Deutsch-russische Expedition in die Eiswüsten Nordsibiriens
Treibhausgase aus der Tundra?
Vom 3. Juli bis 3. September erforscht die deutsch-russische Expedition LENA 2005 unter Leitung von Wissenschaftlern des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung die Permafrostböden am Unterlauf des sibirischen Stroms Lena. Im Zentrum der Forschung stehen Messungen von Treibhausgasen (wie z. B. Methan) sowie die Entstehungsgeschichte des Flussdeltas und die Umweltentwicklung dieser arktischen Region. Bereits zum achten Mal forschen insgesamt 20 Wissenschaftler aus Potsdam, Hamburg, Moskau, Tiksi, Jakutsk und St. Petersburg im Sommer im größten arktischen Flussdelta, das mit ungefähr 32.000 Quadratkilometern Fläche in etwa die Größe der Niederlande hat.
Das Lenadelta umfasst viele für das arktische Sibirien typische Landschaftsformen und Ökosysteme und bietet damit hervorragende Voraussetzungen für die Wissenschaftler. Die wasser-, boden- und pflanzenkundliche Charakterisierung des Deltas ist ebenso ein Expeditionsschwerpunkt wie die Erfassung der spektralen Eigenschaften der Oberflächen mit einem neuen Geländespektrometer. Diese bisher unbekannten Daten sind Grundlage für die Interpretation von Satelliten-Fernerkundungsdaten aus arktischen Periglazialgebieten.
Die Fortführung langfristiger Messreihen zur Energie- und Wasserbilanz sowie zur Treibhausgasemission aus Permafrostlandschaften und die Analyse der am Kohlenstoffumsatz beteiligten mikrobiellen Lebensgemeinschaften in den Permafrostböden sind weitere Schwerpunkte der Expedition. Langzeitreihen liefern entscheidende Grundlagen für die Abschätzung des Potentials der Treibhausgase in arktischen Böden und ihrer Rolle im globalen Kohlenstoffhaushalt. „Rund ein Viertel der Festlandsoberfläche unserer Erde sind Permafrostgebiete“, sagt Professor Hans-Wolfgang Hubberten, Leiter der Forschungsstelle Potsdam des Alfred-Wegener-Instituts. „Ein Rückgang des Permafrostes als Folge der globalen Klimaveränderungen könnte katastrophale Folgen für die Ökologie und Ökonomie der betroffenen Regionen haben.“
Proben aus Eiskeilen und Gletschern ermöglichen die Rekonstruktion des Klimas der letzten 10.000 Jahre. Besonders die Eiskeile gewinnen als Klimaindikatoren immer mehr an Bedeutung. Dieses Eis entsteht aus Winterniederschlägen und bietet über die Verhältnisse von stabilen Sauerstoff- und Wasserstoffisotopen die Möglichkeit, Wintertemperaturen, Verdunstung und Niederschlagsquellen zu rekonstruieren. Mit Hilfe prähistorischer Daten können Klimaprognosen verbessert und die Auswirkungen aktueller Klimaveränderungen besser abgeschätzt werden. „Im frühen Holozän, vor 10.000 Jahren, war der sibirische Permafrost schon einmal weiträumig getaut und dieses führte zur Bildung zahlreicher Seen. Diese Thermokarstseen im küstennahen Hinterland spielten und spielen eine wichtige Rolle für die Küstendynamik Sibiriens“, meint Dr. Lutz Schirrmeister, Geologe an der Forschungsstelle Potsdam des Alfred-Wegener-Instituts.
Die diesjährige Lena-Expedition wird auf Basis der russisch-deutschen Kooperationsverträge zum Wissenschaftsaustausch und den Vereinbarungen über die Zusammenarbeit mit russischen Forschungsinstituten durchgeführt.
Das Alfred-Wegener-Institut forscht in der Arktis, Antarktis und den Ozeanen der gemäßigten sowie hohen Breiten. Es koordiniert die Polarforschung in Deutschland und stellt wichtige Infrastruktur wie den Forschungseisbrecher Polarstern und Stationen in der Arktis und Antarktis für die internationale Wissenschaft zur Verfügung. Das Alfred-Wegener-Institut ist eines der fünfzehn Forschungszentren der Helmholtz-Gemeinschaft, der größten Wissenschaftsorganisation Deutschlands.
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