Mit "geologischer Uhr" das Erdalter neu berechnen

In den Geowissenschaften spielt die Zeit eine zentrale Rolle. Anders als im normalen Leben wird die Zeit in Größenordnungen von Millionen und Milliarden Jahren gemessen. Nur in solchen Zeitdimensionen kann man Fragen beantworten wie: Wie alt ist die Erde? Wann ist das Leben entstanden? Seit wann gibt es Meere und Kontinente? Den Geologen stehen für solche Zeitmessungen mehrere „Uhren“ zur Verfügung, die auf dem Zerfall von natürlich vorkommenden radioaktiven Isotopen beruhen. So zerfällt etwa das Isotop 238 Uran mit der Zeit zu dem stabilen Isotop 206 Blei oder das Isotop 176 Lutetium zum stabilen 176 Hafnium. Durch Messungen der Mengen von Uran und Blei oder Lutetium und Hafnium in einem Mineral oder Gestein kann auf diese Weise die Zeit festgestellt werden, die seit seiner Bildung vergangen ist. Jedes Mineral und Gestein enthält deswegen seine eigene innere „Uhr“ die bei der Bildung des Minerals oder Gesteins zu ticken beginnt.

Die Voraussetzung dafür, um die geologische Uhr richtig ablesen zu können ist eine genaue Kenntnis der Zerfallsgeschwindigkeit der radioaktiven Isotope. Diese Zerfallsrate, auch „Halbwertszeit“ genannt, muss zunächst kalibriert werden um radioaktive Zerfallsreihen auch für die geologische Zeitmessung einsetzen zu können. In der neuesten Ausgabe des international renommierten Wissenschaftsjournals „SCIENCE“ haben die Wissenschaftler Erik Scherer, Carsten Münker und Klaus Mezger vom Mineralogischen Institut der Universität Münster eine neue geologische Uhr, das „Lutetium-Hafnium- Isotopensystem“, kalibriert.

Dieses Isotopensystem wurde bereits in der Vergangenheit angewandt um das Alter von geologischem Materialien zu bestimmen, allerdings weiß man jetzt, dass die Zerfallsrate von Lutetium um mehr als vier Prozent falsch bestimmt war. Das sieht auf den ersten Blick nach nicht viel aus, führt aber plötzlich zur Erkenntnis, dass die ältesten Minerale der Erde aus Grönland und Australien von Kontinenten stammen, die fast so alt wie die Erde sind. Bereits 200 Millionen Jahre nach Entstehung der Erde vor 4.56 Milliarden Jahren muss es die ersten Kontinente gegeben haben. Dies ist erstaunlich, weil sowohl Erde als auch Mond vor etwa 4.56
bis 4.0 Milliarden Jahren von großen Meteoritenschauern bombardiert wurden, die wahrscheinlich jede feste Kruste und frühes Leben zerstört haben.

Diese Annahme muss nun nach Ansicht der Münsteraner Mineralogen zumindest teilweise revidiert werden: Die ältesten Kontinente der Erde haben das Meteoritenbombardement im frühen Sonnensystem überlebt. Somit könnte bereits zu dieser Zeit einfaches Leben auf der Erde existiert haben.

Media Contact

Norbert Frie idw

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Geowissenschaften

Die Geowissenschaften befassen sich grundlegend mit der Erde und spielen eine tragende Rolle für die Energieversorgung wie die allg. Rohstoffversorgung.

Zu den Geowissenschaften gesellen sich Fächer wie Geologie, Geographie, Geoinformatik, Paläontologie, Mineralogie, Petrographie, Kristallographie, Geophysik, Geodäsie, Glaziologie, Kartographie, Photogrammetrie, Meteorologie und Seismologie, Frühwarnsysteme, Erdbebenforschung und Polarforschung.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Spitzenforschung in der Bioprozesstechnik

Das IMC Krems University of Applied Sciences (IMC Krems) hat sich im Bereich Bioprocess Engineering (Bioprozess- oder Prozesstechnik) als Institution mit herausragender Expertise im Bereich Fermentationstechnologie etabliert. Unter der Leitung…

Datensammler am Meeresgrund

Neuer Messknoten vor Boknis Eck wurde heute installiert. In der Eckernförder Bucht, knapp zwei Kilometer vor der Küste, befindet sich eine der ältesten marinen Zeitserienstationen weltweit: Boknis Eck. Seit 1957…

Rotorblätter für Mega-Windkraftanlagen optimiert

Ein internationales Forschungsteam an der Fachhochschule (FH) Kiel hat die aerodynamischen Profile von Rotorblättern von Mega-Windkraftanlagen optimiert. Hierfür analysierte das Team den Übergangsbereich von Rotorblättern direkt an der Rotornabe, der…