Kombinierte Extremereignisse belasten die Ozeane

Seeschnecken – das Bild zeigt einen Pteropod – spielen eine wichtige Rolle im marinen Nahrungsnetz. Sie reagieren besonders empfindlich auf Erwärmung und Versauerung des Ozeans.
© Charlotte Havermans

Wenn marine Hitzewellen und Extreme von Ozeanversauerungen zusammentreffen, kann das schwerwiegende Auswirkungen auf die Meeresökosysteme haben. Forschenden des Oeschger-Zentrums für Klimaforschung der Universität Bern ist es erstmals gelungen, die Häufigkeit und die Treiber dieser kombinierten Ereignisse zu bestimmen, sowie deren zukünftige Entwicklung vorherzusagen.

Nicht nur das Land ächzt unter der Hitze – auch der Ozean leidet unter Hitzewellen. Zum Beispiel gegenwärtig im Mittelmeer, wo die Wassertemperaturen an der italienischen und spanischen Küste zum Teil um bis zu 5 °C höher liegen als im langjährigen Mittel zu dieser Jahreszeit. Marine Hitzewellen sind schon länger bekannt und werden – nicht zuletzt an der Universität Bern – wissenschaftlich erforscht. Es ist jedoch relativ wenig darüber bekannt, wie häufig marine Hitzewellen gemeinsam mit anderen Extremereignissen im Ozean auftreten. Man spricht in diesem Zusammenhang von sogenannten Compound Events, die zu den grossen Risiken des Klimawandels gezählt werden. Während an Land bereits seit einiger Zeit untersucht wird, wie Prozesse, die zu Hochwasser, Waldbränden, Hitzewellen oder Dürren führen, miteinander interagieren, ist die Erkenntnis neu, dass es auch in den Ozeanen zu kombinierten Wetter- und Klimaereignissen kommen kann.

Forschende des Oeschger-Zentrums für Klimaforschung haben nun unter der Leitung von Thomas Frölicher untersucht, ob marine Hitzewellen gleichzeitig mit Extremereignissen in anderen Stressfaktoren für marine Ökosysteme auftreten. Zu den Stressfaktoren zählt neben der Hitze auch ein hoher Säuregehalt. «Wir haben erstmals die Häufigkeit von Ereignissen quantifiziert, bei denen marine Hitzewellen zusammen mit extremem Säuregehalt auftreten», sagt Friedrich Burger, Postdoktorand und Erstautor der soeben in der Fachzeitschrift «Nature Communications» erschienenen Studie. Ozeanversauerungsextreme sind Ereignisse mit erhöhtem Säuregehalt des Meerwassers, dabei ist die Protonenkonzentration im Meerwasser höher als normal.

Kombinierte Ereignisse besonders häufig in subtropischen Ozeanen

Hauptergebnis der Studie, die sich auf monatlichen Beobachtungen des offenen Ozeans nahe der Meeresoberfläche über den Zeitraum von 1982 bis 2019 abstützt: Marine Hitzewellen treten relativ oft zusammen mit extremen Ozeanversauerungen auf. Die negativen Auswirkungen von vergangenen marinen Hitzewellen wurden also potenziell durch extreme Säurebedingungen noch verstärkt. «Wir können zeigen», so der Ozeanmodellierer Friedrich Burger, «dass diese zusammengesetzten Ereignisse am häufigsten in den subtropischen Ozeanen auftreten – vergleichsweise selten sind sie jedoch in den hohen Breiten und im tropischen Pazifik anzutreffen.»

Das gemeinsame Auftreten von Hitzewellen und Ozeanversauerungsextremen wird in Regionen wie den subtropischen Ozeanen durch eine Erhöhung des Säuregehalts bei höheren Temperaturen hervorgerufen. Wenn der Temperaturanstieg aber noch andere Effekte hervorruft, wie zum Beispiel geringere Durchmischung von relativ saurerem Tiefenwasser mit Oberflächenwasser, kann eine Hitzewelle auch den Säuregehalt reduzieren und somit die Häufigkeit von Compound Events, wie im Südpolarmeer oder im tropischen Pazifik. «Um die relative Häufigkeit von kombinierten Extremereignissen zu bestimmen, ist es daher von entscheidender Bedeutung, die Auswirkungen von Hitzewellen auf die Zirkulation, Biologie, und Chemie der zu untersuchenden Ozeanregion zu verstehen» sagt Jens Terhaar, Ko-Autor der Studie.

Kombinierte Ereignisse nehmen im Ozean stark zu

Als Folge des Klimawandels und der anhaltenden CO2-Emissionen werden Extremereignisse wie marine Hitzewellen und Ozeanversauerungsextreme weiter zunehmen – und so wird erwartet, dass es auch häufiger zu kombinierten Hitzewellen und Versauerungsextremen kommen wird. Modellrechnungen der Berner Forschenden zeigen, dass die Anzahl der Tage, in denen im Ozean Hitzewellen und Versauerungsextreme in Kombination auftreten bei einer globalen Erwärmung von 2 °C im Vergleich zu vorindustriellen Bedingungen um das 22-fache zunehmen. «Dieser starke prognostizierte Anstieg kann schwerwiegende Auswirkungen auf marine Ökosysteme haben», sagt Thomas Frölicher, Ko-Autor.

Wie sich marine Hitzewellen auswirken, hatte ein von Frölicher geleitetes Team bereits 2018 in einer «Nature»-Studie aufgezeigt. Fazit: Hitzewellen im Meer können Ökosysteme unwiderruflich schädigen und stellen damit auch eine Bedrohung für die Fischerei dar. Obwohl es Belege dafür gibt, dass Meeresorganismen durch das Zusammentreffen von warmen und sauren Meerwasserbedingungen noch mehr geschädigt werden können, ist noch relativ wenig über die biologischen Auswirkungen zusammengesetzter mariner Hitzewellen und extremer Ozeanversauerung bekannt.

Diese Studie wurde vom Schweizerischen Nationalfonds und dem Forschungs- und Innovationsprogramm Horizon 2020 der Europäischen Union unterstützt.

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Dr. Friedrich Burger
Physikalisches Institut, Klima- und Umweltphysik (KUP) / Oeschger-Zentrum für Klimaforschung
Tel. +41 31 684 85 64, friedrich.burger@unibe.ch

Prof. Dr. Thomas Frölicher
Physikalisches Institut, Klima- und Umweltphysik (KUP) / Oeschger-Zentrum für Klimaforschung
Tel. +41 31 684 86 64, thomas.froelicher@unibe.ch

Originalpublikation:

Friedrich A. Burger, Jens Terhaar & Thomas L. Frölicher: Compound marine heatwaves and ocean acidity extremes. Nature Communications, 16. August 2022. DOI: 10.1038/s41467-022-32120-7, https://doi.org/10.1038/s41467-022-32120-7

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