Wirbel in der Tiefsee
Ein Forscherteam vom Kieler Leibniz-Institut für Meereswissenschaften hat in der Tiefsee vor dem südamerikanischen Kontinent erstmals große Wirbel entdeckt. Sie sind das ozeanische Pendant zu atmosphärischen Wirbelstürmen, doch wegen ihrer Tiefe für Menschen und Schiffe völlig ungefährlich. Die Wirbel könnten allerdings ein wichtiger und verhältnismäßig einfach messbarer Indikator für Klimaveränderungen sein
Sollte das atlantische Strömungssystem, zu dem auch der Golfstrom gehört, jemals seinen Betrieb einstellen, müssen wir uns ganz schön warm anziehen. Oder besser gleich ganz umziehen. So jedenfalls suggerierte es der Hollywood-Streifen „The Day after Tomorrow“, der in Europa und Nordamerika eine neue Eiszeit anbrechen ließ und damit den Atlantik als Klimamaschine ins Zentrum des öffentlichen Interesses rückte. Das Eiszeit-Szenario ist zwar ziemlich abwegig, doch kann das Strömungssystem durch die derzeitige globale Erderwärmung tatsächlich ausgebremst werden? Und wie kann man schon frühzeitig feststellen, ob es seinen Schwung verliert? Klima- und Meeresforscher beschäftigen sich schon lange mit diesen Fragen, die auf den zweiten Blick noch viel komplexer sind, als sie schon auf den ersten Blick erscheinen.
Der klimarelevante Teil des atlantischen Strömungssystems ist die meridionale Umwälzzirkulation. Sie beinhaltet sowohl den Transport von warmem Wasser in den oberen Bereichen des Atlantiks nach Norden als auch den Rückfluss von kaltem Tiefenwasser nach Süden. Das Tiefenwasser wird mit dem westlichen Tiefenrandstrom befördert, der dem Verlauf der amerikanischen Kontinentalabhänge folgt. Bislang wurde angenommen, dass der Tiefenrandstrom weitgehend ruhig und kontinuierlich dahin fließt. Wie Ozeanographen vom Kieler Leibniz-Institut für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR) jetzt in Nature* berichten, zerfällt die Strömung jedoch vor der Küste Brasiliens in riesige Wirbel, auch Eddies genannt. Sie entstehen regelmäßig etwa alle 60 Tage und ziehen den Kontinentalabhang entlang in Richtung Süden. „Zuerst waren wir von den starken Strömungsschwankungen überrascht“ erinnert sich Doktor Marcus Dengler vom IFM-GEOMAR, „doch dann konnten wir sie mit Hilfe von Simulationsmodellen als Wirbel identifizieren.“ Die Modelle zeigen außerdem, dass die Eddies nur dann entstehen können, wenn der Zustrom des Tiefenwassers aus dem Nordatlantik stark genug ist. Wäre er schwächer, würde eine nur einfache laminare Strömung ohne Wirbel auftreten. Die Eddies könnten aus diesem Grund ein wichtiger Indikator für Veränderungen der meriodionalen Umwälzzirkulation und damit auch des Golfstoms sein.
Vor vier Jahren verankerte das Forscherteam Strömungsmesser am Meeresboden südlich von Recife. Einmal im Jahr mussten die Geräte zur Datengewinnung geborgen werden, danach wurden sie wieder an der gleichen Stelle ausgesetzt. Die Messdaten zeigen, dass die Wirbel in 2000 Meter ihr Maximum haben, dort sind sie circa 300 Kilometer breit. Die ozeanischen Wirbelstürme sind wegen ihrer Tiefe für Menschen und Schiffe völlig ungefährlich und schleichen – im Gegensatz zu ihren atmosphärischen Kollegen – mit einer Geschwindigkeit von ungefähr 150 Metern pro Stunde südwärts. Das Tiefenwasser bleibt dabei in ihnen gefangen wie in einer Falle. Wie lange und bis wohin die Wirbel ihre Form behalten, ist bis jetzt noch unbekannt.
* M. Dengler, F. A. Schott, C. Eden, P. Brandt, J. Fischer & R. J. Zantopp, „Break-up of the Atlantic deep western boundary current into eddies at 8° S“ Nature 432
Kontakt:
Dr. Marcus Dengler, 0431 600-4107, mdengler@ifm-geomar.de
Uta Deinet, 0431 600-2501, udeinet@ifm-geomar.de
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