Saubere Energie aus 4600 Metern Tiefe.

Bund bewilligt 6,5 Mio. für Bad Uracher Forschungsprojekt

Einladung zur Presse-Konferenz

Bad Urach schlägt ein neues Kapitel in der Entwicklung geothermischer Kraftwerke auf. Im Rahmen des Zukunfts-Investitions-Programms stellt der Bundesumweltminister 6,5 Mio. Euro für die Entwicklung eines Hot-Dry-Rock-Pilotkraftwerkes zur Verfügung.

In diesen Tagen beginnen die ersten Testarbeiten, an denen übrigens auch die Spezialisten des Bad Uracher Unternehmens Uraca beteiligt sind. Aus diesem Anlass findet ein

Pressegespräch am Freitag, 26. April 2002, 09.45 Uhr im Großen Sitzungssaal des Bad Uracher Rathauses

statt.

Bad Urach ist seit vielen Jahren in die internationalen Entwicklungsarbeiten der Hot-Dry-Rock – (HDR) – Technologie involviert. Nun geht die Stadt daran Deutschlands erstes HDR-Kraftwerk zu errichten. Vorbereitet und begleitet wird dieses ambitionierte und weltweit beachtete Vorhaben durch ein umfangreiches wissenschaftliches Untersuchungs- und Testprogramm, aus dem auch wesentliche Erkenntnisse für die weitere Entwicklung solcher High-Tech-Anlagen gewonnen werden können. Unterstützung zur Realisierung ihres Projektes hat sich die Stadt aus vielen Richtungen geholt.

Neben der Erdwärmeforschung der Bad Uracher Stadtwerke sind an dem Vorhaben als Industriepartner beteiligt:
REPower Systems AG, Hamburg ist ein Windenergieanlagenhersteller und -entwickler, der im April seinen Börsengang mit außerordentlichem Erfolg abschließen konnte und den Einstieg in weitere Felder der regenerativen Engergien verfolgt sowie die EnBW, Karlsruhe als großes Energieversorgungsunternehmen mit Schwerpunkt in Baden-Württemberg. Wissenschaftlich begleitet werden die Uracher Akteure durch
das Göttinger Zentrum für Geowissenschaften, einer Einrichtung der dortigen Universität sowie durch die Universitäten Jena und Tübingen.
Ihr fachliches Know-how steuern u. a. die Q-CON, Kapellen und GeoTec Consult, Markt Schwaben bei.

Wenn Sie an der Pressekonferenz teilnehmen möchten melden Sie sich bitte an
unter Geothermie-SWBU@t-online.de

Die Pressematerialien finden Sie ab dem 26.04 02 im Internetportal der Geothermal Networks bei www.geothermie.de / Projekthomepages / Bad Urach

Zum Projekt

Es war ein alter Traum der Wissenschaftler weltweit, die unerschöpfliche und überall vorhandene Energiequelle aus der Tiefe auch dort nutzen zu können, wo es keine unterirdischen Dampf- oder Heißwasserlagerstätten gibt. Diese kommen nur in vulkanisch gebundenen Regionen der Erde vor. Und diese wiederum gibt es – zum Glück – nicht überall. Die intensiven internationalen Forschungsanstrengungen sollen nun in reale Kraftwerksprojekte umgesetzt werden. Dass Bad Urach nun bei dieser Entwicklung die Nase vorn hat, hat seine drei guten Gründe: Know-how, Pioniergeist und langer Atem

Die Stadt Bad Urach gehört zu den Pionieren geothermischer Energiegewinnung in Deutschland. 1971 wurde am Ort eine Thermalwasserquelle erschlossen, die zu balneologischen und zu Zwecken der Wärmenutzung dient. Schon seit 1975 werden auf dem Gebiet der Stadt Untersuchungen zu Nutzung der Erdwärme nach dem Hot-Dry-Rock-Verfahren durchgeführt. Man war also praktisch von Anfang an dabei.

Seit 1986 beteiligen sich die Stadtwerke Bad Urach als Teil der deutschen wissenschaftlichen Arbeitsgruppen aktiv und intensiv am Europäischen Hot-Dry-Rock-(HDR)-Programm im elsässischen Soultz-sous-Forêts. 1992 wurden dabei in einer dritten Vertiefungsphase der Bohrung Urach 3 in 4.445 m Tiefe eine Gesteinstemperatur von 170 °C erreicht. Diesem europäischen Forschungsverbund zur Erdwärmegewinnung aus heißen Tiefengesteinen gelangen dann in einer Phase von Mitte bis Ende der 90er Jahre die weltweit beachteten technologischen Durchbrüche. Nun besteht die Chance, praktisch überall den regenerativen Energieträgern eine neue, grundlastfähige Kraftwerkstechnologie hinzuzufügen: Die Erdwärme nimmt aufgrund ihrer bedarfsgerechten sowie klima- und witterungsunabhängigen Verfügbarkeit unter den Erneuerbaren eine besondere Position ein. Neben den sonnengebundenen erneuerbaren Energien steht ein ebenso großes terrestrisch gebundenes Potential zur Energienutzung bereit steht. Knapp 9.000 MWel sind derzeit weltweit in geothermischen Kraftwerken installiert. Die Jahresarbeitsstunden liegen bei ca. 8000 Stunden.

Der genannte baden-württemberger Wärmepool stellt eine sogenannte geothermische Anomalie dar. Normalerweise erhöht sich die Temperatur je 100 m Tiefe um 3°C. Im Untergrund des Oberrheingrabens und unterhalb Urachs steigt die Temperatur schneller an. In Bad Urach sind es in den oberen 300 bis 400 Metern fast 11°C pro 100 m. Darunter beträgt die Temperaturzunahme nur noch ca. 4 °C/100 m. Ab etwa 1600 m Tiefe, dem Beginn des (kristallinen) Urgesteins ist die Temperaturzunahme dann wieder normal und liegt bei ca. 3 °C/100m.

Die Ursache dieser Anomalie ist noch nicht endgültig geklärt. Vermutlich spielen aber die Risse und Klüfte des etwa 14 Mio. Jahre alten Vulkanschlotes des Urach-Kirchheimer-Vulkangebietes als Aufstiegszonen für die Hitze eine wichtige Rolle.

In Mitteleuropa erschien eine geothermische Stromproduktion bislang nicht möglich. Es fehlen dafür die Dampflagerstätten. Durch die Erfolge beim Europäischen HDR-Projekt änderte sich diese Situation jedoch entscheidend. Die jüngsten Testreihen belegen die grundsätzliche Einsatzreife des HDR-Verfahrens – Strom und Wärme aus heißem Gestein unabhängig von Vulkangebieten und Heißdampfvorkommen zu gewinnen. In einer Tiefe von bis zu 4000 m wurde ein untertägiger Wärmetauscher geschaffen und 140 °C heißes Wasser zwischen zwei 450 m entfernten Bohrungen über einen langen Zeitraum zirkuliert. Ob in 4000 oder in über 5000 m Tiefe mit ihren fast 200° C: die Voraussetzungen sind geschaffen die Klüfte und Risse tief im Innern der Erde kontrolliert für eine umweltfreundliche Stromproduktion zu nutzen.

Auf der Basis von HDR-Kraftwerken, errichtet in Einheiten zwischen 10 und 50 MW installierter Leistung, könnten nach Berechnungen bezogen auf 1/3 der Fläche Deutschlands mindestens 125 Terawattstunden (TWh) Strom erzeugt und damit rund ein Viertel des elektrischen Endenergieverbrauches in Deutschland zuverlässig, umweltfreundlich und ohne Gefährdung für Menschen, Umwelt und Klima gedeckt werden. Es gibt sogar Abschätzungen, die von weitaus höheren Werten ausgehen. So liegt allein unter Teilen von Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, vor allem im Oberrheintal, vermutlich ein Wärmepool, der so groß ist, dass damit 1/3 des Strombedarfs in Deutschland gedeckt werden könnte. Die Stromgestehungskosten für eine Pilotanlage entsprechen etwa denen moderner Windenergieanlagen an Binnenlandstandorten.

Im Rahmen einer modifizierten Energiepolitik, der Stärkung der Position erneuerbarer Energieträger und der im Umfeld der aktuellen Energie- und Klimaschutzdiskussion durch die Bundesrepublik und die Europäische Union eingegangenen internationalen Verpflichtungen, kann die HDR-Technologie daher einen interessanten und effektiven Beitrag leisten.

Ziel der HDR-Forschung und Basis für eine breite Markteinführung des Systems ist es, geothermische Stromerzeugung unter nahezu allen geologischen Bedingungen, grundsätzlich, möglich zu machen. Der Europäische Forschungsstandort in Soultz soll vornehmlich wissenschaftlichen Aufgaben vorbehalten bleiben, an dem u. a. auch der optimale Einsatz und die Weiterentwicklung von Kraftwerkstechnologien getestet werden kann und muss. Eine wissenschaftliche Pilotanlage ist derzeit in Vorbereitung. Eine zweite 5000 m tiefe Bohrung wird demnächst niedergebracht. Zur einer weiteren Verbreitung der Technologie ist es aber unabdingbar, die in Soultz erreichten Ergebnisse an andere Standorte zu übertragen. Bad Urach bietet sich dafür wegen des hier vorhanden enormen Know-hows und dem bestens erkundeten Untergrund geradezu an.

Weitere Informationen zu allen Bereichen der Geothermie finden Sie, ständig aktualisiert, auf der Homepage der Geothermischen Vereinigung www.geothermie.de. Sie können sich in den Verteiler unseres Email-Newsletters geothermie.de aufnehmen lassen, das Sie normalerweise wöchentlich in Schlagzeilen kurz über die aktuellen Themen der Homepage und über aktuelle Entwicklungen aus der Geothermie informiert.

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Werner Bussmann idw

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