In Fels und Eis: Dem Millimeter auf der Spur

Ankunft der Gruppe im Gebiet der russischen Antarktisstation Molodeshnaya. V.l.n.r.: Karl Heidrich-Meisner (TU Dresden), Sonja Berg (Uni Köln), Ole Bennike (GEUS Kopenhagen), Maria Kappelsberger (TU Dresden), Niklas Leicher und Bernd Wagner (Uni Köln)
(c) Bartek Szczepan (HeliService International GmbH)

Die Massenänderung des Antarktischen Eisschildes führt zu Hebungen der Erdkruste: Um diese zu messen, waren Maria Kappelsberger M.Sc. und Karl Heidrich-Meisner, Doktorandin bzw. Geodäsie-Student an der Professur für Geodätische Erdsystemforschung der TU Dresden, auf dem antarktischen Festland tätig.

Zusammen mit vier Quartärgeologen aus Köln und Kopenhagen haben sie ab dem 2. Februar 2022 für zwei Wochen Feldarbeiten in den Thala-Bergen im Enderby-Land, Ostantarktis, durchgeführt.

Am 14. Februar 2022 wurde die Gruppe der sechs Wissenschaftler wieder zurück an Bord des deutschen Forschungseisbrechers „Polarstern“ geholt. Mittlerweile hat „Polarstern“ bei der Rückfahrt im Südatlantik zum Zielhafen Kapstadt (Südafrika) eine Breite erreicht, die wieder größere Bandbreiten bei der Satellitenkommunikation und damit die Übermittlung von ausführlichen Informationen und Fotos ermöglicht.

Maria Kappelsberger (links) und Karl Heidrich-Meisner beim Aufbau der GPS-Station Blisnetzow. Die Sicherstellung der Stromversorgung erfolgte mit Hilfe von Solarmodulen.
Niklas Leicher (Universität zu Köln)

An drei speziell markierten Felspunkten konnten Maria Kappelsberger und Karl Heidrich-Meisner geodätische GPS-Messungen für sieben bis zehn Tage realisieren. Durch gemeinsame Auswertung mit den Daten der seit 2006 wiederholt durchgeführten Messkampagnen können Deformationsraten der festen Erde abgeleitet werden. Insbesondere interessiert die Forschenden hier die vertikale Deformationsrate (bzw. Höhenänderung), die am stärksten von den Eismassenänderungen betroffen ist. „Dabei hoffen wir ein Genauigkeitsniveau von 1 mm/Jahr zu erreichen, um auch kleine Änderungen detektieren zu können“, sagt Dr. Mirko Scheinert, Seniorwissenschaftler an der Professur und Leiter dieses durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Projekts.

Für die Erfassung der Eismassenänderung muss nicht nur die Gegenwart betrachtet werden, sondern man muss zurück in die Vergangenheit gehen – etwa bis zum Maximum der letzten Eiszeit. Um diese Klimageschichte des Holozän (und möglicherweise noch weiter zurück) zu erforschen, haben die Kolleginnen und Kollegen der Quartärgeologie Sedimentkerne in verschiedenen Seen erbohrt, die dann zu Hause eingehenden Analysen unterzogen werden.

Im Arbeitsgebiet kamen die sechs Wissenschaftler in einem Gebäude der in diesem Südsommer nicht besetzten russischen Antarktisstation „Molodeshnaya“ unter. Allerdings erfuhren sie tatkräftige Unterstützung durch die Kollegen der belarussischen Station „Gora Vechernyaya“ (dt. Abendberg), die sich in ca. 15 km Entfernung befindet. „Die Operation zum Transport der Personen und der wissenschaftlichen Ausrüstung vom Schiff zum Arbeitsgebiet in den Thala-Bergen umfasste zehn Helikoperflüge und dauerte ungefähr zehn Stunden“, berichtet Kappelsberger. Aufgrund der Meereisbedeckung musste die „Polarstern“ ca. 35 km entfernt von Molodeshnaya auf Position gehen. Bei der Abholung erlaubte das aufgebrochene und durch Wind und Strömung nach Norden abtransportierte bzw. aufgeschmolzene Meereis eine Annäherung bis auf ca. 4 km. Die drei GPS-Messpunkte, die zwischen 1,5 und 18 km von der Station Molodeshnaya entfernt liegen, erreichten die beiden Wissenschaftler mit Skidoos. „Dafür war es unerlässlich, dass wir gute Wetterbedingungen und ausreichend Kontrast für eine gute Sicht hatten“, ergänzt Heidrich-Meisner.

Der am 28. Februar 2022 zu Ende gehende Fahrtabschnitt PS128 des Forschungseisbrechers „Polarstern“ stellt die erste Fahrt im Rahmen des multidisziplinären Verbundprojekts „East Antarctic Ice Sheet Instability“ (EASI) dar. Mirko Scheinert ist Mitantragsteller in diesem Verbund. „Auf zwei nachfolgenden „Polarstern“-Fahrten im Südsommer 2023/2024 sollen weitere GPS-Messungen im schwer zugänglichen Randbereich der Ostantarktis realisiert werden“, berichtet Scheinert. Vor allem sollen aber neue geologische und geophysikalische Daten im Übergangsbereich zwischen antarktischem Kontinent und Südozean gewonnen werden, um die Rückkopplungen zwischen dem ostantarktischen Eisschild, den veränderlichen Klimabedingungen und globalen Meeresspiegeländerungen besser zu verstehen.

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Dr. Mirko Scheinert,
TU Dresden
Institut für Planetare Geodäsie
Professur für Geodätische Erdsystemforschung
Tel.: 0351 463-33683
Email: Mirko.Scheinert@tu-dresden.de

Weitere Informationen:

https://tu-dresden.de/bu/umwelt/geo/ipg/gef
https://geologie.uni-koeln.de/arbeitsgruppen/quartaergeologie
https://www.awi.de/expedition/schiffe/polarstern.html
https://follow-polarstern.awi.de/
http://belpolus.by/en/
https://raexp.ru/
https://www.spp-antarktisforschung.de/

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Claudia Kallmeier Pressestelle
Technische Universität Dresden

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