Die Ursache für Mikroerdbeben
Erdbeben erschüttern die Welt. Und das öfter als wir denken, denn erst ab einem Wert von fünf auf der Richter-Skala spüren wir die Erschütterung. Täglich und in großer Vielfalt treten überall auf der Erde kleine Beben auf. Diese von uns Menschen nicht spürbaren Mikrobeben können heutzutage problemlos von geophysikalischen Messgeräten registriert werden. Warum diese Beben auftreten und wodurch sie ausgelöst werden, ist bislang weitestgehend ungeklärt.
In mehreren Studien und Beobachtungen wurde die Hypothese aufgestellt, dass Fluide einen maßgeblichen Einfluss auf die Auslösung von Mikroerdbeben haben können. Der Frage, ob und welche Informationen über das Gestein in den Daten der aufgezeichneten Mikroerdbeben enthalten sind, gehen Geophysiker seit wenigen Jahren intensiv nach. Wissenschaftler der Freien Universität Berlin haben nun eine Methode entwickelt, um wichtige gesteinsbeschreibende Parameter aus solchen Daten zu gewinnen. Diese Parameter können dazu benutzt werden, um ein seismisch aktives Gesteinsvolumen besser zu charakterisieren. Das ist besonders in der industriellen Nutzung von Erdöl- und Erdgasspeicher, aber auch für die optimale Ausnutzung von regenerativen Energieträgern von entscheidender Bedeutung. Computergestützte Simulationen erlauben erstmals die systematische Untersuchung der Hypothese und belegen den maßgeblichen Einfluss von Fluiden bei der Entstehung von Mikroerdbeben.
Für die Darstellung der bislang erfolgten Forschungsarbeiten auf diesem Gebiet erhält das Team um Prof. Dr. Serge A. Shapiro im Oktober 2003 die Auszeichnung als beste Publikation im Jahre 2002 in der Zeitschrift „Geophysics“ von der Amerikanischen Gesellschaft für Explorationsgeophysik (Society of Exploration Geophysicists).
Mehrmals täglich wird die Erde in eng begrenzten Zonen erschüttert, wie beispielsweise entlang der mittelozeanischen Rücken, Platten- oder Kontinentalränder. Die meisten starken Erdbeben finden an Plattenrändern statt. Dort können sich aufgrund der Bewegungen der Platten die entsprechenden Spannungen gegeneinander aufbauen. Die Spannungszustände des Gesteins unterscheiden sich je nachdem, ob das Gestein trocken oder feucht ist. Im feuchten Gestein sind Fluide, also Flüssigkeiten und Gase, für die Spannungsbilanz mit verantwortlich. Denn ihr Druck in den Gesteinsporen verändert die Spannung, die dazu beitragen kann, dass eine Bewegung entgegen der Reibungskraft stattfindet. Zudem können Fluide bei großen Beben mit großer Versatzgeschwindigkeit wie ein Gleitmittel wirken und dadurch den Reibungswiderstand vermindern.
Bei Mikroerdbeben verschieben sich die Flächen im Gestein nur um Millimeter bis hin zu wenigen Zentimetern. Erst seit wenigen Jahren untersuchen Geophysiker die Ursache für Minierdbeben und zeichnen schwache Erderschütterungen routinemäßig auf. Eine detaillierte Kenntnis des Untergrundes ist vor allem beim Fördern oder der Untertagespeicherung von Öl und Gas, bei der Nutzung geothermischer Energie, dem Lagern nuklearer Abfälle, der Vorratbewirtschaftung von Rohstoffen und Trinkwasser und teilweise auch in der Bau- und Umweltindustrie zwingend erforderlich. So sind zum Beispiel während des Baus und der Befüllung von Staudämmen erhöhte mikro-seismische Aktivitäten in der Umgebung festgestellt worden. Erdbebenforscher vermuten, dass auch natürliche Fluide, wie Regen oder magmatische Quellen, Mikrobeben auslösen könnten.
Fluide werden heutzutage industriell genutzt. Vor allem in Japan und Europa sind in den vergangenen zehn Jahren hydrothermale Lagerstätten erforscht worden. Dabei handelt es sich um so genannte Hot-Dry-Rock-Lagerstätten, bei denen das Wärmereservoir, das heiße Gestein, Temperaturen von mindestens zweihundert Grad Celsius aufweist. Es befindet sich in bis zu vier Kilometer Tiefe. Um dem Gestein die Wärme zu entziehen, wird kaltes Wasser durch ein Bohrloch gepumpt. Das Wasser/Fluid erwärmt sich dabei und der entstehende Wasserdampf wird durch ein zweites Bohrloch entzogen. Mit dem heißen Wasserdampf können Turbinen angetrieben und elektrischer Strom gewonnen werden. Damit das eingepresste kalte Wasser von einem Ort zum anderen gelangen und sich erhitzen kann, muss das Gestein Risse aufweisen. Sollte der erhöhte Porendruck nicht ausreichen, um Risse zu bilden, könnte er dennoch groß genug sein, um ein Mikrobeben auszulösen. Diese kleinen Beben entstehen oft zu Tausenden während einer Fluidinjektion.
Hydraulisch hervorgerufene Erderschütterungen (Seismizität) können sowohl durch Fluidinjektionen in Bohrlöchern als auch durch starke Regenfälle oder Wasserstandsschwankungen in Stauseen erzeugt werden. Kleine Schwankungen des Porendrucks – der durch Fluide verursacht wird, die durch das Gestein dringen – können ausreichen, um die Spannungsbilanz so zu verändern, dass Mikrobeben ausgelöst werden. „Wenn diese Hypothese tatsächlich stimmt, dann muss die Erdbebenstatistik durch den Parameter der Gesteinsdurchlässigkeit kontrolliert werden“, erklärt der Geophysiker Prof. Dr. Serge A. Shapiro von der Freien Universität Berlin.
Das Team um Shapiro hat eine Methode entwickelt, mit der die „Durchlässigkeit“ des Gesteins bestimmt werden kann. Die Abschätzung dieser Größen ist besonders in der Lagerstättenerkundung, der Nutzung geothermaler Energiequellen oder der Exploration von Erdöl- und Erdgasreservoiren von Bedeutung. Die Kenntnis ihrer großräumigen Verteilung könnte zur besseren Nutzung dieser Energiequellen entscheidend beitragen.
Über die neu entwickelten Methoden informieren Sie gern:
Prof. Dr. Serge A. Shapiro
FB Geowissenschaften (Geophysik) der Freien Universität Berlin
Tel.: 030 – 838-70839, shapiro@geophysik.fu-berlin.de
Elmar Rothert, Tel.: 030 – 838-70867, rothert@geophysik.fu-berlin.de
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