Mit High Tech in die Steinzeit

Studierende der Hochschule Karlsruhe – Technik und Wirtschaft scannen 12.000 Jahre alte Steinstelen für eine Ausstellung im Badischen Landesmuseum


Im Team von Dr. Klaus Schmidt vom Deutschen Archäologischen Institut in Berlin trafen im September 2005 mit Christian Bühler und Theo Kesapidis auch zwei Studierende der Hochschule Karlsruhe – Technik und Wirtschaft in der Stadt ?anliurfa im Südosten der Türkei ein. Von dort aus war es noch ein beschwerlicher Weg, bis der Grabungsplatz am Berg des „Göbekli Tepe“ erreicht war – ein Ort, der unter Fachleuten als eine der interessantesten archäologischen Entdeckungen der letzten Jahre gilt.

„Dies ist keine Siedlung, sondern ein Platz für Tempel, so gewaltig,“ betont Dr. Klaus Schmidt, „dass er nur in vielen Kampagnen ausgegraben werden kann.“ Es geht aber nicht nur um das enorme Alter der Fundstätte von 8.000 bis 12.000 Jahren. Es scheint auch ein Ort zu sein, der für die Steinzeitmenschen von besonderer Bedeutung war. In unseren Breiten war gerade die letzte Eiszeit beendet, die berühmten Steinkreise von Stonehenge wurden Jahrtausende später erbaut und auch die Keramik wurde erst vor 7.000 Jahren erfunden.

Die Gegend zwischen Euphrat und Tigris gilt als eine Wiege der Menschheit. Als Jäger und Sammler vollzog sich hier der erste Wandel zu Nahrung produzierender Lebensweise, Ackerbau wurde schon betrieben, aber noch keine Tierzucht. Der Landstrich ist auch Nahtstelle zwischen zwei großen Kulturlandschaften, nach Süden breitet sich der arabische Raum zunächst mit der Harran-Ebene aus, nördlich beginnt das anatolische Hochland.

Der Tempelplatz selbst weist einige Besonderheiten auf: „Die bisher freigelegten Anlagen sind jeweils kranzförmig angelegt und werden von zwei sehr großen und mehreren kleinen megalithischen Pfeilern begrenzt“, so Dr. Klaus Schmidt, „in ihrer Zahl und mit einer Höhe von bis zu fünf Metern waren solche Pfeiler bisher unbekannt.“ Eine ganze Reihe von T-Pfeilern mit breitem Kopf und schlankerem Schaft, die eine Menschengestalt nachahmen, hat Klaus Schmidts Team bereits ans Licht gebracht. „Sie sind mit Tierreliefs verziert“, so der Archäologe, „sie stellen also Tiere als Begleiter von Menschen dar. Jeder Pfeiler ist ein Individuum mit unterschiedlichen Tierkombinationen, wobei am häufigsten Schlangen, Füchse, Wildschweine, Vögel und Stiere abgebildet sind.“

Noch hat der „Göbekli Tepe“ viele Geheimnisse nicht preisgegeben. Wer waren die Erbauer? Welchem Zweck diente dieser Ort genau?

Zahlreiche Fundstücke geben wertvolle Hinweise auf das Leben der Menschen im steinzeitlichen Anatolien. In diesem Zusammenhang plant das Badische Landesmuseum Karlsruhe die große Landesausstellung des Landes Baden-Württemberg 2007 unter dem Titel „Anatolien vor 12.000 Jahren – die ältesten Monumente der Menschheit“. „Neben Fundstücken vom Göbekli Tepe werden dabei auch Exponate von rund 25 weiteren Fundplätzen aus der Türkei zu sehen sein und Einblick in die Verhältnisse und Lebensumstände der Steinzeitmenschen ermöglichen“, so Dr. Clemens Lichter, Koordinator des BLM an der Ausgrabungsstätte. „Bei dieser Ausstellung werden wir den Besuchern neben Originalfunden auch anschauliche Siedlungsmodelle und millimetergenaue Kopien der monumentalen Stelen des Göbekli Tepe präsentieren“.

Dies wird möglich durch die Diplomarbeiten von Christian Bühler und Theo Kesapidis an der Fakultät für Geoinformationswesen der Hochschule Karlsruhe – Technik und Wirtschaft. Sie haben zur Aufgabe, die Stelen für die Ausstellung dreidimensional zu scannen und die Bilder auszuwerten. Die bereits ausgegrabenen Pfeiler bzw. Stelen stehen in fünf Metern Tiefe, wo die beiden Studierenden einen hochpräzisen 3D-Scanner zum Einsatz brachten. Dieser arbeitet im so genannten Lichtschnittverfahren, das heißt es wird eine Linie projiziert, die mit einem zweiten Objektiv erfasst und ausgewertet wird, wodurch viele tausend Bildpunkte erzeugt werden. Solche Scanner ermöglichen in sehr kurzer Zeit eine Vielzahl an Messungen. Auch komplizierte Objekte lassen sich dreidimensional und berührungslos vermessen – eine Grundvoraussetzung für die Arbeiten am „Göbekli Tepe“, um die Stelen in keiner Weise zu beschädigen.

Dieses hochpräzise Gerät kann jedoch nur kleine Flächen scannen; andere Scanner könnten ganze Seiten einer Stele erfassen, liefern aber nicht die notwendige Präzision. Die beiden Studierenden nahmen daher viele kleine, sich überlappende Teilbereiche aller Seiten auf, die sie später am Rechner wieder geometrisch exakt zusammenfügen.
Christian Bühler und Theo Kesapidis sind mit über 60 GigaByte an Daten inzwischen an die Hochschule zurückgekehrt. Im Labor werden sie in den nächsten Wochen die vielen Teilstücke zu kompletten Modellen zusammenfügen und optimieren. Erst dann kann das 3D-Modell an eine Fräsmaschine übergeben werden, um die Kopie der Stele dreidimensional entstehen zu lassen.

Prof. Dr.-Ing. Tilman Müller, Dekan der Fakultät Geoinformationswesen an der Hochschule Karlsruhe, war persönlich als fachlicher Betreuer einige Tage mit vor Ort am „Göbekli Tepe“. „Vor knapp einem Jahr“, erläutert der Dekan, „konnten wir ein neues Labor an der Hochschule einrichten, um diese moderne Technologie unseren Studierenden näher zu bringen.“ So lautet auch die Motivation für die Studierenden: „Wir wollten uns mit dieser zukunftsweisenden Technologie intensiv auseinandersetzen“, so Christian Bühler und Theo Kesapidis ergänzt: „Wir brauchten nicht lange zu überlegen, als wir von dem Projekt hörten. Wir waren auch schon an einem anderen Auslandsprojekt beteiligt und trotz Hitze ist es schon ein besonderes Erlebnis, an einem solchen Ort mitzuarbeiten.“

Für die beiden Studierenden ist die Aufgabe am „Göbekli Tepe“ und damit ihr Ausflug in die Steinzeit beendet. Die Archäologen werden in den nächsten Jahren wiederkommen und versuchen, die Geheimnisse dieser uralten Tempelanlagen zu lüften.

„Die Abschlussarbeiten der beiden Studierenden verdeutlichen uns einmal mehr“, so Rektor Prof. Dr. Karl-Heinz Meisel, „ein ’Markenzeichen’ unserer Lehre: die ausgeprägte Praxisorientierung unserer Hochschulausbildung. Für die Studierenden ist diese Erfahrung umso einprägsamer, wenn sie an einem derart bedeutenden Projekt beteiligt werden.“

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Holger Gust M.A. idw

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