Meilensteine der arktischen Klimaforschung
In der am Donnerstag, 1. Juni, erscheinenden Ausgabe der Zeitschrift „nature“ präsentieren gleich drei wissenschaftliche Artikel Ergebnisse der Arktischen Bohrexpedition 2004. Die Beiträge erhellen die Klimageschichte des Nordpolarbeckens, in dem vor 55 Millionen Jahren subtropische Temperaturen herrschten. Zehn Millionen Jahre später hatte sich das Klima grundlegend gewandelt. Den Untersuchungen des internationalen Forscherteams zufolge setzte die Vereisung des Nordpolarmeers vor etwa 45 Millionen Jahren ein – deutlich früher als bislang vermutet. Die Expedition war der erste europäische Beitrag im Rahmen des Integrierten Ozeanbohrprogramms (IODP).
Im August 2004 hatten drei Eisbrecher vom norwegischen Tromsö aus Kurs auf den Nordpol genommen. Bis Anfang September erbohrte das Forscherteam in Meerestiefen von bis zu 1.300 Metern Sedimentkerne mit einer Gesamtlänge von 340 Metern am Grund des Arktischen Ozeans. Zwei Monate später nahmen 33 Wissenschaftler aus elf Ländern die Meeresablagerungen im IODP-Bohrkernlager an der Universität Bremen erstmals genauer unter die Lupe. Weitere Analysen fanden in den Heimatlabors der Klimaforscher statt.
Die Untersuchungen belegen die sehr wechselhafte Klimageschichte der Nordpolarregion und fördern zugleich eine ganze Serie neuer Erkenntnissen zutage: „Vor etwa 55 Millionen Jahren war der Arktische Ozean komplett eisfrei. Es herrschte subtropisches Klima mit Wassertemperaturen von bis zu 23 Grad Celsius“, sagt Expeditionsmitglied Dr. Jens Matthiessen vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung Bremerhaven. Diese Temperaturen liegen damit mehr als 10° bis 15°C höher als bislang durch Klimamodelle für diesen Zeitraum errechnet worden war. Sechs Millionen Jahre später wuchsen etwa 800.000 Jahre lang Wasserfarne an der Oberfläche des Polarmeers. „In unseren Bohrkernen haben wir Überreste dieses Süßwasserfarns gefunden. Sie deuten darauf hin, dass damals eine Süßwasserschicht den polaren Ozean bedeckte“, ergänzt Expeditionsteilnehmer Prof. Rüdiger Stein vom Alfred-Wegener-Institut. „Möglicherweise war das Nordpolarmeer damals vom Restozean abgeschlossen, so dass das Oberflächenwasser aussüsste und sich der Farn ausbreiten konnte.“
Weitere vier Millionen Jahre später war es in der Arktis weiter bereits deutlich kühler. „Wir haben in den Sedimenten ein Anzeichen dafür gefunden, dass Teile des Arktischen Ozeans vor etwa 45 Millionen Jahren erstmals von Meereis bedeckt waren. Das ist deutlich früher als bislang angenommen“, meint Dr. Jens Matthiessen. Die Bohrkerne belegen außerdem, dass das Polarmeer während der letzten etwa 15 Millionen Jahre permanent eisbedeckt war.
Die Arktische Bohrexpedition stellte die erste europäische Expedition im Rahmen des Integrierten Ozean Bohrprogramms (Integrated Ocean Drilling Program, IODP) dar, an dem u.a. auch Japan und die Vereinigten Staaten beteiligt sind. Sie wurde vom Europäischen Konsortium für wissenschaftliche Meeresbohrungen (European Consortium for Ocean Research Drilling = ECORD) geplant und durchgeführt. Dem ECORD gehören 16 europäische Nationen sowie Kanada an. Das Bohrkernlager an der Universität Bremen ist eins von drei IODP-Lagern weltweit. Dort sind derzeit gut 85 Kilometer Meeressedimente vor allem aus Atlantik, Mittelmeer und Karibik archiviert.
Ansprechpartner:
Prof. Dr. Rüdiger Stein, Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung
Tel.: 0471/4831-1576
Email: estein@awi-bremerhaven.de
Dr. Ursula Röhl
IODP-Bohrkernlager, Universität Bremen
Tel. 0421/218-65560
Email: uroehl@uni-bremen.de
Vermittlung von Interviews/Bildmaterial:
Albert Gerdes
DFG-Forschungszentrum Ozeanränder
an der Universität Bremen
Tel.: +49 – 421 – 218 – 65540
+49 – 172 – 43 77 986 (mobil)
Email: agerdes@marum.de
Dr. Angelika Dummermuth
Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung
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Tel.: 0471/4831 1680
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