Bremer Geoforscher entdecken riesigen Canyon vor Nordwest-Afrika
Auf ihrer vor wenigen Tagen zu Ende gegangenen Expedition mit dem Forschungsschiff „Meteor“ machten Bremer Wissenschaftler des DFG-Forschungszentrums Ozeanränder eine sensationelle Entdeckung. Vor der Küste Mauretaniens stießen sie auf einen mächtigen untermeerischen Canyon von phantastischer Gestalt. In vielen Mäandern schlängelt er sich von der flachen Küste über eine Distanz von mehr als 200 Kilometern bis weit hinaus Richtung atlantische Tiefsee. Noch in Wassertiefen von mehr als 3.000 Metern konnten die Wissenschaftler die tiefe Schlucht im Meeresboden verfolgen. „Mit Sicherheit spielt der Canyon eine zentrale Rolle beim Transport des Sediments vom Kontinentalhang in die Tiefsee“, urteilt Expeditionsleiter Prof. Horst Schulz.
Der nach einem nahen Küstenvorsprung neu benannte „Cap Timiris Canyon“ wurde gleich zu Beginn der Expedition auf etwa 19 Grad nördlicher Breite entdeckt. Dabei war die Überraschung groß: „Selbst auf neuesten Karten war dort, wo wir auf den Canyon stießen, bislang nur großflächig ebener Meeresboden verzeichnet“, berichtet Prof. Schulz. Der Bremer Geowissenschaftler änderte deshalb das Forschungsprogramm, um das Schluchtensystem am Meeresboden kartografisch zu erfassen. Eine gute Woche später war das Bild nahezu komplett.
„Der `Cap Timiris Canyon` erinnert in vieler Beziehung an den Rhein“, sagt Horst Schulz. Am Fuß des Kontinentalhangs, also dort, wo der afrikanische Kontinent in 3.000 Metern Wassertiefe in die Tiefsee übergeht, ist er etwa zwei bis drei Kilometer breit und schneidet sich etwa 300 Meter tief in seine Umgebung ein. Ähnlich wie Rhein oder Mosel weist der Canyon viele Mäander auf (siehe beigefügte Abbildung). Diese „Flussschlingen“ sind Teil der Entstehungsgeschichte eines solchen Canyons, die in vielen grundsätzlichen Details bisher noch nicht wirklich verstanden ist.
Seismische Untersuchungen des tieferen Untergrunds belegen, dass der Canyon – wie der Rhein – seit mindestens zehn Millionen Jahren ortsfest ist. Auf den Bildern vom Meeresboden konnten die Wissenschaftler des Bremer Forschungszentrums erstaunliche Details erkennen: Neben den Mäandern auch abgeschnittene Altarme, vielfältige Verzweigungen, den Wechsel von steileren zu flacheren Canyonbereichen, aber auch Uferwälle am Canyonrand. Auch die gesamte Länge ist durchaus mit dem Rhein vergleichbar, denn zu den jetzt untersuchten gut 200 Kilometern kommen noch mindestens 500 bis 600 unbekannte Kilometer („Luftline“) auf dem Weg bis in die Tiefsee hinzu.
Die noch an Bord der „Meteor“ vorgenommenen Untersuchungen deuten darauf hin, dass Ablagerungen am Meeresboden im Bereich des Kontinentalhangs mobilisiert und in großen Mengen in die Tiefsee verfrachtet werden. Der „Cap Timiris Canyon“ spielt bei diesen Transportprozessen offenbar eine Schlüsselrolle. Etwa zehn Meter lange Sedimentkerne, die mit einem 12 Zentimeter Durchmesser großen Hohlzylinder aus dem Meeresboden am Grund des Canyon ausgestochen wurden, untermauern diese Vermutung. Sie zeigen, dass immer wieder sog. Trübeströme – eine Mischung aus Wasser und Sediment – in Richtung Tiefsee fließen. An einem der Kerne konnten die Wissenschaftler erkennen, dass in nur gut neun Meter Canyonboden 33 dieser sedimentbeladenen Trübeströme dokumentiert sind. Die Ströme wälzten sich im zeitlichen Abstand von jeweils nur wenigen Jahren durch den Canyon am Kontinentalhang abwärts.
„Eigentlich ist es kaum zu glauben, dass auf unserem Planeten noch so große, bislang unentdeckte Objekte zu finden sind“, resümiert Prof. Horst Schulz. „Wir sind schon jetzt gespannt, was die weiteren Analysen des von der Expedition mitgebrachten Materials ergeben.“
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Albert Gerdes
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