In vergangenen 150 Jahren kein signifikanter Anstieg der Hochwasserauftrittsrate bei Elbe und Oder
Das Hochwasser der Elbe im August 2002 gab Anlass zu der Spekulation, dass der anthropogene Treibhauseffekt zu einem Anstieg der Auftrittsrate derartiger Extremereignisse im Klimasystem führe. Anhand historischer Aufzeichnungen und Abflussdaten wurden jetzt am Leipziger Institut für Meteorologie Hochwasserchronologien für die Flüsse Elbe und Oder erstellt, die lückenlos zurück bis ins 11. Jahrhundert reichen. Wie die Forscher um den Klimatologen Dr. Manfred Mudelsee in der aktuellen Ausgabe des Magazins "Nature" nachweisen, gab es für beide Flüsse innerhalb der letzten 80 bis 150 Jahre keinen signifikanten Anstieg der Hochwasserauftrittsrate.
Grundlage für die Hochwasserchronologien sind die Weikinn’schen "Quellentexte zur Witterungsgeschichte Europas", die von 1850 an viele Jahrhunderte zurück reichen, die historische Klimadatenbank CLIMDAT (Zeitraum 1500 bis 1799) sowie Pegel- und Abflussmessungen (ab 1850). Insgesamt wurden für beide Flüsse zusammen 615 Hochwasserereignisse dokumentiert, die in drei Stärkeklassen eingeteilt wurden. Zudem wurde nach Winter- und Sommerhochwassern differenziert.
Die statistische Analyse der Daten konzentrierte sich auf extreme Ereignisse ab dem Jahr 1500. Dabei wurde festgestellt, dass es in der Vergangenheit durchaus signifikante Änderungen in der Hochwasserauftrittsrate gab, etwa eine Abnahme von Winterhochwassern der Elbe um das Jahr 1700.
Für die letzten Dekaden (seit 1850 im Falle der Elbe, seit 1920 im Falle der Oder) fand man heraus, dass bei beiden Flüssen Winterhochwasser immer seltener auftreten und kein Trend bei Sommerhochwassern zu verzeichnen ist – ungeachtet der Jahrhunderthochwasser im Juli 1997 (Oder) und August 2002 (Elbe). Diese Ergebnisse wurden untermauert durch statistische Tests, die die Robustheit der Trends gegenüber Messfehlern bewiesen.
Darüber hinaus konnten Simulationsuntersuchungen zeigen, dass der Einfluss von Reservoirbau auf die Auftrittsraten extremer Hochwasser vernachlässigbar ist. Auch andere Flussbaumaßnahmen, wie zum Beispiel Laufverkürzungen, hatten höchstens minimalen Einfluss. Selbiges ist über Entwaldung oder andere Landnutzungsänderungen zu sagen.
Als Ursache für die geringere Auftrittsrate extremer Winterhochwasser wird die Abnahme der Flussvereisungen angenommen. Wie die Weikinn’schen Quellen oft sehr plastisch veranschaulichen, kann eine im Frühjahr unter Tauwetter brechende Eisdecke zu Wasserstauungen führen, welche den Wasserstand beträchtlich erhöhen können. Ein Beispiel dafür ist das Hochwasser der Elbe im Februar/März 1784. Die letzten Eishochwasser der Elbe und der Oder waren im Jahr 1947. Das Ausbleiben von hochwasserauslösenden Flussvereisungen selber mag an Temperaturzunahme oder der Verschmutzung der Flüsse liegen.
Es wird betont, dass diese Befunde zwar nachweisen, dass die Auswirkungen globaler Klimaänderungen auf die regionale Hydrologie vielfältig und kompliziert sein können, jedoch trotzdem nicht darauf schließen lassen, dass die Abwärtstrends (Winterhochwasser) bzw. abwesenden Trends (Sommerhochwasser) auch in Zukunft weiter bestehen werden. Für derartige Prognosen sind detaillierte regionale Klimamodelle notwendig, welche durch ein globales Klimamodell angetrieben werden und mit einem hydrologischen Modell gekoppelt sind. Die weit zurückreichenden lückenlosen und räumlich wie zeitlich aufgelösten Hochwasserchronologien der Elbe und der Oder können jedoch für die Tests derartiger Modelle sehr hilfreich sein.
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Dr. Manfred Mudelsee
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