Bonner Wissenschaftler analysiert Flutkatastrophe
Noch immer ist das ganze Ausmaß der von einem Seebeben ausgelösten Flutkatastrophe im Indischen Ozean ungewiß – täglich steigen die amtlichen Zahlen der Opfer. Die verheerenden Folgen der als „Tsunami“ bekannten Riesenwellen haben laut Professor Dr. Richard Dikau vom Geographischen Institut der Universität Bonn vor allem zwei Ursachen: Es fehlten sowohl ein Frühwarnsystem als auch geeignete Gefahren- und Risikopläne für Katastrophenfälle.
„Im Gegensatz zum Pazifikraum, wo die Anrainer in Honolulu ein Meldezentrum für Seebeben und Flutwellen betreiben, gab es rund um den Indischen Ozean zum Zeitpunkt des Seebebens kein funktionierendes Kommunikations- und Frühwarnsystem“, stellt der Bonner Katastrophen-Forscher fest, der derzeit in einem Forschungsfreisemester an einem Buch über Naturkatastrophen und Katastrophenvorsorge arbeitet. Warnungen konnten so nicht rechtzeitig weitergegeben werden.
Noch schwerwiegender wirkte sich aber das zweite Versäumnis aus, sagt der Bonner Geograph: „Die Flutfolgen sind auch deshalb so verheerend, weil keinerlei Planungen und Vorkehrungen für den Fall einer Flutwelle getroffen worden waren.“ Die schlimmsten Folgen des Tsunami hätten vielleicht abgemildert werden können, wenn beizeiten so genannte Gefahrenzonen-Pläne erstellt worden wären, wie dies an der Westküste der USA bereits geschehen ist. Darin erfassen Gemeinden ähnlich wie die hiesigen hochwassergefährdeten Kommunen am Rhein und seinen Nebenflüssen, welche Gebiete bei einer Flutwelle einer gegebenen Höhe überflutet werden. Außerdem werden die Flucht- und Rettungswege für den Fall des Falles festgelegt. „So weiß jeder bescheid, wohin er laufen muß, wenn die Katastrophe eintritt“, erklärt der Bonner Forscher. Außerdem würden die Erkenntnisse bei der Stadtplanung berücksichtigt.
Daß sich eine vergleichbare Katastrophe in unsere Breiten ereigne, sei unwahrscheinlich, da hier kein zum südostasiatischen Raum vergleichbares Gefährungspozential bestehe: „Die Nordsee ist tektonisch gesehen eine relativ ruhige Zone.“ Auch der Atlantik ist trotz vulkanischer und tektonischer Aktivität nicht so aktiv wie der Pazifische und der Indische Ozean. „Während in Asien Kontinentalplatten miteinander kollidieren, driften sie im Atlantik auseinander.“ Aber auch im Atlantik sind in der Vergangenheit bereits Tsunamis aufgetreten. So konnten Wissenschaftler nachweisen, daß sowohl kollabierende Vulkanflanken z.B. auf Kanarischen Inseln, als auch unterseeische Erdrutsche an den Kontinentalrändern (zum Beispiel vor rund 7000 Jahren in Norwegen) Flutwellen solche auslösen können.
Auszuschließen seien Seebeben aber selbst in der Nordsee nicht: „Naturereignisse treten immer wieder mit einer gewissen statistische Wahrscheinlichkeit auf“, sagt Professor Dikau. „Ausschließen kann man sie daher nie.“
Katastrophen und wie man sich auf sie vorbereiten kann, sind ein Schwerpunkt der geographischen Forschung in Bonn. Im kommenden Jahr ist die Einrichtung eines eigenen Studiengangs für diesen Bereich geplant.
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