GRIPS misst seit 30 Jahren die Atmosphäre hoch über NRW
Das Wuppertaler GRIPS-Gerät ist heute immer noch „Stand der Technik“. Es misst hoch über Wuppertal u.a. so genannte schnelle Wellen, die in 80 bis 90 km Höhe (sog. Mesopause) mit etwa 150 km/h von Ost nach West laufen. Die Wellen haben einen zeitlichen Abstand von Wellenkamm zu Wellenkamm von zwei Tagen.
Seit drei Jahren gehört GRIPS (= GRound-based Infrared P-Branch Spectrometer) zu einem von der Welt-Meteorologie-Organisation initiierten und vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) betreuten Netzwerk zur Erkennung von Veränderungen in der Hochatmosphäre. Die Atmosphärenforscher unter der Leitung von Prof. Dr. Ralf Koppmann interessieren vor allem auch die Zusammenhänge mit der unteren Atmosphäre, was sehr kompliziert ist, sich aber mit aufwändigen Computermodellen untersuchen lässt.
Die „Zwei-Tage-Wellen“ werden mit Hilfe einer leuchtenden Atmosphärenschicht gemessen, die nur nachts beobachtet werden kann. Das ausgesandte Licht liegt im Infrarotbereich und kann vom menschlichen Auge nicht (mehr) erkannt werden. Das kann aber ein Infrarot-Spektrometer mit seinem sehr empfindlichen Nachweis-Detektor. Dieser wurde vor mehr als 30 Jahren in der damals von Prof. Dr. Dirk Offermann, dem Vorgänger von Prof. Koppmann, geleiteten Arbeitsgruppe entwickelt. So entstand das GRIPS-Gerät. Dass dieser Detektor bis heute auf der Höhe der Zeit ist, liegt daran, dass er mit flüssigem Stickstoff auf sehr tiefe Temperaturen gekühlt wird.
So funktioniert der GRIPS-Betrieb: Abends wird das GRIPS-Gerät angeschaltet und mit flüssigem Stickstoff befüllt. Während der Wuppertaler Nacht erfolgt die automatische Messung. Nach dem Abschalten am Morgen werden die gemessenen Daten auf ihre Qualität hin überprüft und insofern ausgewertet, als aus den Signalen die Temperatur der Atmosphäre in 87 km Höhe abgeleitet wird. Dieser Betrieb erfordert die ganze Disziplin der beteiligten Physiker, denn es wurde und wird an sieben Tagen in der Woche und in 52 Wochen des Jahres gemessen, inklusive aller Sonn- und Feiertage.
Auch bei schlechtem Wetter am Abend gibt es nachts häufig Wetterbesserungen, so dass wenigstens einige Stunden lang gemessen werden kann. So erweisen sich etwa 60 Prozent der bergischen Nächte als brauchbar, was man, so Prof. Offermann, „für das Regenloch Wuppertal nicht so ohne weiteres erwartet hätte“.
An den GRIPS-Langzeitmessungen waren ganze Generationen von Physikstudenten, Diplomanden und Doktoranden beteiligt. Dabei sind im Laufe der Jahre fünf Diplomarbeiten, zwei Doktorarbeiten und fast 40 Veröffentlichungen in internationalen Fachzeitschriften entstanden. Die zentrale Frage ist dabei heute wie vor 30 Jahren, ob es Klima-Veränderungen, wie sie am Erdboden beobachtet und diskutiert werden, auch in der Hochatmosphäre gibt.
Weltweit verfolgten Wissenschaftler mit ähnlichen Geräten die Temperaturentwicklungen der Hochatmosphäre. Die Wuppertaler Messreihe ist die bei weitem längste. Sie hat noch einen weiteren Vorteil: Sie ist „homogen“, weil während der langen Zeit weder das Messgerät noch das Messverfahren verändert wurden. Das ist für eine Langzeitreihe außerordentlich wichtig, weil sonst leicht „Brüche“ entstehen, die die Verstehbarkeit der Ergebnisse sehr erschweren. Prof. Koppmann: „Die meisten Konkurrenzgruppen haben der Versuchung nicht widerstehen können und von Zeit zu Zeit ihre Geräte ‚verbessert’. Dadurch haben sie den Wert ihrer Daten für Langzeitanalysen erheblich gemindert.“
Die Beobachtung der Temperatur der Hochatmosphäre und die Feststellung von Zunahme oder Abnahme allein erweise sich als nicht besonders erhellend, erläutert Prof. Koppmann. Das sei wie beim Fiebermessen: Wenn das Thermometer erhöhte Temperatur anzeigt, sagt das noch nichts über die Art der Krankheit aus. Stattdessen haben die Wissenschaftler deshalb nach anderen Kennzeichen einer möglichen Atmosphärenänderung gesucht. Das erste sei die „Sommerlänge“, also die Dauer vom Frühlingspunkt bis zum Herbstpunkt (definiert als der Zeitpunkt mit –75°C). Diese Sommerlänge hat in den letzten 20 Jahren kontinuierlich zugenommen, und zwar um etwa 1 Grad pro Jahr. Der Sommer über Wuppertal ist also in diesem Zeitraum um etwa drei Wochen länger geworden – ziemlich genau der Wert, den man aus Pflanzenbeobachtungen für die Zunahme der Vegetationsperiode erhält.
Das zweite Kennzeichen gewinnen die Forscher aus den Zwei-Tage-Wellen. Sie treten im Verlauf des Sommers zu drei Zeitpunkten besonders stark auf, im Frühsommer, zur Sonnenwende und im Spätsommer. Die Langzeitdaten zeigen, dass sich der Zeitabstand zwischen diesen Zeitpunkten verändert hat, und zwar hat der Abstand zwischen dem erstem und dem drittem in den vergangenen 20 Jahren um etwas mehr als 1 Tag pro Jahr zugenommen. Prof. Offermann: „Die Ähnlichkeit zur Sommerlänge ist erstaunlich. Wir interpretieren beide Ergebnisse als Anzeichen dafür, dass in der oberen Atmosphäre eine Veränderung der allgemeinen Zirkulation stattgefunden hat und noch stattfindet.“
Ein Video steht zur Verfügung unter:
http://www.atmos.physik.uni-wuppertal.de/img/grips/grips-movie-original.mov
http://www.atmos.physik.uni-wuppertal.de/img/grips/grips-movie.mpg
Kontakt:
Prof. Dr. Ralf Koppmann
Telefon 0202/439-2605
Bernd Winter, Sekretariat
Telefon 0202/439-2741
em. Prof. Dr. Dirk Offermann
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