Erdmagnetfeld in etwa 90 Kilometer Höhe mithilfe von künstlichen Sternen vermessen

Das Experiment auf La Palma: Der Laserstrahl (gelb) erzeugt in der Mesosphäre einen künstlichen Stern, dessen Signale von einem Teleskop (vorne links) aufgefangen werden. Laserquelle und Empfangsteleskop sind acht Meter voneinander entfernt. Foto/©: Felipe Pedreros Bustos

Zwischen 85 und 100 Kilometer über der Erde befindet sich in der Mesosphäre eine Ansammlung von Natriumatomen, die Natriumschicht. In dieser Schicht können durch Laserstrahlung künstliche Sterne erzeugt werden, die Astronomen verwenden, um die Bildqualität von Teleskopen zu verbessern.

Vor etwa sieben Jahren kam die Idee auf, diese künstlichen Leitsterne auch noch anders zu nutzen und zwar für die Vermessung des Erdmagnetfelds in dieser Höhe. Dies ist einer internationalen Gruppe von Wissenschaftlern nun mit großer Genauigkeit gelungen.

Die Technik könnte in Zukunft auch dazu beitragen, magnetische Strukturen in der äußeren Schicht der Erde, der Lithosphäre, aufzuzeigen, das Weltraumwetter zu beobachten und elektrische Ströme in der Atmosphäre zu verfolgen.

Die Erzeugung von künstlichen Sternen durch Laser ist etwa 20 Jahre alt. Ein Laserstrahl wird von der Erde aus in die Atmosphäre gerichtet. In der Natriumschicht trifft er auf Natriumatome, die das Licht des Lasers absorbieren und dann leuchten.

„Die Atome scheinen in alle Richtungen. Von der Erde aus kann man die künstlichen Sterne allerdings nur mit Teleskopen erkennen, nicht mit dem bloßen Auge“, erklärt Felipe Pedreros Bustos von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU).

Der chilenische Physiker hat im Rahmen seiner Doktorarbeit vier Jahre lang an dem Projekt gearbeitet, an dem außerdem die Europäische Südsternwarte (ESO), die University of California Berkeley in den USA, das italienische Nationale Institut für Astrophysik (INAF) und die University of British Columbia in Kanada beteiligt sind.

Die künstlichen Leitsterne dienen als Referenz für atmosphärische Störungen. Ihr Licht wird auf der Erde von Teleskopen aufgefangen und die Daten können genutzt werden, um die Technik moderner Teleskope so auszurichten, dass sie die Bilder von astronomischen Objekten optimieren und möglichst störungsarm aufzeichnen können – eine Technik, die auf verformbaren Spiegeln beruht.

Präzessionssignal der Natriumatome gibt Aufschluss über die Stärke des Magnetfelds

Der Aufbau der Kooperationspartner zur Vermessung des Erdmagnetfelds funktioniert zunächst ähnlich. Auf der Kanareninsel La Palma befindet sich nahe dem Roque-de-los-Muchachos-Observatorium eine ESO-Lasereinheit. Von hier aus wird ein Laserstrahl in die Natriumschicht gelenkt und die Atome werden angeregt und zudem spinpolarisiert.

Dies bedeutet, dass sie sich zu einem großen Teil in die gleiche Richtung ausrichten. Weil sie sich in einem Magnetfeld befinden, dreht sich der „Spin“ der Atome wie bei einem Kreisel, der schief steht, der sich also nicht genau senkrecht auf der Tischoberfläche dreht – was auch als Präzession bezeichnet wird.

„Die Helligkeit des Leitsterns ist maximal, wenn wir mit der Laserfrequenz diese Natrium-Präzessionsfrequenz treffen, was wir von der Erde aus beobachten“, erläutert Pedreros Bustos. „Weil die Frequenz proportional zur Stärke des Magnetfelds ist, können wir mit dieser Methode das Erdmagnetfeld vermessen.“

Der Gruppe ist es damit gelungen, eine fundamentale Technik, die im Labor gut untersucht ist, auch in der Natur anzuwenden. Sie schließt damit eine Lücke in der Vermessung des Erdmagnetfelds, indem sie den schwer zugänglichen Bereich der Mesosphäre von der Erde aus betrachtet.

Magnetfelduntersuchungen erfolgen ansonsten direkt auf der Erde oder von Satelliten im Weltraum.

Ähnliche Untersuchungen hatte im Mai 2018 eine US-amerikanische Gruppe publiziert. Die jetzigen Messungen weisen allerdings eine wesentlich höhere Sensitivität auf und könnten, so die Erwartungen, mit höherer Laserenergie noch weiter verbessert werden.

„Außerdem können wir atomare Prozesse in der Atmosphäre abschätzen, zum Beispiel mit welcher Häufigkeit es zu Zusammenstößen von Natrium mit anderen Atomen wie Sauerstoff oder Stickstoff kommt, das ist neu“, so Pedreros Bustos.

Anwendungen der Messtechnik mithilfe von künstlichen Leitsternen bieten sich vor allem für die Geophysik. So könnten Veränderungen in der Ionosphäre durch Sonnenwinde, die sich auf das Erdmagnetfeld auswirken, ermittelt werden. Außerdem könnten bei kontinuierlicher Beobachtung des Erdmagnetfelds in Höhen von 85 bis 100 Kilometer ozeanische Strömungen und großräumige magnetische Strukturen im oberen Mantel wahrgenommen werden.

Bildmaterial:
http://www.uni-mainz.de/bilder_presse/08_physik_quantum_laser_leitstern_magnetfe…
Das Experiment auf La Palma: Der Laserstrahl (gelb) erzeugt in der Mesosphäre einen künstlichen Stern, dessen Signale von einem Teleskop (vorne links) aufgefangen werden. Laserquelle und Empfangsteleskop sind acht Meter voneinander entfernt.
Foto/©: Felipe Pedreros Bustos

http://www.uni-mainz.de/bilder_presse/08_physik_quantum_laser_leitstern_magnetfe…
Das Observatorium Roque de los Muchachos, auf der Kanareninsel La Palma in 2400 Meter Höhe am Hang eines erloschenen Vulkans gelegen, bietet günstige Bedingungen, um die beschriebenen Experimente durchzuführen.
Foto/©: Felipe Pedreros Bustos

Weiterführende Links:
https://budker.uni-mainz.de/ – Arbeitsgruppe Dmitry Budker
https://budker.uni-mainz.de/?page_id=38 – Adaptive Optics and Laser Guide Star
https://him.uni-mainz.de – Helmholtz-Institut Mainz

Lesen Sie mehr:
http://www.magazin.uni-mainz.de/2452_DEU_HTML.php – JGU-Magazin-Beitrag „Nicht alles ist symmetrisch im Universum“ (09. 01. 2015)
http://www.uni-mainz.de/presse/75388.php – Pressemitteilung „Mainzer Experimentalphysiker Dmitry Budker erhält ERC Advanced Grant“ (12.05.2016)

Felipe Pedreros Bustos
Helmholtz-Institut Mainz
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
55099 Mainz
Tel. +49 6131 39-29638
E-Mail: pedreros@uni-mainz.de
https://www.researchgate.net/profile/Felipe_Pedreros_Bustos

Felipe Pedreros Bustos et al.
Remote sensing of geomagnetic fields and atomic collisions in the mesosphere
Nature Communications, 28. September 2018
DOI: 10.1038/s41467-018-06396-7
http://www.nature.com/articles/s41467-018-06396-7

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Petra Giegerich idw - Informationsdienst Wissenschaft

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