Expedition zu Kraterseen: Aus Klimaschwankungen in der Vergangenheit auf die Zukunft hochrechnen

Ein interdisziplinäres Team aus Geographen, Geologen und Biologen kehrte Ende März von einer mehrwöchigen Expedition zu vulkanischen Kraterseen in Südpatagonien zurück. Die Geowissenschaftler nutzten den Südsommer 2002, um trockene und wassergefüllte Krater im Pali Aike Vulkanfeld – 52 Grad südlicher Breite – zu untersuchen. Die Analyse der Seeablagerungen soll Informationen über Klimaschwankungen in der Vergangenheit liefern. Ziel dieses vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (bmb+f) im Rahmen des Klimaforschungsprogramms DEKLIM geförderten Verbundprojektes mit Namen SALSA ist es, die regionalen Folgen der globalen Klimaänderung zu untersuchen. Bei einer Abnahme der Niederschläge in dieser Region besteht auf Grund der gegenwärtig intensiven Schaf-Weidewirtschaft eine erhöhte Gefahr der Wüstenbildung durch Zunahme der Winderosion auf vegetationsfreien Flächen mit erheblichen sozio-ökonomischen Folgewirkungen.

Weißen Fleck auf Landkarte der Klimaarchive füllen

Im Rahmen des interdisziplinären Forschungsprojektes SALSA (South Argentinean Lake Sediment Archives and modelling) brachen die Geowissenschaftler Hochschuldozent Dr. Frank Schäbitz und Dr. Michael Wille von der Universität Essen, Professor Dr. Bernd Zolitschka und Dr. Christian Ohlendorf von der Universität Bremen sowie Dr. Andreas Lücke vom Forschungszentrum Jülich nach Argentinien auf, um in Zusammenarbeit mit argentinischen Wissenschaftlern einen weißen Fleck auf der Landkarte der Klimaarchive zu füllen. Im Pali Aike Vulkanfeld, das sich westlich der Hafenstadt Rio Gallegos parallel zur Magellanstrasse erstreckt, waren sie auf der Suche nach „Maaren“ – das sind durch Wasserdampf-Explosionen entstandene vulkanische Krater. Bei diesen „Maaren“ ist die Chance besonders groß, Sedimentabfolgen zu finden, die Klimaveränderungen über Jahrtausende hinweg aufgezeichnet haben, wie man aus vergleichbaren Untersuchungen deutscher Maare weiß. Die Rekonstruktion vergangener Klimaschwankungen ist für regionale und globale Klimamodelle von Bedeutung, um die Vorhersage zukünftiger Klimaänderungen zu verbessern.

Untersuchungen im Vulkanfeld haben angewandte Aspekte

Die Untersuchungen im Pali Aike Vulkanfeld haben aber auch angewandte Aspekte. Diese Region ist aufgrund des permanenten und starken Westwindes bei Niederschlagssummen von nur 220 Millimetern im Jahr durch Winderosion gefährdet. Eine Abnahme der ohnehin geringen Jahresniederschläge oder eine Intensivierung der Schaf-Weidewirtschaft würde zum weiteren Verlust von Weideland und zur Wüstenbildung ausgedehnter Landstriche mit wirtschaftlichen und ökologischen Folgen für die gesamte Region führen.

Im Projekt SALSA werden in zwei Expeditionen Sedimentkerne aus Kraterseen entnommen und analysiert. Der abgeschlossene erste Geländeaufenthalt diente der Bestandsaufnahme. Es zeigte sich, dass im Untersuchungsgebiet derzeit lediglich zwei Seen permanent mit Wasser gefüllt sind – Laguna Potrok Aike und Laguna Azul. Beide Seen wurden zunächst mittels Echolot und Satellitennavigation (GPS) vermessen. Außerdem wurden vor Ort und entlang eines Tiefenprofils Temperatur, Salzgehalt, Säuregrad (pH) und Sauerstoffgehalt bestimmt, sowie Wasserproben entnommen. Jeweils im Zentrum der Seen ist eine Verankerung mit mehreren Sedimentfallen und Temperaturfühlern installiert worden, die in verschiedenen Wassertiefen absinkende Sedimentpartikel auffangen bzw. ein Jahr lang täglich die Wassertemperaturen registrieren. Schließlich wurden mit einem Schwerelot
16 Sedimentkerne mit Längen zwischen 95 und 135 Zentimetern an verschiedenen Positionen im See entnommen.

Proben werden jetzt in den Labors untersucht

Zur Zeit werden die Proben in den Labors in Essen, Bremen und Jülich analysiert und geben erste Anhaltspunkte über das Potential der Sedimente für Paläoklima-Rekonstruktionen. Vorläufige Aussagen über Klimaschwankungen in der jüngeren Vergangenheit sind dann möglich. Die Synthese dieser Resultate erfolgt in Kooperation mit argentinischen Partnern, die unter anderem klimatologische Daten der letzten dreißig Jahre verfügbar machen. Weiterhin tragen Wissenschaftler der Universität von Rio Gallegos Daten einer automatischen Wetterstation und von Prozessstudien zur Winderosion im Einzugsgebiet der Laguna Potrok Aike bei. Mit diesen ersten Ergebnissen wird der Weg geebnet für die zweite, logistisch aufwendigere Phase des Projektes, die für den Januar/Februar 2003 geplant ist. Während dieser Expedition sollen mit einer speziellen Bohrplattform bis zu zwanzig Meter lange Sedimentkerne aus den beiden tiefen Seen entnommen werden. Diese Kerne gestatten dann einen Blick weit zurück in die fremde Welt einer fernen Vergangenheit, als noch das sechs Meter lange und drei Tonnen schwere Riesenfaultier Megatherium durch Patagonien trottete und mächtige Eisströme aus den Anden und aus Feuerland bis in die Nähe des Untersuchungsgebietes reichten.

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Monika Roegge idw

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