Neue Klimadaten aus altem Antarktis-Eis
In dieser Woche werden in der Zeitschrift Nature Geheimnisse der Klimageschichte gelüftet, die bisher in antarktischem Eis eingeschlossen waren. Wissenschaftler und Techniker aus zehn europäischen Ländern haben im Rahmen eines seit acht Jahren laufenden Projektes an Dome C auf dem Inlandeisplateau der Ostantarktis einen drei Kilometer langen Eiskern erbohrt. Laboranalysen dieses Eiskerns zeigen, wie sich in der Vergangenheit die Temperaturen geändert haben und die Zusammensetzung der Atmosphäre gewandelt hat. Der Eiskern enthält – soweit bisher analysiert – Schneefälle aus mindestens 740.000 Jahren. Damit stellt er zugleich die längste kontinuierliche Klimaaufzeichnung dar, die je aus Eiskernen gewonnen wurde.
Erste Ergebnisse bestätigen, dass die Erde während der letzten 740.000 Jahre acht Eiszeiten (Glaziale) erlebt hat, in denen das Klima erheblich kälter war als heute, und acht wärmere Perioden (Interglaziale). In den letzten 400.000 Jahren waren diese Perioden durch Temperaturen gekennzeichnet, die den heutigen Werten ähneln. Vor dieser Zeit war es in den warmen Perioden kälter als heute. Zugleich dauerten die Warmzeiten länger.
Aus dem Vergleich dieser charakteristischen Klimaänderungen in der Vergangenheit mit Daten zu den derzeitigen globalen Umweltbedingungen schließen die Wissenschaftler, dass die gegenwärtige Warmzeit ohne menschlichen Einfluss noch mindestens 15.000 Jahre andauern wird.
In einem nächsten Schritt werden die Wissenschaftler die Luft der Vergangenheit, die in winzigen Bläschen im Eis eingeschlossen ist, analysieren um herauszufinden, wie sich die Zusammensetzung der Atmosphäre verändert hat. Vorläufige Analysen zeigen, dass die gegenwärtige Konzentration von Kohlendioxid in der Atmosphäre den höchsten Wert der letzten 500.000 Jahre erreicht hat. Das Verständnis der Prozesse, die in der Vergangenheit zu Klimaänderungen geführt haben, hilft den Wissenschaftlern Vorhersagen für künftige Klimaänderungen zu verbessern.
Die Bohrung an Dome C ist ein Teil des European Project for Ice Coring in Antarctica (EPICA). Das Bohrteam arbeitete an Dome C bei Temperaturen bis unter -40 °C, in einer abgelegenen Region, die von der nächsten Forschungsstation über 1000 Kilometer entfernt liegt. Das EPICA-Konsortium wird die Bohrung Anfang Dezember 2004 fortsetzen und hofft, in der nächsten Bohrkampagne den Felsuntergrund zu erreichen. Lediglich 100 Meter sind noch zu bohren. – 100 Meter, die die Klimaaufzeichnungen noch weiter in die Vergangenheit verlängern werden: Wenn alles klappt, steht den Glaziologen für ihre Untersuchungen bald über 900.000 Jahre alte antarktisches Eis zur Verfügung.
EPICA Community Members, 2004, Eight glacial cycles from an Antarctic ice core. Nature 429.
Weitere Hintergrundinformationen:
Das Projekt EPICA (European Project for Ice Coring in Antarctica) wird von einem Konsortium aus zehn europäischen Ländern (Belgien, Dänemark, Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien, Niederlande, Norwegen, Schweden, Schweiz) durchgeführt. EPICA wird unter dem Dach der European Science Foundation (ESF) koordiniert und durch die beteiligten Länder und die Europäische Union finanziert.
Ziel von EPICA ist es, im Inlandeis der Antarktis zwei Eiskerne zu erbohren, die bis zum Felsuntergrund. Neben der Bohrung an Dome C (75° 06S, 123° 21E), wird auch an der Kohnen-Station in Dronning Maud Land (75°00S, 00°04O) eine Bohrung niedergebracht, die mittlerweile eine Tiefe von 2565 Metern erreicht hat. Deutscher Partner des Projektes EPICA ist das Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung in der Helmholtz-Gemeinschaft (AWI) in Bremerhaven. Es trägt die Verantwortung für die Bohrung in Dronning Maud Land. Darüber hinaus obliegt Prof. Heinz Miller, stellvertretender Direktor am AWI, die Gesamtkoordination des Projektes EPICA. Das Projekt EPICA ist eines der Kernprojekte im Rahmen des AWI-Forschungskonzeptes Meeres-, Küsten und Polarsysteme (MARCOPOLI), das im Forschungsbereich „Erde und Umwelt“ der Helmholtzgemeinschaft angesiedelt ist.
Eiskerne sind Eis-Zylinder mit einem Durchmesser von 10 Zentimetern, die im Bohrvorgang stückweise in Längen von bis zu 3 Metern gefördert werden. Dieses Eis geht letztlich zurück auf Schneeflocken, die in den letzten hunderttausenden von Jahren gefallen sind und dabei im Fallen Aerosolpartikel aus der Luft gesammelt haben. Aus den Schneeflocken entwickelten sich im Laufe der zeit Eiskristalle, die die zwischen ihnen gelegene Luft mitsamt kleinsten Schwebteilchen in Bläschen einschließen.
Aus der Analyse der chemischen Zusammensetzung und der physikalischen Eigenschaften des Eises und der darin eingeschlossenen Luft können die Wissenschaftler die Zusammenhänge zwischen Prozessen in der Atmosphäre und Klimaänderungen in der Vergangenheit studieren – Im Falle von Dome C reicht das eisige Klimaarchiv bisher über 740.000 Jahre in die Vergangenheit. Besonderes Augenmerk gilt dabei insbesondere den Effekten von Kohlendioxid, Methan und anderer Komponenten. Die Ergebnisse werden eingesetzt für bei der Überprüfung und Weiterentwicklung von Rechenmodellen, die zur Vorhersage künftiger Klimaentwicklungen verwendet werden.
Feldforschung in der Antarktis stellt große wissenschaftliche und logistische Anforderungen an Wissenschaftler und Techniker. Die Orte an denen im Rahmen von EPICA Eiskernbohrungen niedergebracht werden, gehören zu den abgelegensten und unwirtlichsten der Welt. Einen kleinen Eindruck liefert die folgende Übersicht:
Geographischer Name: Dome C
Stationsname: Concordia Station
Koordinaten: 75° 06 S, 123° 21 E
Höhe über Meer: 3233 m
Jahresmitteltemperatur: – 54.5°C
Mittlerer Niederschlag: 2.5 cm/Jahr
Eisdicke: 3309 ± 20 m
Geographischer Name: Dronning Maud Land
Stationsname: Kohnen Station
Koordinaten: 75° 00 S, 0° 04 E
Höhe über Meer: 2892 m
Jahresmitteltemperatur: – 44.6°C
Mittlerer Niederschlag: 6.4 cm/Jahr
Eisdicke: 2750 ± 50 m
Das Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) forscht in der Arktis, Antarktis und den Ozeanen der gemäßigten sowie hohen Breiten. Das AWI koordiniert die Polarforschung in Deutschland und stellt wichtige Infrastruktur wie den Forschungseisbrecher „Polarstern“ für die internationale Wissenschaft zur Verfügung. Das AWI ist eines der fünfzehn Forschungszentren der Helmholtz-Gemeinschaft, der größten Wissenschaftsorganisation Deutschlands.
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