In der Unterwelt wird heiß gekocht
Geowissenschaftler berichten über Durchbruch bei der Erforschung der Kern-Mantel-Grenze – Experimenteller Nachweis: Grenzlage zwischen Erdkern und -mantel mit erhöhter Leitfähigkeit
Über einen Durchbruch bei der Erforschung der Kern-Mantel-Grenze in der tiefen Erde berichtet in ihrer jüngsten Ausgabe die renommierte Fachzeitschrift „Nature“. Bei diesen Forschungsarbeiten sind Wissenschaftler des Bayerischen Geoinstituts der Universität Bayreuth* führend, und sie haben nichts anbrennen lassen.
Die Grenze zwischen dem Erdmantel und dem Erdkern in 2800 km Tiefe ist eine Zone größter Gegensätze: sie trennt den festen Silikat-Mantel vom äußeren Kern aus flüssigem Eisen. Vom untersten Mantel zum Kern verdoppelt sich die Dichte, die Temperatur steigt über ein geringes Tiefenintervall um mehrere Hundert Grad, und die Geschwindigkeit von Erdbebenwellen nimmt um die Hälfte ab. Solche Zonen steiler chemischer und physikalischer Gradienten lösen besonders dynamische Prozesse aus: die sogenannte D-Lage wird als der Ursprungsort von „Superplumes“ angesehen, Bereiche heißen, plastisch fließenden Gesteinsmaterials, das schließlich nach einem Aufstieg aus 2800 km Tiefe nahe der Erdoberfläche aufschmilzt und in Form von Magma z.B. in Hawaii an die Erdoberfläche austritt.
Die rotierende Erde verhält sich wie ein Kreisel im Kraftfeld von Sonne und Mond. Die Rotationsachse der Erde führt eine langsame Präzessionsbewegung aus, d.h. sie wandert auf einer Kreisbahn um die Hauptträgheitsachse. Überlagert ist eine“Nickbewegung“ (Nutation), die von der variablen Stellung von Mond und Sonne zur Erde ausgelöst wird. Diese Nutation ist jedoch nicht im Gleichklang mit der Änderung des Kraftfelds von Sonne und Mond, die Amplitude ist vielmehr phasenverschoben. Eine mögliche Erklärung für diesen überraschenden Befund ist die Annahme einer Lage mit elektrisch sehr gut leitendem Material an der Basis des Erdmantels, die als elektrodynamischer Puffer wirken würde. In ihrem Artikel haben Dubrovinsky und Koautoren den experimentellen Nachweis geführt, dass die D-Lage an der Grenze zwischen Erdkern und -mantel diese Zone erhöhter Leitfähigkeit sein könnte und erklärt, was der Grund für dieses Verhalten ist.
Um diesen Nachweis zu führen, ist es erforderlich, die chemischen Reaktionen zwischen flüssigem Eisen und den Silikaten des Erdmantels unter den Bedingungen der D-Lage zu verstehen, das heißt bei Drükken von über 1 400 000 atm oder 140 Gigapascal (GPa) und Temperaturen oberhalb 3000 °C . Die Autorengruppe hat durch eine Kombination verschiedener Höchstdruckmethoden die Wechselwirkungen zwischen Eisen und Siliziumdioxid (SiO2, als Modell für den Erdmantel) bis zu Drücken von 140 GPa und Temperaturen bis über 3500°C untersucht. Unterhalb 40 GPa reagiert Eisen bei hohen Temperaturen mit SiO2 zu Eisenoxid und einer Eisen-Silizium-Legierung mit bis zu 5 Gew.% Si. Im Druckbereich 40 – 140 GPa reagieren dagegen Eisen und SiO2 nicht miteinander, aber die Eisen-Silizium-Legierung zerfällt zu fast reinem Eisen und einer FeSi-Verbindung mit der Struktur des Cäsiumchlorids.
Die Bildung des metallischen Erdkerns fand in der frühen Entwicklungsstadien der Erde durch Abscheidung einer Eisenlegierung aus einem „Magma-Ozean“ statt, der etwa 1000 km tief war. Die Eisenlegierung hat also einige Gew.% Silizium enthalten. Sie zersetzte sich bei weiteren Absinken in fast reines Eisen und die FeSi-Verbindung. Diese ist dichter als das Erdmantelmaterial, aber weniger dicht als flüssiges Eisen bei diesen Drücken, und sie wird sich daher an der Kern-Mantel-Grenze anreichern. Selbst heute könnte FeSi noch durch chemische Wechselwirkung zwischen Kern und Mantel neu entstehen. FeSi ist eine elektrisch leitende Verbindung und ihre Anreicherung in der D-Lage erklärt die anomal hohe elektrische Leitfähigkeit an der Basis des Erdmantels und liefert den Schlüssel für die Beobachtung, dass die Amplitude der Erd-Nutation gegenüber den Gezeitenkräften von Sonne und Mond phasenverschoben ist.
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