischen Signale aus Erdbebenmessstationen weltweit ausgewertet und sind dabei auf einen weiteren ungewöhnlichen Umstand gestoßen: Ausgelöst durch den Megatsunami schwappte eine stehende Welle mehr als eine Woche lang in der engen Bucht des unbewohnten Dickson Fjordes hin und her. Das internationale Team veröffentlichte seine Arbeit in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „The Seismic Records“.

Ursache: Absturz einer Felswand

Ausgelöst hatte den Tsunami eine große Hangrutschung. Erdbebenmessstationen in bis zu 5.000 Kilometern Entfernung registrierten die Erschütterung durch den Felssturz als kurzes Signal. Es gab aber auch eine langperiodische Schwingung, die mehr als eine Woche lang von den Seismometern aufgezeichnet wurde. Angela Carrillo Ponce, die als Doktorandin in der Sektion „Erdbeben- und Vulkanphysik“ des GFZ arbeitet, sagt: „Allein schon die Tatsache, dass das Signal einer durch einen Bergsturz ausgelösten hin und her schwappenden Welle in einem abgelegenen Gebiet Grönlands weltweit und über eine Woche lang beobachtet werden kann, ist aufregend. Deshalb hat uns in der Seismologie dieses Signal am meisten beschäftigt.“ Zum Glück, fügt die Forscherin hinzu, seien keine Menschen zu Schaden gekommen. Lediglich eine Militärbasis, die zu dem Zeitpunkt des Tsunamis ohne Personal war, wurde verwüstet.

Die Analyse der seismischen Signale – Wellen der Erschütterung, die sich in der Erdkruste Tausende von Kilometern weit ausbreiten – zeigte, dass sich nach dem Bergsturz eine so genannte stehende Welle in dem Fjord bildete. Zunächst hatte die ins Wasser gestürzte Flanke eine Riesenwelle ausgelöst, die sich durch den gesamten Fjord bis zur vorgelagerten Insel Ella in mehr als 50 Kilometern Entfernung ausbreitete. In der Nähe des Eintrittspunktes des Felssturzes in den Fjord betrug die maximale Fluthöhe mehr als 200 Meter, entlang der Küste durchschnittlich 60 Meter. Teile der Welle schwappten offensichtlich von den steilen Ufern im engen Fjord zurück und es begann sich eine stehende Welle zu bilden, die mehr als eine Woche hin und her wogte. Diese Welle war allerdings nur rund 1 Meter hoch.

Stehende Welle erwies sich als ungewöhnlich lang anhaltend

Solche stehenden Wellen und die daraus resultierenden langperiodischen Signale sind in der Forschung bereits bekannt. Sie werden normalerweise mit großen Abbrüchen von Gletscherkanten in Verbindung gebracht. „In unserem Fall haben wir ebenfalls eine langperiodische Schwingung registriert“, sagt Angela Carrillo Ponce, „das Ungewöhnliche daran war die lange Dauer“. Besonders beeindruckend sei, dass es für die Auswertung Daten aus seismischen Stationen in Deutschland, in Alaska und anderen Teilen Nordamerikas in sehr guter Qualität gab. Ein Vergleich mit Satellitenbildern bestätigte, dass die Ursache der ersten seismischen Signale gut mit der Stärke und Richtung des Felssturzes übereinstimmte, der den Megatsunami auslöste. Darüber hinaus konnten die Autoren das langsame Abklingen und die dominante Schwingungsdauer der langanhaltenden Resonanzsignale modellieren.

Das lässt die Forschenden hoffen, dass sie andere ähnliche Ereignisse aus der Vergangenheit detektieren und analysieren können. Die Vermutung liegt nahe, dass der Rückzug von Gletschern, die vormals ganze Täler ausfüllten, sowie das Auftauen von Permafrost zu vermehrten Hangrutschungen führt. Der Klimawandel beschleunigt das Abschmelzen der Gletscher und könnte so die Gefahr von weiteren Megatsunamis vergrößern.

Bildunterschrift:
Je nach herausgefiltertem Frequenzbereich ist vor allem der den Tsunami auslösende Felssturz als einzelne Spitze zu sehen (oben), die hin und her schwappende stehende Welle als wellenförmiges Muster der Aufzeichnungen (Mitte, Zeitraum einige Stunden) oder das Gesamtsignal des Felssturzes und des Tsunamis über eine Woche hinweg mit stark abnehmender Intensität der Schwingungen (unten).

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Angela Carillo Ponce
angela.carrillo.ponce@gfz-potsdam.de

Originalpublikation:

Originalstudie: Carrillo-Ponce, A., S. Heimann, G. M. Petersen, T. R. Walter, S. Cesca, and T. Dahm (2024). The 16 September 2023 Greenland Megatsunami: Analysis and Modeling of the Source and a Week-Long, Monochromatic Seismic Signal, The Seismic Record, DOI: 10.1785/0320240013

Weitere Informationen:

https://pubs.geoscienceworld.org/ssa/tsr/article/4/3/172/646242/The-16-September… (Link zur Studie, open access)

https://www.gfz-potsdam.de/presse/meldungen/detailansicht/bergsturz-loest-megatsunami-in-schmalem-fjord-aus

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