Geo-Forscher lösen das Rätsel um die „Regenwald-Krise“

Leichte Bohrplattform auf dem Barombi-See. Diese Schwimm-Plattform ist komplett zerleg- und transportierbar. Y. Garcin/Uni. Potsdam

Felder, Straßen, Städte, aber auch in Reih und Glied gepflanzte Wälder und schnurgerade Flüsse: Menschen verändern die Natur, um sie besser nutzen zu können. Dass sie dies nicht erst seit Beginn der Industrialisierung aktiv tun, konnte im Amazonasbecken bereits gezeigt werden. Der Einfluss des Menschen auf die Ökosysteme Zentralafrikas aber war bisher umstritten.

Ein Team um den Potsdamer Geo-Forscher Yannick Garcin hat nun eine Studie im Fachjournal PNAS veröffentlicht, in der es Untersuchungen an Seesedimenten im südlichen Kamerun vorstellt, die der Lösung des Rätsels um die sogenannte Regenwald-Krise einen großen Schritt näherkommen. Sie fanden heraus, dass nicht klimatische Veränderungen wie extreme Trockenheit oder starke Schwankungen im Niederschlag für den drastischen Wandel des dortigen Ökosystems verantwortlich waren, sondern der Mensch.

Es ist bereits über 20 Jahre her, das erste Untersuchungen der Seesedimente des Barombi-Sees im Süden Kameruns auf einen drastischen Wandel des Regenwald-Ökosystems in Zentral-Afrika hindeuteten. Die vielen Pollen tropischer Bäume in alten Sedimentschichten ließen auf einen dichten Regenwald in der Region schließen.

Jüngere Sedimente hingegen enthielten mehrheitlich Pollen von Pflanzen, die eher in Savannen wachsen: Dieser plötzliche Wechsel von einem Regenwald- zu einem Savannen-Ökosystem ereignete sich vor etwa 2600 Jahren. Ein plötzlicher Wechsel zurück in ein Regenwald-dominiertes Ökosystem erfolgte dann rund 600 Jahre später.

Lange Zeit galten klimatische Veränderungen infolge geringerer Niederschläge als wahrscheinlichste Ursache dieser sogenannten Regenwald-Krise. Weniger Niederschlag und saisonale Veränderungen der Regenzeit wurden für Änderungen im Ökosystem der Region verantwortlich gemacht. Trotz einiger Zweifel schien das Rätsel der Regenwald-Krise gelöst.

Doch Yannick Garcin, Wissenschaftler an der Universität Potsdam, und seine Kollegen vom GFZ Potsdam, AWI Potsdam, MARUM Bremen, aus Frankreich (CEREGE, IRD, ENS Lyon) und Kamerun vermuteten, dass der Wandel des Ökosystems auch andere Ursachen haben könnte. Durch die unabhängige Rekonstruktion von Vegetation und Klima – anhand stabiler Isotopen-Analytik von molekularen Fossilien, den Blattwachsen höherer Pflanzen in den Sedimenten – konnte das Team zwar den plötzlichen Wandel des Ökosystems aufzeigen, nicht aber die proklamierten Klimaänderungen.

„Die Regenwald-Krise ist erneut nachgewiesen, sie kann aber nicht durch Klimaänderungen verursacht worden sein“, sagt Garcin. „Tatsächlich konnten wir durch den Vergleich der Datierungen von mehr als 460 archäologischen Fundstellen in der Region Anzeichen dafür finden, dass die Menschen massiv in das Ökosystem eingegriffen haben.“

Archäologische Funde, die älter als 3000 Jahre alt sind, sind in Zentralafrika selten. Etwa vor 2600 Jahren, also zur Zeit der Regenwald-Krise, häufen sich solche Funde aber. Dies deutet auf einen raschen Anstieg der Bevölkerungszahlen in der Region hin – möglicherweise steht dies in Zusammenhang mit der Expansion der Bantu sprechenden Völker. Gleichzeitig lässt sich erstmals der Ackerbau von Perlhirse und Ölpalmen sowie der Abbau von Eisenerzen in der Region nachweisen.

„Die Kombination regionaler archäologischer Befunde mit unseren Daten aus den Sedimenten des Barombi-Sees zeigen klar, das der Mensch den tropischen Regenwald Zentralafrikas bereits vor mehreren Jahrtausenden stark verändert hat und dass er einen anthropogenen Fingerabdruck in geologischen Archiven zurücklässt“, sagt Dirk Sachse vom Helmholtz-Zentrum Potsdam – Deutsches GeoForschungsZentrum (GFZ). Sachse ist einer der Koautoren der Studie und war maßgeblich an der Entwicklung der Methode zur Analyse der Blattwachse, auch als Biomarker bezeichnet, beteiligt.

„Wir sind davon überzeugt, dass nicht klimatische Änderungen die Regenwald-Krise vor 2600 Jahren ausgelöst haben, sondern der Anstieg der Bevölkerungsdichte der Region. Die Menschen rodeten den Regenwald, um Land für Siedlungen und Ackerbau zu gewinnen“, so Garcin. „Ähnliche Prozesse beobachten wir heute in anderen Regionen – in Südafrika, aber auch in Asien und Südamerika.“

Was die Arbeit von Garcin und seinen Kollegen aber ebenfalls zeigt, ist die beeindruckende Regenerationsfähigkeit der Natur. Als der Bevölkerungsdruck nach 600 Jahren nachließ, konnte sich der Regenwald erholen und wieder zum dominanten Ökosystem der Region werden. Doch auch in dieser Regeneration zeigt sich der Einfluss des Menschen: Untersuchungen im Amazons-Gebiet machen deutlich, dass einige Pflanzen und Tiere, die der Mensch in das Ökosystem einführte, auch nach dessen Verlassen der Region im System verbleiben. So sind bestimmte Pflanzen selbst Teil des anthropogenen Fingerabdrucks.

Dies ist eine gemeinsame Pressemitteilung der beteiligten Institute: Universität Potsdam (UP), Helmholtz-Zentrum Potsdam – Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ, MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen, Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI), Potsdam, CEREGE – IRD, Aix-Marseille Université (Frankreich), Université de Lyon, Ens de Lyon (Frankreich), PALOC – IRD (Frankreich), UNIROUEN, UNICAEN (Frankreich), LCE, Aix-Marseille Université (Frankreich), University of Yaoundé I (Kamerun), IRGM (Kamerun).

Studie
Garcin, Y., Deschamps, P., Ménot, G., de Saulieu, G., Schefuß, E., Sebag, D., Dupont, L., Oslisly, R., Brademann, B., Mbusnum, K., Onana, J.-M., Ako, A., Epp, L., Tjallingii, R., Strecker, M., Brauer, A. and Sachse, D. (2018). Early anthropogenic impact on Western Central African rainforests 2,600 y ago. PNAS. DOI: 10.1073/pnas.1715336115

Kontakt: Dr. Yannick Garcin; Universität Potsdam, Institut für Erd- und Umweltwissenschaften
Email: garcin@geo.uni-potsdam.de
Telefon: +49 (0)331 977 5837

Fotos:
Barombi-See: Der Barombi-See in Kamerun. Der hohe Niederschlag der Region (über 3.000 Millimeter pro Jahr) sorgt dafür, dass der See über Jahrtausende nicht ausgetrocknet war. In dem mehr als 100 Meter tiefen See lagerten sich über die Jahrtausende große Mengen an Sedimenten ab. Beides ermöglicht eine Sedimentanalyse von höchster Detailgenauigkeit. (Quelle: B. Brademann/GFZ)
Plattform: Leichte Bohrplattform auf dem Barombi-See. Diese Schwimm-Plattform ist komplett zerleg- und transportierbar. Mit ihr konnten im rund 100 Meter tiefen Barombi-See Sedimentproben erbohrt werden, die anschließend im Labor analysiert wurden. (Quelle: Y. Garcin/Uni. Potsdam)

Medieninformation 27-02-2018 / Nr. 031
Matthias Zimmermann

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