Spektakulärer neuer Schädelfund stellt die Herkunft des Menschen in Frage

Die Rekonstruktion zeigt, wie der älteste Mensch, der außerhalb Afrikas gefunden wurde, ausgesehen haben könnte. <br> "obs/National Geographic" <br>

Wissenschaftler finden ältesten Schädel außerhalb Afrikas – Menschlicher Stammbaum in Frage gestellt

War der Homo erectus wirklich der erste Hominide, der vor rund 1,8 Millionen Jahren Afrika verließ? Ein spektakulärer Schädelfund in Georgien stellt diese Annahme und möglicherweise die gängige Version des menschlichen Stammbaums in Frage. Dies berichtet NATIONAL GEOGRAPHIC DEUTSCHLAND in der August-Ausgabe (EVT 29.07.2002) des Magazins.

Erst jüngst waren Forscher im Tschad auf den ältesten jemals in Afrika gefundenen Schädel gestoßen. Wie NATIONAL GEOGRAPHIC DEUTSCHLAND berichtet, handelt es sich bei dem Fund in Georgien allerdings um den ältesten Schädel, der jemals außerhalb des afrikanischen Kontinents entdeckt wurde: Rund 1,75 Millionen Jahre alt ist der Fossilfund. Zur Überraschung der Wissenschaftler ähnelt er kaum dem des Homo erectus. Der galt bislang als erster Mensch, der den afrikanischen Kontinent verließ: aufrecht gehend, mit ausgreifendem Gang und großem Gehirn, im Wesentlichen den heutigen Menschen entsprechend. Mit einem nur halb so großen Gehirn wie beim heutigen Menschen, mit dünnem Brauenwulst, kleiner Nase und großen Eckzähnen weist der kürzlich gefundene Schädel jedoch deutliche Unterschiede zum Homo erectus auf. Er lässt auf eine viel primitivere Entwicklungsstufe schließen. Seine Knochenstruktur legt zudem die Vermutung nahe, dass es sich um ein Mädchen oder eine junge Frau handelt. Eine prähistorische Eva? Sie wäre die erste uns bekannte Frau des menschlichen Stammbaums.

Entdeckt wurde der überraschend gut erhaltene Fossilfund 2001 von dem georgischen Wissenschaftler David Lordkipanizide und seinem Team in Dmanisi. Der Schädel und primitive Werkzeuge in seiner Umgebung scheinen zu belegen, dass nicht der Homo erectus als erster Afrika verließ, sondern dass schon eine frühere Lebensform diesen Weg nahm. Nach Rekonstruktionen sah dieses Wesen eher wie der affenähnliche Homo habilis aus: ein Hominide mit langen Armen und kurzen Beinen, der vor 1,6 bis 2,4 Millionen Jahren lebte und primitive Werkzeuge herstellte, aufgrund seines Körperbaus aber eher für das Leben auf Bäumen als für einen langen Weg aus Afrika geeignet war.

Noch ordnen die Wissenschaftler den neuen Fund vorsichtig dem Homo erectus zu. Sie hoffen jetzt, weitere Teile des Skeletts zu finden; erst dann könnte zweifelsfrei geklärt werden, ob es sich bei dem Wesen um einen Homo habilis, einen Homo erectus oder eine Zwischenform handelt. Mehrere, seit 1991 in dieser Region gefundene Skelette scheinen trotz enormer Größenunterschiede darauf hinzuweisen, dass es sich bei allen um dieselbe Art handelt. Das hieße aber, dass man die gängige Version des menschlichen Stammbaums neu zeichnen muss. Gab es nach dem Homo habilis gar nicht so viele verschiedene Arten, wie manche Wissenschaftler behaupten, sondern nur zwei – den Homo erectus und den Homo sapiens?

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Myriam Reinwein ots

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