Gewaltiger Tsunami traf vor 1.000 Jahren Oman
Oman liegt im Osten der Arabischen Halbinsel. Die Küsten des Sultanats werden immer wieder von Tsunamis heimgesucht, zuletzt im Jahr 2013. Selbst bei dem wohl schwersten davon in jüngerer Zeit, dem Makran-Ereignis im Jahr 1945, blieben die Schäden aber vergleichsweise gering. Die Flutwelle erreichte damals eine Höhe von drei Metern.
Die Wissenschaftler sind nun aber auf die Spuren eines Tsunamis gestoßen, der mit Wellenhöhen von bis zu 15 Metern erheblich gewaltiger gewesen sein dürfte. Dazu konzentrierten die Forscher aus Bonn, Jena und Aachen ihre Gelände-Untersuchungen auf einen 200 Kilometer langen Küstenstreifen im Nordosten Omans. „Wir haben dort 41 große Felsbrocken identifiziert, die augenscheinlich von der Wucht des Wassers ins Landesinnere getragen wurden“, erklärt der Bonner Privatdozent Dr. Gösta Hoffmann vom Institut für Geowissenschaften der Universität Bonn.
Quarzuhr im Fels
Einige der Gesteinsblöcke entstanden vermutlich, als der Tsunami Teile der Klippen zerschmetterte; für einen von ihnen – den größten mit einem Gewicht von rund 100 Tonnen – konnten die Wissenschaftler sogar den genauen Ort des Abbruchs feststellen. Andere weisen Spuren von Meeresorganismen wie Muscheln oder Austern auf, die an Land nicht überlebensfähig sind. „Mit bestimmten Methoden lässt sich ihr Todeszeitpunkt feststellen“, sagt der Geologe Gösta Hoffmann. „Auf diese Weise konnten wir bestimmen, wann die Felsbrocken an Land geschwemmt wurden.“
Auch die Quarzkristalle im Gestein stellen eine Art Uhr dar: Aus ihnen lässt sich auslesen, wann sie das letzte Mal der Sonne ausgesetzt waren. Dadurch konnten die Wissenschaftler herausfinden, seit wann die Felsen schon an der Stelle lagen, an der sie gefunden wurden. Die Freiburger Wissenschaftler sind Spezialisten in dieser Methode. „Bei vielen dieser Messungen erhielten wir einen Wert von etwa 1.000 Jahren“, betont Hoffmann. „Dieser korrespondiert gut mit den Datierungs-Ergebnissen von Tonscherben, die wir in Sedimenten des Tsunamis gefunden haben. Sie stammen von Gefäßen, die von Küstenbewohnern genutzt wurden.“
Im Arabischen Meer stoßen die arabische und eurasische Kontinentalplatte aneinander. Diese bewegen sich mit einer Geschwindigkeit von etwa vier Zentimetern pro Jahr aufeinander zu. Dabei gleitet die eine Platte unter die andere. Manchmal verhaken sie sich in dieser Subduktionszone miteinander. Dann können Spannungen entstehen, die sich über Jahre und Jahrzehnte mehr und mehr verstärken. Wenn diese sich plötzlich mit einem gewaltigen Ruck lösen, gerät die Wassersäule über den Platten in Bewegung. Dabei können dann die extrem zerstörerischen Wellen entstehen, die für Tsunamis charakteristisch sind.
„Bislang war unklar, welches Ausmaß solche Verhakungen zwischen der arabischen und eurasischen Platte haben können“, sagt Hoffmann. Beim Makran-Ereignis von 1945 waren sie zum Beispiel lokal begrenzt. Die aktuellen Befunde sprechen aber dafür, dass sich die Spannungen auch sehr großflächig aufbauen und entladen können – anders lassen sich die gewaltigen Kräfte, die damals am Werk waren, kaum erklären. „Daher ist es außerordentlich wichtig, dass ein Tsunami-Frühwarnsystem für diese Region etabliert wurde“, betont der Geologe.
Dennoch hätte heute wohl selbst ein kleinerer Tsunami verheerende Folgen: Ein großer Teil der überlebenswichtigen Infrastruktur im Sultanat Oman wurde in Küstennähe erbaut – etwa die Ölraffinerien oder die Meerwasser-Entsalzungsanlagen. Ein gut funktionierendes Warnsystem kann aber zumindest den Bewohnern etwas Zeit verschaffen, sich in Sicherheit zu bringen. Allerdings nicht allzu viel: Tsunamis bewegen sich so schnell wie ein Passagierflugzeug; zwischen Alarm und Auftreffen der Welle würden daher auch im Idealfall kaum mehr als 30 Minuten liegen.
Privatdozent Dr. habil. Gösta Hoffmann
Institut für Geowissenschaften der Universität Bonn
Tel. 0228/73-4711
E-Mail: ghoffman@uni-bonn.de
Gösta Hoffmann, Christoph Grützner, Bastian Schneider, Frank Preusser und Klaus Reicherter: Large Holocene tsunamis in the northern Arabian Sea. Marine Geology, DOI: 10.1016/j.margeo.2019.106068
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