Treibhausgase sollen in den Untergrund
RWTH-Forschungsprojekt untersucht die CO2-Speicherung untertage
An der RWTH Aachen beginnt jetzt ein Verbund von vier Instituten des Fachbereichs Georessourcen und Materialtechnik in Kooperation mit der TU Stuttgart und der Universität Bayreuth mit einem Projekt zur Untersuchung der CO2-Speicherung untertage. Das Vorhaben wird mit einem Umfang von rund 1 Million Euro vom Bundesforschungsministerium und den Industriepartnern RWE Dea und RWE Power für die Dauer von drei Jahren finanziert. In dieser Zeit werden die Wissenschaftler um Projektleiter Univ.-Prof. Dr. Christoph Clauser vom Lehr- und Forschungsgebiet Angewandte Geophysik eingehend analysieren, wie verlässlich das CO2 in unterirdischen geologischen Formationen sowie stillgelegten Kohlegruben gebunden werden kann.
Schon in der Schule lernen die Jugendlichen, dass Forscher seit Jahrzehnten weltweite Veränderungen des Klimas feststellen. Der beobachtete Anstieg der mittleren Temperaturen an der Erdoberfläche wird mit dem Anstieg der Konzentration von Kohlendioxid (CO2) in der Atmosphäre in Verbindung gebracht. Dieser wiederum wird auf die zunehmende Verbrennung fossiler Energieträger zurückgeführt. Aus diesem Grunde wur-den nationale und internationale umweltpolitische Maßnahmen wie etwa das Kioto-Protokoll zur Reduktion der Kohlendioxid Emissionen in die Atmosphäre beschlossen, um den Treibhauseffekt zu verringern. Die Abtrennung des CO2 zum Beispiel bei der Stromproduktion aus fossilen Brennstoffen und dessen Speicherung untertage könnte helfen, die umweltpolitischen Vorgaben zu erfüllen. Wie das CO2 aber ebenso wirtschaftlich vertretbar wie technisch machbar gebunden werden kann, beschäftigt in den nächsten Monaten intensiv die Wissenschaftler an der RWTH Aachen.
„Unsere Arbeit konzentriert sich auf drei Bereiche“, berichtet Privatdozent Dr. Michael Kühn, der das Projekt koordiniert. Das erste Tätigkeitsfeld sehen die Geowissenschaftler in der Untersuchung der Umwandlung der mineralischen Bindung von Kohlendioxid in Calcit. Gezielte Laborexperimente, durchgeführt vor allem am Lehr- und Forschungsge-biet für Ton- und Grenzflächenmineralogie von Univ.-Prof. Dr. Helge Stanjek, in Kombination mit numerischen Computersimulationen sollen klären: Wie viel gelöstes CO2 kann untertage verpresst und in Calcit umgewandelt werden? Wie viel davon können ausgewählte Gesteinsformationen aufnehmen? Die innovative Idee besteht hierbei insbesondere in der ökonomisch vielversprechenden Kombination der CO2-Speicherung mit geothermischer Energiegewinnung. Dazu Dr. Kühn: „Bei geothermischen Tiefboh-rungen ab 1500 Meter Teufe wird ein Wasserkreislauf eingerichtet, der die Wärme des Untergrunds über obertägige Wärmetauscher etwa für die Heizung von Gebäuden ver-fügbar macht. Wenn das erkaltete Wasser wieder in die Tiefe gepumpt wird, kann es mit CO2 angereichert werden.“ Da Kohlendioxid in Verbindung mit Wasser sauer reagiert, werden im unterirdischen Reservoir Verwitterungsreaktionen ablaufen, welche die Säure zumindest teilweise neutralisieren. Zusammen mit Calciumionen kristallisiert dann das Kohlendioxid dort unten dauerhaft zu Calcit. Vergleichbare Kalkablagerungen, wenngleich in kleinem Maßstab und durch andere Prozesse hervorgerufen, erfolgen zum Beispiel in der Kaffeemaschine. Die Studien werden begleitet von umfangreichen Erhebungen verfügbarer Industriedaten, mit deren Hilfe geeignete Zielstandorte ermittelt werden.
Im zweiten Projektbereich beschäftigen sich Univ.-Prof. Dr. Ralf Littke und seine Mitarbeiter vom Lehrstuhl für Geologie, Geochemie und Lagerstätten des Erdöls und der Kohle sowie Univ.-Prof. Dr. Rafig Azzam mit seinem Team vom Lehrstuhl für Ingenieurgeologie und Hydrogeologie mit der CO2-Speicherung in stillgelegten Kohlegruben. „Auf Grund seiner großen inneren Oberfläche kann Kohle sehr viel CO2 binden“, schildert Dr. Kühn. Einerseits prüfen die Wissenschaftler deshalb mit gezielten Laborexperi-menten, wie viel Kohlendioxid auf Kohlestäuben oder -schlämmen aus der Kohleaufbe-reitung gebunden werden kann. Die derart angereicherte Masse könnte dann in stillgelegten Stollen deponiert werden. Andererseits gehen die Wissenschaftler der Frage nach, in welchem Umfang und unter welchen Bedingungen das CO2 direkt untertage in verbliebener Restkohle im Gebirge zu binden ist. „Da dieser physikalische Prozess durch äußere Einflüsse auch umkehrbar ist, müssen wir dabei auch untersuchen, wie die stillgelegten Gruben auf einlaufendes Wasser reagieren und in welchen Mengen das CO2 wieder rückgelöst wird“, so Kühn.
Da die Verbringung des CO2 untertage auf mehrere tausend Jahre angelegt ist, konzentriert sich der dritte Arbeitsbereich auf die langfristige Reaktion der aufnehmenden Speicher. Inwiefern wird das Deckgebirge vom CO2 korrosiv angegriffen?, lautet die Frage, die man unter anderem durch numerische Simulation zu beantworten sucht. „Wir sind da sehr zuversichtlich“, meint Dr. Kühn, „da die heute aufgefundenen Erdgaslagerstätten über Jahrmillionen dicht geblieben sind.“ Bei der Untersuchung des Langzeiteffekts und der Dichtigkeit bringen die fünf Industriepartner ihr wichtiges Knowhow ein. RWE Dea AG, RWE Power AG, SaarEnergie GmbH, Deutsche Steinkohle AG und Deutsche Montan Technologie GmbH liefern dazu wertvolle Informationen, Daten und Probenmaterial.
„Wenn die Ergebnisse nach einem Jahr vielversprechend sind und das Projekt erfolgreich weiterläuft, denken wir im Anschluss an die drei Jahre Forschung an einen konkre-ten Pilotversuch in industrieller Größenordnung an zwei exemplarischen Standorten“, wünscht sich Dr. Michael Kühn eine Phase II des Projektes. In dieser Phase wird die Projektführung auf die Industriepartner bei weiter andauernder Unterstützung durch die beteiligten universitären Gruppen übergehen. Dieser kooperative und fachübergreifende Ansatz erlaubt es, mit wissenschaftlicher Expertise innovative Geotechnologien zu entwickeln, die unmittelbar in die unternehmerische Praxis einfließen. Das potenzielle Reservoir für die Speicherung von CO2 unter deutschen Landschaften ist riesig: Von den Kohlezechen und geothermischen Reservoiren könnten schätzungsweise 36 Gigaton-nen Kohlendioxid aufgenommen werden – dies entspricht dem 40fachen des deutschen CO2-Ausstoßes des Jahres 1999. Toni Wimmer
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Privatdozent Dr. Michael Kühn
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