Führten Erdhebungen zur Entstehung des Menschen?

Die Bildung des Ruwenzorigebirges in Ostafrika hat möglicherweise zur Entwicklung der ersten Menschen geführt. Mit dieser Hypothese startet im Sommer dieses Jahres ein Forscherteam unter der Leitung von Prof. Dr. Uwe Ring, Geowissenschaftler an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, nach Uganda, um durch Gesteinsuntersuchungen Aufschluss über die Geschichte der Menschheit zu erhalten.

„Wir wollen herausfinden, ob die Hebung des Ruwenzorigebirges zeitlich mit der Hominidenentwicklung in Ostafrika übereinstimmt“, erklärt Ring. „Das würde die wissenschaftlich äußerst provokante These erhärten, dass die Menschwerdung durch Prozesse im Erdinnern kontrolliert wurde.“

Das Ruwenzorigebirge zwischen Uganda und Kongo ist mit seiner großen Höhe eines der größten Rätsel in den Geowissenschaften. Gebirgshöhen über 5.000 Meter findet man weltweit nur in Bereichen, wo Kontinentplatten aufeinander stoßen. Der Ostafrikanische Graben ist aber ein Bereich, wo sich diese Platten auseinander bewegen, wie beispielsweise auch im Rheingraben. Entlang einer Linie vom Roten Meer über Äthiopien nach Mosambik entfernt sich das östliche Afrika mit einer Geschwindigkeit von etwa zwei Zentimeter pro Jahr vom Kontinent. Die Ruwenzoris – auch als „Mondberge“ bekannt – gehören zu einem vulkanisch sehr aktiven Bereich im Ostafrikanischen Graben. Ab einer Höhe von etwa 4.500 Meter sind die Berge vergletschert. Annähernd 320 Regentage im Jahr bedingen ein extremes Klima mit Feuchtigkeit und Nebel, die in den Ruwenzoris eine fast surreale Traumwelt entstehen ließen. Die Vegetation sprengt alle gewohnten Maße: Heidekraut wächst bis zu acht Meter Höhe, Verwandte der Gartenlobelie werden mannshoch und das Kreuzkrautgewächs wächst in 3.000 bis 4.000 Meter Höhe zu baumhohen Wäldern heran.

Seit einigen Jahren forschen Geowissenschaftler und Paläozoologen verschiedener Hochschulen und Museen aus dem Rhein-Main-Gebiet intensiv über Zusammenhänge zwischen der Entwicklung des Ostafrikanischen Grabensystems und der Entwicklung der frühen Menschen (Hominiden). Bekannt ist, dass die Entwicklung der Hominiden maßgeblich durch klimatische Faktoren gesteuert wurde: Eine weltweite Abkühlung soll vor etwa sechs bis acht Millionen Jahren die beginnende Abspaltung der Hominiden von den Menschenaffen bedingt haben. Die Hominiden entwickelten sich zunächst ausnahmslos im trockenen, östlichen Bereich des afrikanischen Kontinents – während der westliche Teil Afrikas, insbesondere das Kongo-Becken, ab diesem Zeitraum sehr feucht wurde. Später, vor ca. drei Millionen Jahren, fand in Ostafrika eine entscheidende zweite Etappe der Hominidenentwicklung statt und die Gattung „Homo“ entwickelte sich.

Ungeklärt ist indes die Ursache dieser gravierenden Klimaveränderungen in Afrika. „Die gängige Meinung ist, dass globale Klimaschwankungen wie langandauernde Vereisungsperioden an den Polkappen die wesentlichen Kontrollfaktoren waren“, erläutert Ring. Allerdings trenne der Ostafrikanische Graben die durch unterschiedliche klimatische Entwicklungen gekennzeichneten Bereiche West- und Ostafrikas und somit könne die globale Vereisungsthese nicht die Klimadifferenzierung innerhalb Afrikas erklären. Die Mainzer und Frankfurter Geowissenschaftler gehen jetzt davon aus, dass Hebungsprozesse entlang der Grabenschultern des Ostafrikanischen Grabens der wesentliche Auslöser für die Klimadifferenzierung in Afrika waren und somit unsere Menschheitsentwicklung entscheidend beeinflusst haben.
Computersimulationen belegen nach Darstellung von Ring, dass vermutlich schon eine mittlere Hebung von 1.500 bis 2.000 Metern ausreicht, um nachhaltige Klimaveränderungen zu bewirken. Die Grabenschultern des westlichen Arms des Ostafrikanischen Grabens wurden um 2.000 bis 2.500 Meter über den Meeresspiegel angehoben; das Ruwenzorigebirge im Westen Ugandas erreicht sogar über 5.000 Meter. Dadurch konnte sich eine Barriere bzw. Wetterscheide ausbilden und feuchte westliche Winde vom Atlantik regneten – und regnen heute noch – im Kongo-Becken ab, während der Osten Afrikas in einen Regenschatten geriet.

Bisherige Forschungsarbeiten des „Rhein-Main-Teams“ im Ostafrikanischen Graben zeigen deutliche Überschneidungen zwischen markanten Phasen der Grabenbildung und den Zeitpunkten der Klimaveränderungen und Hominidenentwicklung: Vor acht Millionen Jahren begann sich der Ostafrikanische Graben zu strukturieren und es kommt zu erheblichem Vulkanismus und Hebungsprozessen. Vor drei Millionen Jahren kam es zu einer zweiten markanten Vulkanismusphase und zu weiteren starken Hebungsbewegungen. Zu diesem Zeitpunkt soll sich das Ruwenzorigebirge herausgehoben haben. „Es spricht also einiges dafür, dass die durch erdinnere Kräfte gesteuerten Hebungspulse an den Grabenschultern letztlich der wesentliche steuernde Faktor in der Entwicklungsgeschichte der Menschheit waren“, führt Ring aus.

Unter seiner Leitung wird ein Rhein-Main-Geoteam zusammen mit Geologen der Makerere Universität in Kampala (Uganda) die Hebungsgeschichte des Ruwenzorigebirges im Ostafrikanischen Grabensystem quantitativ untersuchen. Es soll die mit der Heraushebung der Ruwenzoris zum vergletscherten Hochgebirge und die damit einhergehende Abkühlung der Gesteine genau datiert werden. Dafür werden Methoden der sogenannten Niedrigtemperaturchronometrie verwendet. Diese beruhen im Wesentlichen auf dem natürlichen radioaktiven Zerfall. Schwere Isotope wie Uran und Thorium zerfallen in mehreren Stufen bis am Schluss ein stabiler Blei-Atomkern übrig bleibt. Bei jedem Zerfall fliegt aus dem Kern ein Alpha-Teilchen (Helium-Atomkern) heraus, der winzig kleine Defekte im Kristallgitter von Mineralen erzeugt. Wenn man nun die Oberfläche eines solchen Minerals mit einer Säure anätzt, vergrößern sich die Strahlenschäden um das Hundertfache und werden in speziellen optischen Mikroskopen sichtbar und man kann das Mineral datieren. Sammelt man Gesteinsproben entlang eines vertikalen Profils vom Fuß der Ruwenzoris bis zu ihrem Gipfel, so kann man den Hebungsprozess zeitlich nachvollziehen und man kann auch erkennen, ob die Hebung episodisch oder kontinuierlich ablief. Ziel ist es herauszufinden, ob die Hebung der Ruwenzoris zeitlich mit Phasen der Hominidenentwicklung in Ostafrika korreliert. Oder anders gesagt: Lassen sich konkrete Hinweise finden, ob und dass durch Prozesse im oberen Erdmantel kontrollierte Hebungsvorgänge die Entwicklung der frühen Hominiden wesentlich bestimmt haben?

„Die Bündelung der breitgefächerten Kompetenzen in den geowissenschaftlichen Instituten der Universitäten in Mainz und Frankfurt sowie am Senckenberg-Institut in Frankfurt und auch am Hessischen Landesmuseum in Darmstadt lassen neue, wichtige Erkenntnisse über unsere frühe Entwicklungsgeschichte erwarten,“ vermutet Ring. Das Projekt, an dem Geochronologen, Sedimentologen, Paläoanthropologen und Strukturgeologen beteiligt sind, soll mit einer Laufzeit von mehreren Jahren im Sommer 2003 starten und wird zunächst durch den Forschungsfond der Universität Mainz gefördert. Beteiligt ist auch der Paläoanthropologe Prof. Friedemann Schrenk aus Frankfurt, der in den vergangenen Jahren erfolgreich vor allem in Malawi und Tansania zur Entwicklungsgeschichte der Menschen geforscht hat. Schrenk und Ring haben bereits mehrfach projektweise in Ostafrika zusammengearbeitet.

Kontakt und Informationen:

Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Institut für Geowissenschaften
Prof. Dr. Uwe Ring
Tel. 06131 – 39-22164
Fax 06131 – 39-24769
E-Mail: ring@uni-mainz.de

Media Contact

Petra Giegerich idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-mainz.de/~ring

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Geowissenschaften

Die Geowissenschaften befassen sich grundlegend mit der Erde und spielen eine tragende Rolle für die Energieversorgung wie die allg. Rohstoffversorgung.

Zu den Geowissenschaften gesellen sich Fächer wie Geologie, Geographie, Geoinformatik, Paläontologie, Mineralogie, Petrographie, Kristallographie, Geophysik, Geodäsie, Glaziologie, Kartographie, Photogrammetrie, Meteorologie und Seismologie, Frühwarnsysteme, Erdbebenforschung und Polarforschung.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Größte bisher bekannte magnetische Anisotropie eines Moleküls gemessen

An der Berliner Synchrotronstrahlungsquelle BESSY II ist es gelungen, die größte magnetische Anisotropie eines einzelnen Moleküls zu bestimmen, die jemals experimentell gemessen wurde. Je größer diese Anisotropie ist, desto besser…

Tsunami-Frühwarnsystem im Indischen Ozean

20 Jahre nach der Tsunami-Katastrophe… Dank des unter Federführung des GFZ von 2005 bis 2008 entwickelten Frühwarnsystems GITEWS ist heute nicht nur der Indische Ozean besser auf solche Naturgefahren vorbereitet….

Resistente Bakterien in der Ostsee

Greifswalder Publikation in npj Clean Water. Ein Forschungsteam des Helmholtz-Instituts für One Health (HIOH) hat die Verbreitung und Eigenschaften von antibiotikaresistenten Bakterien in der Ostsee untersucht. Die Ergebnisse ihrer Arbeit…