Geowissenschaftler Prof. Dr. Wörner zum Vulkanausbruch im Kongo

Seit Donnerstag vergangener Woche sind 300 000 Menschen auf der Flucht vor den Lavaströmen des Nyiragongo. Der Vulkan im Dreieck zwischen der Demokratischen Republik Kongo, Ruanda und Uganda gehört zu den gefährlichsten Afrikas. 1977 starben bei einem Ausbruch 2000 Menschen. Erst im März 2001 hatte ein weiterer Ausbruch Tausende Menschen aus ihren Dörfern vertrieben. Der Geowissenschaftler Prof. Gerhard Wörner, Geochemiker am Geowissenschaftlichen Zentrum Göttingen (GZG), hat bei Forschungsarbeiten im Frühjahr 1980 den Ausbruch des Mt. St. Helena selbst miterlebt.

Frage: Herr Prof. Wörner, drohen noch weitere Ausbrüche?

Das ist möglich. Ich würde die Erdbebentätigkeit sehr genau beobachten. Die Lava, die am Nyiragongo ausgeflossen ist, stammt vermutlich aus über 80 km Tiefe. Beim Aufstieg brechen große Risse und Spalten in der Erde auf, was zu Erdbeben führt. Wenn jetzt weitere Lava aus der Tiefe kommt, würden sich diese Erdbeben fortsetzen. Wenn sich aber die Erdbebentätigkeit reduziert, dann kann es gut sein, dass es für ein oder zwei Jahrzehnte wieder ruhig sein kann.

Frage: Als der Nyiragongo 1977 ausbrach, wurden 2000 Menschen von der Lava begraben. Jetzt sind einige hundert Todesopfer zu beklagen. Ein Hinweis darauf, dass die Frühwarnsysteme besser funktionieren?

Nein, das liegt wohl eher daran, dass die Lava diesmal einen anderen Weg genommen hat. Man könnte die Morphologie des Vukans und des Umlandes genau kartieren und mit Hilfe von Computersystemen den Lavafluß sehr genau simulieren. Im Falle des Nyiragongo kenne ich aber keine Studien dieser Art.
Wenn der Vulkan bei München stünde, dann gäbe es diese Studien schon längst. Doch in Drittweltländern wird der menschliche und wirtschaftliche Schaden nicht so hoch bewertet, als dass man da große Forschungsprogramme machen würde. Dazu kommen die schwierigen Forschungsbedingungen im Bürgerkriegsgebiet zwischen Kongo und Ruanda. Der Nyiragongo ist als sogenannter „Hochrisiko-Vulkan“ bekannt, weltweit haben jedoch in den letzten 15 Jahren nur etwa zehn oder zwanzig Vulkanologen direkt am Nyiragongo geforscht.

Frage: Wie sehen die langfristigen Folgen für die Landschaft und die Bevölkerung aus?

Es ist eine weitverbreitete Annahme, dass Vulkaneruptionen Regionen fruchtbar werden lassen. Tatsächlich kann ein leichter Ascheschleier schon nach kurzer Zeit eine positive Wirkung haben, falls an den Aschepartikeln keine giftigen Stoffe wie Chlorsalze anhaften.
Beim Nyiragongo gibt es aber keine Asche, sondern splittriges Gestein, das auf Straßen und Feldern liegt. Bis sich darauf wieder ein fruchtbarer Ackerboden bildet, werden noch zwei oder dreitausend Jahre vergehen. Erste Pflänzchen oder Flechten wird es aber schon sehr bald geben.

Frage: Was können wir aus solchen Ausbrüchen lernen?

Unsere Vorstellung konzentriert sich in der Regel auf zwei Gefahren, die von Vulkanen ausgehen: Die riesigen Aschemengen und deren anschließende Verteilung weit über die Landschaft, in Schichten von manchmal weit über zehn oder zwanzig Zentimetern Höhe. Beim nächsten Regen oder bei einer Gletscherschmelze kann es zu gefährlichen Schlammströmen wie am Nevado del Ruiz in Kolumbien kommen. Dort starben alleine durch Schlammströme vor einigen Jahren 22 000 Menschen. Der Nyiragongo lehrt uns nun, dass Menschen durch eine große Eruption auch zwischen Lavaströmen eingeschlossen werden können – eine Gefahr, an die wir in der Regel nicht denken.

Frage: Im Falle des aktuellen Ausbruchs fließt die Lava bis zu 80 km/h schnell. Warum ist Lava bei manchen Vulkanen so schnell, manchmal aber auch zähflüssig und bisweilen außerdem explosiv?

Der Nyiragongo befindet sich in der Mitte eines Kontinentes in einer Grabenbruchzone, in der der Kontinent auseinander reißt. Deshalb enthält diese Lava wenig Wasserdampf, der Lava explosiv werden lässt. Daher sieht man über dem Nyiragongo keine Explosionssäule – ganz anders als bei den pazifischen Vulkanen. Dafür enthält die Lava des Nyiragongo einen hohen Anteil an Elementen wie Natrium und Kalium, die sie etwa so dünnflüssig machen wie heißen Honig. Gase können darin keinen Schaum bilden, der verhärtet und zerplatzt, sondern blubbern einfach heraus. Deshalb produziert der Nyiragongo nur wenig feinverteilte Asche. Seine dünnflüssige Lava kann aber, wenn sie einen steilen Hang hinab fließt, mehrere Dutzend Stundenkilometer schnell fließen.

2002 ist das „Jahr der Geowissenschaften“. Ziel ist es, das Spektrum der geowissenschaftlichen Forschung transparenter zu machen, einen lebendigen Dialog zwischen Wissenschaftlern und der Öffentlichkeit anzuregen und zu fördern. Das „Jahr der Geowissenschaften“ geht ebenso wie das „Jahr der Physik“ 2000 und das „Jahr der Lebenswissenschaften“ 2001 auf die Initiative „Wissenschaft im Dialog“ zurück, die von Bundesministerin Bulmahn, dem Stifterverband und den großen Forschungsorganisationen 1999 ins Leben gerufen wurde.

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Lutz Peschke idw

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