Der Versteppung vorbeugen
Forscher vom Institut für Ökologie, Evolution und Diversität der Goethe-Universität suchen im „South Hesse Oak Project“ (SHOP) nach Strategien, um einer Versteppung des Waldes entgegenzuwirken, die als Folge des Klimawandels zu befürchten ist. Nun stellen sie erste strategische Empfehlungen vor.
Die Sommer in Mitteleuropa werden wärmer, die sommerlichen Niederschläge weniger und die Dürreperioden länger und häufiger. Der Klimawandel verändert das Wetter und beeinflusst damit die Wälder. Wo derzeit noch eine gute Wasserversorgung besteht, wird der Klimawandel mittelfristig, so hofft man, nur zu einer moderaten Veränderung in der Artenzusammensetzung führen, hin zu Arten, die mit der Trockenheit besser zurechtkommen. Wälder, die allerdings bereits heute auf Extremstandorten mit schlechter Wasserversorgung wachsen – wie große Teile des Frankfurter Stadtwaldes, in dem durch die Dürren der Jahre 2018/19 insgesamt 97 Prozent aller Bäume geschädigt sind –, werden zukünftige Dürreperioden nicht unbeschadet überstehen. Deshalb untersuchen Forscher vom Institut für Ökologie, Evolution und Diversität der Goethe-Universität im „South Hesse Oak Project“ (SHOP), welche Strategien einer Versteppung entgegenwirken, um so den Wald als Habitat mit reicher Biodiversität und als CO2-Speicher trotz des voranschreitenden Klimawandels zu erhalten.
Nun stellen sie erste strategische Empfehlungen vor:
• Moderat betroffene Standorte mit zukünftig immer noch guter Wasserversorgung sind prinzipiell in der Lage, über natürliche Regeneration des Bestandes, klimatische Selektion der Individuen und eine Anpassung der Artenzusammensetzung dem Klimawandel ohne anthropogenes Zutun zu trotzen.
• Für mäßig betroffene Standorte, an denen zunehmend Trockenschäden zu erwarten sind, ist die gezielte Aufforstung trockenresistenter Baumarten heimischen Ursprungs wie Traubeneiche oder Waldkiefer sinnvoll.
• Für stark betroffene Regionen wie die Sandböden im Rhein-Main-Gebiet ist der Anbau von Arten aus trockeneren Klimazonen notwendig. Hierfür kommen prinzipiell mediterrane Arten sowie Arten aus Übersee in Frage.
Bereits 2007 begann an der Goethe-Universität der Arbeitskreis „Ökophysiologie der Pflanzen“ mediterrane Eichenarten zu untersuchen. Das daraus entstandene Projekt „Wald der Zukunft“ wurde 2009 zu Beginn des LOEWE-Zentrums BiK-F mit dem Innovationspreis „Deutschland – Land der Ideen: Ausgezeichneter Ort 2009“ belohnt. Mit externen Partnern entwickelte sich hieraus 2011 das SHOP.
Das Projekt beschäftigt sich mit der Einbringung mediterraner Eichen als Alternativbaumarten. „Die Eiche ist hierzulande einer der ökologisch wichtigsten bestandsbildenden Bäume“, sagt Wolfgang Brüggemann, Biologieprofessor und Leiter des SHOP. „Sie steht aber häufig auf extrem trockenen Standorten und wird daher vom Klimawandel besonders stark betroffen sein.“ Die alternativen Baumarten müssen nicht nur trockenresistenter als die Stieleiche sein, sondern auch die hiesigen heute noch kalten Winter gut überstehen. Außerdem ist es für die Wissenschaftler wichtig, dass die Arten auch die ökologischen Funktionen der hier ausfallenden Arten übernehmen können. „Um die Systeme nicht weiter zu schwächen, ist das Aufrechterhalten der Biodiversität wichtig“, sagt Vera Holland, Post-Doc am Institut für Ökologie, Evolution und Diversität.
Im SHOP-Projekt – und dem 2017 daraus mit Partnern in Italien und Griechenland entwickelten Kooperationsprojekt „Futureoaks-IKYDA“ – haben die Forscher zwischen 2009 und 2017 insgesamt mehr als 10.000 Eichen an vier Standorten in Südhessen sowie in Griechenland und Italien gepflanzt. Über Jahre haben sie ihr Wachstum, ihre Physiologie, Molekularbiologie und ihr ökologisches Potential studiert. Die Ergebnisse ihrer Forschung belegen ein großes Potential für einige der mediterranen Eichen, um als Alternativbaumarten an Extremstandorten gepflanzt zu werden: etwa die Flaumeiche (Quercus pubescens) oder unter bestimmten Bedingungen auch die immergrüne Steineiche (Quercus ilex).
„Auf Basis modellgestützter Prognosen wird eine klimawandelbedingte Verschiebung der Verbreitungsgrenzen mediterraner Arten in Richtung Mitteleuropa bereits seit Jahren vorhergesagt“, sagt Vera Holland. „Der Klimawandel schreitet aber viel schneller voran, als dass die natürliche Einwanderung dieser Baumarten damit Schritt halten und schnell genug die Lücken füllen kann, die durch Extremwetterereignisse entstehen. Die von uns propagierte Einbringung über eine gestützte Migration würde demnach diesem Prozess vorgreifen und so verhindern, dass es zu einem Rückgang der Waldgebiete, starkem Nachlassen der CO2-Speicherung und starker Bodenerosion auf zwischenzeitlich entwaldeten Standorten käme“, so die Biologin.
Wolfgang Brüggemann, Professor, Institut für Ökologie, Evolution und Diversität, Fachbereich Biowissenschaften, Campus Riedberg, +49 (0)69-79842192, w.brueggemann@bio.uni-frankfurt.de
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