Bonner entlocken Wolken ihre Geheimnisse

Klima- und Wettervorhersagemodelle berücksichtigen derzeit die Wolken und ihr Eigenleben nur in sehr rudimentärer Weise. Der Lebenszyklus von Wolken und ihr Einfluss auf Wetter und Klima sind noch nicht ausreichend verstanden; außerdem lassen sie sich nur durch eine ausgefeilte Messstrategie ihre Geheimnisse entlocken. Genau das versucht momentan Prof. Dr. Clemens Simmer vom Meteorologischen Institut der Universität Bonn. Im Rahmen des Verbundprojekts „4D-WOLKEN“, das vom BMBF mit etwa 4 Mio. DM gefördert wird, möchten Simmer und seine Mitarbeiter den Lebenszyklus von Wolken genau unter die Lupe nehmen.

In Cabauw in den Niederlanden wollen die Wissenschaftler der Frage nachgehen, in welchem Ausmaß Wolken die Sonnenstrahlung absorbieren, sich dabei erwärmen und so auch direkt die Atmosphäre aufheizen. Neuere Messungen scheinen zu zeigen, dass Wolken beträchtlich mehr Strahlung absorbieren als bislang angenommen. Hat dieser Effekt für die Wettervorhersage vermutlich nur geringe Auswirkungen, ist er für Klimamodelle von größter Bedeutung. Die Sonnenenergie würde gewissermaßen schon in der Atmosphäre „abgefangen“ und nicht – wie in den Modellen bislang angenommen – größtenteils erst am Boden in Wärmestrahlung umgesetzt. Niedrigere Boden-Temperaturen in den Modellberechnungen wären die Folge, damit würde wiederum weniger feuchtwarme Luft in die Atmosphäre aufsteigen und sich als Resultat weniger Wolken bilden.

Für ihre Messungen greifen die beteiligten Forscher auch auf ein High-Tech-Gerät zurück, das von Dr. Susanne Crewell vom Meteorologischen Institut zusammen mit der Firma Radiometer Physics in Meckenheim entwickelt wurde. Das „Mehrkanal-Mikrowellenradiometer“ liefert die derzeit genauesten Aussagen über den Flüssigwassergehalt von Wolken. Neben vielen anderen Fernerkundungsgeräten stehen den Wissenschaftlern drei Flugzeuge zur Verfügung, mit denen sie Zusammensetzung und Ausdehnung von Wolkenkomplexen vermessen können.

Die realitätsnahe Modellierung von Wolken ist überaus aufwändig. Ein weiteres Ziel ist daher, schnelle Rechenverfahren zu finden, die in den Klimamodellen eingesetzt werden können. Für den Erfolg kämpfen in Cabauw insgesamt etwa 25 Forschergruppen aus Deutschland, den Niederlanden, Frankreich, England, Schweden, Finnland, der Schweiz und Russland. Auch für die Lehre am Meteorologischen Institut wird das Experiment übrigens einen Beitrag liefern: Die Studierenden im Fortgeschrittenenpraktikum werden während der ersten zwei Septemberwochen vor Ort Standardmessverfahren der Meteorologie üben und in die modernste Technik der Wolkenvermessung eingeführt werden.


Weitere Informationen: Prof. Dr. Clemens Simmer, Meteorologisches Institut der Universität Bonn, Tel.: 0228/73-5181 oder -5181, Fax: 0228/73-5188, E-Mail: csimmer@uni-bonn.de

Media Contact

Frank Luerweg idw

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Geowissenschaften

Die Geowissenschaften befassen sich grundlegend mit der Erde und spielen eine tragende Rolle für die Energieversorgung wie die allg. Rohstoffversorgung.

Zu den Geowissenschaften gesellen sich Fächer wie Geologie, Geographie, Geoinformatik, Paläontologie, Mineralogie, Petrographie, Kristallographie, Geophysik, Geodäsie, Glaziologie, Kartographie, Photogrammetrie, Meteorologie und Seismologie, Frühwarnsysteme, Erdbebenforschung und Polarforschung.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Lange angestrebte Messung des exotischen Betazerfalls in Thallium

… hilft bei Zeitskalenbestimmung der Sonnenentstehung. Wie lange hat eigentlich die Bildung unserer Sonne in ihrer stellaren Kinderstube gedauert? Eine internationale Kollaboration von Wissenschaftler*innen ist einer Antwort nun nähergekommen. Ihnen…

Soft Robotics: Keramik mit Feingefühl

Roboter, die Berührungen spüren und Temperaturunterschiede wahrnehmen? Ein unerwartetes Material macht das möglich. Im Empa-Labor für Hochleistungskeramik entwickeln Forschende weiche und intelligente Sensormaterialien auf der Basis von Keramik-Partikeln. Beim Wort…

Klimawandel bedroht wichtige Planktongruppen im Meer

Erwärmung und Versauerung der Ozeane stören die marinen Ökosysteme. Planktische Foraminiferen sind winzige Meeresorganismen und von zentraler Bedeutung für den Kohlenstoffkreislauf der Ozeane. Eine aktuelle Studie des Forschungszentrums CEREGE in…