Klimawandel führt zu mehr alpinen Gefahren

Steigende Temperaturen (I) sind die Hauptursache, dass sich die alpinen Gefahren wie Steinschläge (a), Murgänge (b) und Lawinen (d-e) verändern.
(c) Jacquemart, Weber et al. Lizenz: CC-BY

Von Steinschlag bis Eislawine: So hat der Klimawandel die Naturgefahren in den Alpen verändert. Der Klimawandel intensiviert vielerorts Naturgefahren in den Bergen und stellt den Alpenraum damit vor besondere Herausforderungen. Das geht aus einer Studie hervor, die SLF-Permafrost-Experte Samuel Weber und Glaziologin Mylène Jacquemart von der WSL und ETH Zürich im Rahmen des WSL-Forschungsprogramms CCAMM gemeinsam koordiniert haben.

Murgänge wie dieser könnten künftig auch in Gebieten auftreten, in denen es bislang keine Murgänge gab.
Murgänge wie dieser könnten künftig auch in Gebieten auftreten, in denen es bislang keine Murgänge gab. (c) Corina Gwerder / SLF

Der Klimawandel intensiviert vielerorts Naturgefahren in den Bergen und stellt den Alpenraum damit vor besondere Herausforderungen. Das geht aus einer Studie (https://doi.org/10.1016/j.earscirev.2024.104886) hervor, die SLF-Permafrost-Experte Samuel Weber und Glaziologin Mylène Jacquemart von der WSL und ETH Zürich im Rahmen des WSL-Forschungsprogramms CCAMM (https://ccamm.slf.ch/de/) gemeinsam koordiniert haben. «Unsere Beobachtungen unterstreichen deutlich die Auswirkungen des Klimawandels auf Massenbewegungen in den Bergen», sagt SLF-Wissenschafter Samuel Weber. Das internationale Team hat mehr als dreihundert wissenschaftliche Arbeiten aus den vergangenen drei Jahrzehnten ausgewertet. «Wir haben uns dabei auf die in den Alpen am häufigsten auftretenden Prozesse Steinschlag, Bergsturz, Murgang, Eis- und Schneelawine konzentriert,», erläutert Jacquemart die Vorgehensweise.

Die Ergebnisse:

– Steinschlag: Die Aktivität hat in den vergangenen Jahrzehnten zugenommen, allerdings nur im hochalpinen Bereich. Dort taut der Permafrost (siehe Kasten), und die Gletscher gehen zurück. Das schwächt verbreitet das Gestein und begünstigt dadurch, dass sich Steine und Felsmassen lösen.

– Bergsturz: Für diese grossen Ereignisse liegen vergleichsweise wenige Daten vor. «Auch wenn eine klare Aussage noch nicht möglich ist, deutet vieles darauf hin, dass Bergstürze heute häufiger vorkommen», sagt Weber.

– Murgänge: Eindeutig hat die Zahl der Starkniederschläge zugenommen, die Muren auslösen können. «Aber nur die Hälfte der untersuchten Studien deutet auf eine Zunahme der Murgänge hin», sagt Jacquemart. Allerdings gebe es Anzeichen für mehr Aktivität oberhalb der Baumgrenze und in bislang nicht betroffenen Gebieten. Dort steht aufgrund des Rückgangs der Gletscher und vermehrten Steinschlägen mehr lockeres Material zur Verfügung, welches die Niederschläge in Bewegung setzen können.

– Lawinen: «In niedrigen Höhenlagen geht die Aktivität zurück, weil dort die Schneemengen abnehmen. In hohen Lagen hat die Lawinenaktivität hingegen leicht zugenommen», erläutert Weber. Gleichzeitig verändert sich deren Art. Trockene Lawinen treten heutzutage im Mittel weniger oft auf, Nassschneelawinen häufiger.

– Eislawinen: An vielen Orten verschwinden mit den Gletschern auch die Eislawinen. Allerdings deuten regionale Beobachtungen darauf hin, dass grössere Eislawinen seit der Jahrtausendwende häufiger auftreten. «Wo und wie sich Eislawinen genau verändern, muss noch weiter untersucht werden», räumt Jacquemart ein.

Unerwartet kommt das alles nicht. Jacquemart und Weber verweisen auf den ersten IPCC Sachstandsbericht aus dem Jahr 1990, der bereits eine Zunahme alpiner Gefahren durch den Klimawandel prognostiziert hatte. Bei weiter zunehmender Erwärmung werden Schnee- und Eislawinen bis Ende des 21. Jahrhunderts seltener, erwarten die Forschenden. Gleichzeitig erwärmt sich der Permafrost auch in hohen Lagen weiter. Daher gehen die Forschenden davon aus, dass Steinschläge, Murgänge und Bergstürze häufiger werden. «Dieser Wandel stellt die Gesellschaft im Alpenraum vor grosse Herausforderungen», betonen Jacquemart und Weber.

Was ist … Permafrost?

Permafrost ist Boden wie Fels, Schutt oder Moräne, der durchgehend Temperaturen unter 0°C aufweist und daher ständig gefroren ist. Rund fünf Prozent der Fläche der Schweiz besteht aus Permafrost, in der Regel in kalten und hochgelegenen Schutthalden und Felswänden oberhalb von 2500 Metern über dem Meeresspiegel.

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Dr. Samuel Weber, samuel.weber@slf.ch, Tel. +41 81 417 03 76
Dr. Mylène Jacquemart, jacquemart@vaw.baug.ethz.ch, Tel. +41 44 632 41 62

Originalpublikation:

Mylène Jacquemart, Samuel Weber, et al. (2024) Detecting the impact of climate change on alpine mass movements in observational records from the European Alps, Earth-Science Reviews, 104886, https://doi.org/10.1016/j.earscirev.2024.104886.

Weitere Informationen:

https://www.slf.ch/de/news/klimawandel-fuehrt-zu-mehr-alpinen-gefahren/ Online-News
https://www.slf.ch/de/naturgefahren/bergsturz-steinschlag-und-co-faq-und-dossier… Bergsturz, Steinschlag und Co.: FAQ und Dossier
https://www.slf.ch/de/lawinen/lawinenkunde-und-praevention/lawinenarten/ Lawinenarten

Media Contact

Dr. Martin Heggli Medienkontakt WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF, Davos
Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL

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