"Polarstern" beendet elfwöchige internationale Tiefsee-Expedition

Am Hakon Mosby Vulkan quillt Methangas aus dem Meeresboden. Foto: "Victor6000", Ifremer.

Am 7. August ist die „Polarstern“, Forschungseisbrecher des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung (AWI), plangemäß im Hafen von Tromsø, Norwegen, eingelaufen. Ziele der Expedition waren Tiefseekorallen südwestlich von Irland, der Hakon Mosby Schlammvulkan nordwestlich von Norwegen und der „Hausgarten“ des AWI, eine Tiefsee-Langzeitstation westlich von Spitzbergen in 2600 Metern Wassertiefe.

Den insgesamt 150 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern an Bord von „Polarstern“ stand das Tiefseefahrzeug „Victor 6000“ des französischen Meeresforschungsinstituts Ifremer zur Verfügung. „Victor 6000“ ist mit Kameras, Probennahmegeräten und Greifarmen bestückt, kann 6000 Meter tief tauchen und wurde von Bord der „Polarstern“ aus ferngesteuert.

Damit geht eine anspruchsvolle Arktis-Expedition zu Ende. Sie stand ganz im Zeichen der von AWI und Ifremer (Institut français de recherche pour l’exploitation de la mer) getragenen deutsch-französischen Zusammenarbeit in der Polar- und Meeresforschung und war damit Bestandteil der gemeinsamen Aktionen zum vierzigsten Jahrestag der Unterzeichnung des deutsch-französischen Freundschaftsvertrags. Mit „Victor 6000“ an Bord des Eisbrechers „Polarstern“ konnten die Wissenschaftler gezielt Proben und Bilder aus einigen für Europa besonders interessanten Regionen des nördlichen Nordatlantik und der arktischen Tiefsee gewinnen und selbständig arbeitende Messgeräte am Meeresboden absetzen und aktivieren.

Tiefseekorallen

Nach einem mehrtägigen Hafenaufenthalt Ende Mai in Brest zur Installation von über 120 Tonnen Material, die zum Betrieb des Tiefseefahrzeugs erforderlich sind, führte der erste Abschnitt Anfang Juni in die Porcupine Seabight westlich von Irland. In rund eintausend Metern Wassertiefe gibt es hier Korallenriffe, die sich von der Biscaya bis in die Barentssee hinein erstrecken. Etwa sechzig Prozent dieser Riffe befinden sich in irischen Gewässern. Lophelia pertusa heißt die wichtigste Koralle dieser Lebensräume. Sie hat sich an die kühlen und dunklen Lebensräume der dieser Kontinentalränder angepasst und wächst in riesigen Kolonien. Korallenriffe sind eigentlich typisch für tropische Meeresgebiete. „Wie und wann Riffe in den kühlen, tiefen und dunklen Gewässern der Porcupine Seabight und der Porcupine Bank entstehen konnten oder heute existieren, ist bisher ein großes und ungelöstes Rätsel“, sagt Prof. Jörn Thiede, Direktor des AWI und Leiter des ersten Teils der Expedition.

Methanblasen aus dem Meeresgrund

Das nächste Ziel der Expedition war der Hakon Mosby Schlammvulkan. Hier entweicht aus dem Meeresboden Methan, das Bakterien als Nährstoff dient. Die Untersuchungen mit „Victor 6000“ zeigten unter anderem das Methangas als aufsteigende Bläschen. „So direkt haben wir das noch nie gesehen“, sagt Prof. Michael Schlüter vom AWI, der das Phänomen untersucht. Eine andere neue Beobachtung war die hohe Temperatur im arktischen Meeresboden: Im Zentrum des knapp vier Quadratkilometer großen Gebietes war der Boden in drei Metern Tiefe über 25 Grad Celsius warm. Bis auf eine Genauigkeit von zehn Zentimetern ist der Meeresboden nun im Bereich des Hakon Mosby kartiert worden (Mikrobathymetrie). Schlüter verspricht sich davon ein wesentlich besseres Verständnis solcher Methanquellen.

Besuch im Hausgarten

Der letzte Teil der Tiefsee-Expedition führte zum „Hausgarten“ des AWI, einer Langzeit-Forschungsstation in 2600 Metern Wassertiefe. Hier beobachten Wissenschaftler seit einigen Jahren, wie sich die Lebensgemeinschaften im jahreszeitlichen Rhythmus und im Laufe von Jahren verändern und wie sie auf Störungen von außen reagieren. Der „Hausgarten“ ist die einzige Tiefsee-Langzeitstation in einem Polargebiet. Sollten sich globale Umweltveränderungen entwickeln, so werden diese sich zuerst in den Polargebieten zeigen und damit frühzeitig hier zu messen sein.
Neben zahlreichen autonomen Messgeräten laufen im „Hausgarten“ Experimente, die der Frage nach der unerwartet hohen Artenvielfalt (Biodiversität) nachgehen. Unter anderem wurden verschiedene Platten aus festem Material geborgen, die man vor vier Jahren ausgesetzt hatte, um zu beobachten, wie schnell solche Flächen hier besiedelt werden. Der erste Eindruck: Viel ist da noch nicht passiert. „Anscheinend haben sich nur wenige Organismen angesiedelt“, sagt Dr. Michael Klages, Leiter der Expedition, „wir müssen aber erst die Laborergebnisse abwarten.“

Ein einzigartiges Gespann

„Polarstern“ und „Victor 6000“ wurden bereits 1999 gemeinsam in der Arktis eingesetzt und bilden derzeit ein in Europa einzigartiges Gespann moderner Forschungsinfrastruktur. Während der zu Ende gegangenen Expedition war „Victor 6000“ 23 Mal im Einsatz und fuhr 250 Kilometer Meeresgrund ab. Dabei tauchte er zwischen 900 und 2600 Metern tief. Das Arbeiten mit dem vier Tonnen schweren Gefährt, das an Bord geholt und wieder ausgesetzt werden muss, ist bei hohem Seegang alles andere als einfach. Doch es hat sich gelohnt. Insbesondere die Bergung eines Gerätes, das neben wissenschaftlichen Daten einen Wert von rund 150.000 Euro hat, wäre ohne „Victor 6000“ nicht gelungen. „Die Kooperation mit Ifremer“, so Klages, „ist nicht nur für beide Partner von Vorteil. Gemeinsam konnten wir europäischen Kollegen eine einzigartige Möglichkeit bieten, High-Tech in der Tiefsee einzusetzen, um somit an der Spitze dessen was derzeit in der modernen Meeresforschung möglich ist, mitzuwirken. Wir freuen uns, dass wir die gute Zusammenarbeit mit unserem französischen Partner weiter haben festigen können.“

Kontinentalverschiebung

Auf der kurzen Überfahrt aus dem letzten Untersuchungsgebiet vor Spitzbergen nach Tromsø wurden „Victor 6000“ und sein Zubehör bereits an Bord der „Polarstern“ abgebaut und in Containern verstaut. Mit einem Containerschiff reist er dann wieder heim nach Toulon, dem Stützpunkt der bemannten und unbemannten Tauchfahrzeuge des Ifremer in Frankreich. Der nächste Fahrtabschnitt für „Polarstern“ beginnt am Sonntag, 10. August. Dann stehen Geophysik und Ozeanographie im Nordpolarmeer und in der Framstraße auf dem Programm. Vor der Ostküste Grönlands soll erforscht werden, wie die Trennung Grönlands von Norwegen vor 55 Millionen Jahren erfolgte. Am 13. Oktober kommt „Polarstern“ wieder nach Bremerhaven zurück.

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Dipl.-Phys. Claudia Ratering idw

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